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Aerugit


Formel: Ni8.5As(AsO4)2O8, trigonal

Typlokalität: Johanngeorgenstadt, Erzgebirge, Sachsen

Erstbeschreibung:
BERGEMANN, C. (1858): Ueber einige Nickelerze.- Journal für praktische Chemie 75, 239-244
     (als unbenanntes Nickelarsenat)

Benennung:
ADAM, G.J. (1869): Tableau Mineralogique.- Paris, Dunod, 102 p. (p. 43)
     (Benennung als "Aerugit" ohne eigene Untersuchungen)






Aerugit in winzigen, grünen Kristallen. Johanngeorgenstadt, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 1 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



         Die Entdeckung des Minerals

Der Chemiker und Apotheker Carl Wilhelm BERGEMANN, der an der Universität Bonn eine Professur innehatte, erhielt von dem bekannten, ebenfalls in Bonn tätigen Mineralhändler KRANTZ eine Stufe, die jener 1857 in einer in Schneeberg aufgekauften Sammlung vorgefunden hatte. Das fast handgroße Exemplar sollte aus einem Uranverbindungen führenden Gang bei Johanngeorgenstadt stammen. BERGEMANN erkennt auf der Stufe drei neue Minerale, die später als Aerugit, Xanthiosit und Bunsenit benannt werden.
Für das erste Mineral gibt BERGEMANN (1858) folgendes an:
"Die dunkelgrasgrüne Masse ist meistens krystallinisch, an einzelnen Stellen ins Bräunliche gehend und hier amorph und von matterem Ansehen, im Strich lichter, undurchsichtig. Härte = 4, spec. Gewicht = 4,838; durch Glühen wird die Farbe nicht verändert. Beim Erhitzen im Glasrohr wird nichts flüchtiges ausgegeben."
Neben den bereits erwähnten Begleitmineralen Xanthiosit und Bunsenit kommt auf der Stufe noch gediegen Wismut vor. Nach einer Lötrohruntersuchung erkennt BERGEMANN das Mineral als wasserfreies Nickelarsenat. Eine bemerkenswert gute quantitative Analyse (siehe Tabelle) führt zu der Formel "". Unter Berücksichtigung der damals noch nicht genau bekannten Atommassen bzw. Wertigkeiten lässt sich diese in die heute übliche Schreibweise übertragen als Ni5As2O10 (entspricht Ni15As6O30), was sehr dicht an der heute akzeptierten Formel liegt. BERGEMANN (1858) benennt das Mineral nicht:
"Wenn das Mineral sich auch durch seine Zusammensetzung als eine eigene Species charakterisiert, so dürfte doch zweckmässiger erst dann für dasselbe ein Name zu wählen sein, wenn es in grösserer Menge aufgefunden sein wird."


         Benennung als Aerugit

In einer tabellarischen Übersicht der zu dieser Zeit bekannten Minerale von Gilbert Joseph ADAM (1869) taucht der Name Aerugit für das von BERGEMANN beschriebene Material auf. Es ist anzunehmen, dass ADAM das Mineral benannt hat, was jedoch aus den dortigen Angaben nicht hervorgeht. Es gibt allerdings auch keinerlei Hinweis auf eine Benennung durch einen anderen Autor. Eine Erklärung für den Namen wird nicht gegeben. ADAM führt in der Tabelle lediglich Härte, Dichte (die auch noch mit der von Xanthiosit verwechselt wurde), Schmelzbarkeit, Löslichkeit, Chemismus und Formel (die nicht zum angegebenen Chemismus passt und mit der von Xanthiosit verwechselt wurde) unter Verweis auf BERGEMANN auf.
Der Name Aerugit wurde offenbar von lateinisch aerugo = Grünspan, entsprechend der grünen Farbe, abgeleitet.


         Eine neue Fundstelle nach 100 Jahren

In der Folgezeit wurden Aerugit und Xanthiosit zum Teil als fragwürdige Minerale angesehen, da keine weiteren Exemplare bekannt wurden.
Erst rund 100 Jahre nach der Erstbeschreibung erschien eine Publikation von DAVIS et al. (1965) mit neuen Daten und einem Vorkommen in der South Terres Mine, Cornwall, England. Das Material wurde dem British Museum (Natural History), London, von dem bekannten britischen Sammler Arthur W.G. KINGSBURY zur Verfügung gestellt, der es angeblich 1959 oder kurz vorher auf der Halde der Grube gefunden hatte:
"I found the xanthiosite and aerugite a few years ago in comby quartz vein-material, evidently derived from the deeper workings, adjoining the South Shaft. They were accompanied by various Ni-Co-As minerals, traces of decomposing pitchblende, and various alteration products ...".
Nach KINGSBURYs Angaben kommt das Mineral in quarziger Gangart zusammen mit Co-Ni-Arseniden, etwas Pechblende und verschiedenen sekundären Mineralen vor.


         Neue Analysen

Die Röntgendaten des von KINGSBURY zur Verfügung gestellten Materials entsprachen den Daten von einem synthetisch bekannten Nickelarsenat. Ebenso untersuchten DAVIS et al. (1965) Material von Johanngeorgenstadt, das durch KRANTZ 1861 an das British Museum (heute Natural History Museum, London) verkauft wurde. Offenbar hatte KRANTZ also nicht das komplette Material BERGEMANN überlassen. Die neue chemische Analyse bestätigte die Daten von BERGEMANN, wobei jedoch angemerkt werden muss, dass die neu untersuchte Probe erheblich durch Quarz verunreinigt war und die Daten von BERGEMANN (1858) dichter an der theoretischen Zusammensetzung liegen als die von DAVIS et al. (1965).
Die Röntgendaten des Johanngeorgenstädter Materials stimmten mit den Daten der anderen Proben ebenfalls überein. DAVIS et al. (1965) fanden nach einer Einkristalluntersuchung für Aerugit eine monokline Zelle mit a = 10,29, b = 5,95, c = 9,79 Å und β = 110°19'. Als Formel wird Ni18As6O32 angegeben. Ein kleiner Teil des Arsens kann offenbar dreiwertig sein.
Eine Strukturanalyse von FLEET & BARBIER (1989) führt zu einer trigonalen Elementarzelle mit a = 5,951, c = 27,568 Å, V = 845,50 Å3 und Z = 3 sowie der Strukturformel Ni8.5As(AsO4)2O8 bzw. der Summenformel Ni17As6O32. Das Arsen nimmt in der Kristallstruktur eine Doppelrolle ein. Es findet sich in den Arsenatgruppen in tetraedrischer Koordination, daneben aber auch als Kation in oktaedrischer Koordination.


         Das gefälschte Vorkommen von der South Terres Mine, Cornwall

Etliche Jahre nach der Beschreibung des Vorkommens von Aerugit in der South Terres Mine, Cornwall, tauchten Zweifel auf, ob eine Reihe von Fundortangaben, die auf Arthur KINGSBURY zurückgehen, wirklich korrekt sind. KINGSBURYs Funde, an dessen Material eine Reihe von zum Teil spektakulären Neubeschreibungen für Großbritannien erfolgten, ließen sich durch andere Sammler nicht wiederholen und nicht einmal Spuren von den betreffenden Mineralen an den Fundorten bergen. Schließlich konnte in den 1990er Jahren belegt werden, dass KINGSBURY historische Stufen aus alten Sammlungen von verschiedenen ausländischen Fundorten umetikettiert und als selbst in Großbritannien gefundene Stücke ausgegeben hat. Eine ausführliche Arbeit zu diversen Fälschungen von KINGSBURY stellen RYBACK et al. (2001) vor. Auch das Vorkommen von Aerugit und Xanthiosit in der South Terres Mine in Cornwall erwies sich dabei als Schwindel. Dem British Museum stellte KINGSBURY vier Stücke zur Verfügung, die sich zu einem etwa 4 cm großen Exemplar zusammensetzen ließen. Die Oberfläche des Stücks zeigt deutliche Museums-Patina im Unterschied zu den Bruchflächen, ein deutlicher Hinweis auf ein altes Museumsstück und nicht auf einen frischen Fund. Die Angaben zur Paragenese und Matrix sind nicht nachvollziehbar, das Stück weist keine Matrix auf und auch keine Anzeichen, dass es in jüngerer Zeit von einer Matrix gebrochen wurde. Die angeblichen Parageneseminerale finden sich auf anderen Stücken, die völlig anders aussehen und keine Spuren von Aerugit oder Xanthiosit zeigen. Nichts weist auf eine Paragenese hin. Das fragliche KINGSBURY-Exemplar entspricht völlig einer alten Aerugit-Probe von Johanngeorgenstadt im British Museum. Auch alle Analysendaten stimmen damit überein. Damit ist das in einigen Arbeiten (z.B. BLACKBURN & DENNEN, 1997) sogar als Typlokalität geführte Vorkommen in der South Terres Mine zu streichen. Johanngeorgenstadt bleibt damit der erste Fundort des Minerals und die Typlokalität.

Ein weiteres Exemplar ist jedoch von einem anderen Fundort bekannt. Im Museum für Mineralogie und Geologie, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden (Inventar-Nummer Min 9181 Sa MMG) befindet sich eine 3 x 2 cm große Stufe mit grünem Bunsenit und Aerugit auf Maucherit, die laut Etikett aus Marienberg stammt. Das Exemplar wurde 1918 mit der Sammlung August Haubick, Dresden, erworben. Die Analyse erfolgte mittels Röntgendiffraktometrie (THALHEIM & KADEN, 2006). Eine Fundortverwechselung ist allerdings nicht auszuschließen und als recht wahrscheinlich anzunehmen.


         Typexemplare und weitere Entdeckungen an altem Material

Neben dem Material im Natural History Museum, London (B.M. 32590), das als Neotyp-Material definiert wurde (International Mineralogical Association, 1968) gibt es auch in anderen Museen Exemplare, die auf die Mineralienhandlung KRANTZ zurückgehen. Die Mineralogische Sammlung der TU Bergakademie Freiberg besitzt ein Exemplar mit Aerugit, Bunsenit und Xanthiosit (Inv.-Nr. MiSa 10471), das August Breithaupt 1860 von KRANTZ erworben hatte. Zwei Stufen befinden sich in der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin, eine davon mit einem Etikett von KRANTZ. Da KRANTZ lediglich eine größere Stufe besaß und diese offenbar zerteilt hat, können alle Exemplare mit Herkunft aus dieser Mineralienhandlung im weiteren Sinn als Typmaterial betrachtet werden. Das eigentliche Holotypmaterial stellt die von Carl Wilhelm BERGEMANN untersuchte Probe dar, deren Verbleib offenbar unbekannt ist.

Wie bemerkenswert die Paragenese mit Aerugit ist, zeigte sich erneut Ende des 20. Jahrhunderts. 1981 erwarb der amerikanische Mineralhändler David NEW in einer nicht näher bezeichneten "alten Mineralhandlung in Deutschland" eine Stufe aus der Mitte der 1800er Jahre, jedoch ohne Etikett und mit unbekanntem Fundort und unbekannten Mineralen. Mark N. FEINGLOS erkannte auf der Stufe schließlich Bunsenit, Aerugit und Xanthiosit sowie Nickelin und Wismut und erwarb das Exemplar. Diese Assoziation ist nur von Johanngeorgenstadt bekannt, deshalb wird auch für dieses Exemplar dieser Fundort angenommen. Aerugit tritt hier in bis zu 1 mm großen, grasgrünen, idiomorphen Kristallen auf. Weitere Untersuchungen an der Probe ergaben, dass neben Rooseveltit noch drei weitere, bis dahin unbekannte Minerale vorhanden sind. Als erstes dieser Minerale wurde Paganoit beschrieben (ROBERTS et al., 2001), als zweites Petewilliamsit (ROBERTS et al., 2004).
An weiterem alten Material aus dieser Paragenese konnten die neuen Minerale Niasit und Johanngeorgenstadtit entdeckt werden (KAMPF et al., 2020).


         Die Entstehung der Aerugit-Paragenese

Aerugit und die begleitenden Minerale Bunsenit, Xanthiosit, Petewilliamsit, Paganoit, Niasit und Johanngeorgenstadtit weisen alle eine für Alterationsprodukte ungewöhnliche Zusammenseztzung auf: sie enthalten kein Kristallwasser. Aufgrund dessen wird gelegentlich eine Entstehung durch Feuersetzen vermutet. Genauere Untersuchungen dazu fehlen hierzu jedoch. Sicher ist, dass diese Minerale unter trockenen, oxidierenden Verhältnissen entstanden sind. Die Paragenese mit Gediegen Wismut spricht gegen hohe Temperaturen, das Mineral wäre bei über 271°C geschmolzen. Eine Alteration primärer Arsenide bei erhöhten Temperaturen über 100°C mit trockenen Bedingungen lässt sich jedoch annehmen. Insofern ist eine Enstehung im heißen Gestein unmittelbar im Kontakt mit dem Feuer auszuschließen, in einer gewissen Entfernung im erwärmten Gestein jedoch durchaus plausibel. So geben KAMPF et al. (2020) bei der Beschreibung von Niasit und Johanngeorgenstadtit an:
"We cannot discount the possibility that fire-setting was a factor in the alteration of the vein that yielded this anhydrous supergene mineral assemblage."




Chemische Analyse von Aerugit (in Masse-%)

    Nickelarsenat,
  Johanngeorgenstadt
  (BERGEMANN 1858)  
  Aerugit,
  Johanngeorgenstadt
  (DAVIS et al., 1965)   
  Aerugit,
  theoretische
  Zusammensetzung     
  NiO   62.07   60.9   64.81
  CoO     0.54     1.2  
  CuO     0.34     0.3  
  Bi2O3     0.24    
  As2O5   36.57   36.3   35.19
  P2O5     0.14    
  Fe2O3   Spuren     1.3 (FeO)  
  Summe       99.90 100.0 1) 100.00

1) nach Abzug von 13.9% Quarz als Verunreinigung



Literatur:
ADAM, G.J. (1869): Tableau Mineralogique.- Paris, Dunod, 102 p. (p. 43)

BERGEMANN, C. (1858): Ueber einige Nickelerze.- Journal für praktische Chemie 75, 239-244

DAVIS, R.J.; HEY, M.H. & KINGSBURY, A.W.G. (1965): Xanthiosite and aerugite.- Mineralogical Magazine 35, 72-83

FLEET, M.E. & BARBIER, J. (1989): Structure of aerugite (Ni8.5As3O16) and interrelated arsenate and germanate structural series.- Acta Crystallographica B45, 201-205

International Mineralogical Association, Commission on new minerals and mineral names (1968): (Report).- Mineralogical Magazine 36, 1143-1145

KAMPF, A.R.; NASH, B.P.; PLÁŠIL, J.; SMITH, J.B. & FEINGLOS, M.N. (2020): Niasite and johanngeorgenstadtite, Ni2+4.5(AsO4)3 dimorphs from Johanngeorgenstadt, Germany.- European Journal of Mineralogy 32, 373-385

ROBERTS, A.C.; BURNS, P.C.; GAULT, R.A.; CRIDDLE, A.J.; FEINGLOS, M.N. & STIRLING, J.A.R. (2001): Paganoite, NiBi3+As5+O5, a new mineral from Johanngeorgenstadt, Saxony, Germany: Description and crystal structure.- European Journal of Mineralogy 13, 167-175

ROBERTS, A.C.; BURNS, P.C.; GAULT, R.A.; CRIDDLE, A.J. & FEINGLOS (2004): Petewilliamsite, (Ni,Co)30(As2O7)15, a new mineral from Johanngeorgenstadt, Saxony, Germany: Description and crystal structure.- Mineralogical Magazine 68, 231-240

RYBACK, G.; HART, A.D. & STANLEY, C.J. (2001): A.W.G. Kingsbury's specimens of British minerals. Part 1: Some examples of falsified localities.- Journal of the Russell Society 7(2), 51-69

THALHEIM, K. & KADEN, M. (2006): Die Sammlung Sachsen. Interessante Neubestimmungen. - In: LANGE & J.-M.; KÜHNE, E. (Hrsg.): Das Museum für Mineralogie und Geologie in den Staatlichen Naturhistorischen Sammlungen Dresden. Von der kurfürstlichen Kunstkammer zum staatlichen Forschungsmuseum.- Geologica Saxonica 50/51, 154-155.




© Thomas Witzke

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