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Vésigniéit


Formel: Cu3Ba(VO4)2(OH)2, monoklin

Typlokalität: Friedrichroda, Thüringen (und Perm, Ural, Russland) (die meisten Daten stammen von dem Material aus Friedrichroda)

Erstbeschreibung:
GUILLEMIN, C. (1955): Une nouvelle espèce minérale: la vésigniéite Cu3Ba(VO4)2(OH)2.- Comptes Rendus de l'Academie des Sciences, Paris, C 240, 2331-2333




Grüner Vésigniéit mit Hausmannit. Gottlob, Friedrichroda, Thüringen. Bildbreite 2 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



         Ein Kupfer-Vanadat von Friedrichroda

Bei Untersuchungen zu natürlichen Kupfervanadaten beschäftigte sich Claude GUILLEMIN (1955) mit Proben von Friedrichroda, Türingen, die als "Calciovolborthit" bezeichnet waren, sowie mit Proben von Perm, Ural, Russland, die als "Volborthit" bezeichnet waren. Das Material erwies sich als ein neues, bisher nicht bekanntes Mineral. GUILLEMIN nannte es Vésigniéit nach Colonel Jean Paul Louis Vésignié (1870 - 1954), Mineralsammler und Präsident der Französischen Mineralogischen Gesellschaft, der die untersuchten Exemplare zur Verfügung gestellt hatte.
Vésigniéit bildet auf den Stücken von Friedrichroda lamellare Aggregate ähnlich Volborthit und polysynthetische Zwillinge bis 0,5 mm Größe mit pseudohexagonalem Umriss. Das Mineral ist gelbgrün bis olivgrün, glasglänzend und weist eine Spaltbarkeit nach der Tafelebene auf. Die Härte liegt bei 3 - 4. Die gemessene Dichte beträgt 4,05 g/cm3. Vésigniéit ist optisch zweiachsig negativ, mit den Brechungsindizes α = 2,04, β = 2,07, γ = 2,08 und mit 2V = 60°.
Die Röntgenpulverdaten ähneln denen von Bayldonit, Cu3Pb(AsO4)2(OH)2. Symmetrie und Gitterparameter konnte GUILLEMIN nicht angeben.

Die chemische Analyse wurde an 14 mg Substanz von Friedrichroda durchgeführt. Aus den Daten läßt sich eine empirische Formel Ba0.93Cu2.81(VO4)2.04O1.84H2.32 (bezogen auf O = 10) berechnen.

In Friedrichroda wird Vésigniéit von Hausmannit, Crednerit, vanadiumhaltigen "Psilomelan", Baryt und Calcit begleitet. An der Fundstelle Perm, Ural, Russland tritt das Mineral mit Malachit auf Quarz auf. GUILLEMIN erwähnt weiter, dass ein als "Kolovratit" bezeichnetes Exemplar von Agalik, Uzbekistan, sich als Vésigniéit erwiesen hat. Ein weiterer Fundort für das Mineral ist Paradox Valley, Montrose County, Colorado, USA.
Das Typmaterial von Vésigniéit befindet sich an der Ecole Nationale Supérieure des Mines de Paris (ENSM).


         Kristallografische Untersuchungen

Eine Strukturanalyse an Vésigniéit aus der Shensi Provinz, China, führte die Vesignieite Research Group (1977) durch. Sie fanden monokline Symmetrie, Raumgruppe C2/c und die Gitterparameter a = 10.277, b = 5.964, c = 14.002 Å, β = 106°. Die Dichte liegt bei 4.29 - 4.58 g/cm3. Die Brechungsindizes betragen α = 2,053, β = 2,129 und γ = 2,133. Strukturbestimmend sind Schichten aus einem Netzwerk von CuO6-Oktaedern parallel (001), die über VO4-Tetraeder und Ba-Kationen verbunden werden.

Zhesheng MA, Ruilin HE & Xiaoling ZHU (1990) führten eine Strukturverfeinerung an Vésigniéit an einem Einkristall aus dem Chigou Schwarzschiefer, Ankang Bezirk, Shaanxi Provinz, China, durch. Sie bestätigten die monokline Symmetrie und fanden die Raumgruppe C2/m sowie die Gitterparameter a = 10.270, b = 5.911, c = 7.711 Å, β = 116.42° und Z = 2. Die Raumgruppe ist neu, und der c-Parameter ist hier gegenüber der vorherigen Analyse halbiert.

Für synthetischen Vésigniéit fanden COLMAN et al. (2011) sehr ähnliche Werte mit einer Raumgruppe C2/m und den Gitterparametern a = 10.210, b = 5.903, c = 7.739 Å und β = 116.15°.


         Quanten-Kagome-Antiferromagnetismus in Vésigniéit

Vésigniéit weist spezielle Spin- bzw. magnetische Eigenschaften auf, die Gegenstand zahlreicher Untersuchungen sind. Das Mineral gehört zu den antiferromagnetischen Substanzen. Während bei den ferromagnetischen Substanzen die magnetischen Momente oder Spins benachbarter Atome parallel ausgerichtet sind und dadurch eine makroskopische Magnetisierung vorhanden ist, sind bei antiferromagnetischen Materialien die magnetischen Momente benachbarter Atome in einem konstanten, aber von Null verschiedenem Drehwinkel ausgerichtet. Da sie sich über den gesamten Kristall kompensieren, ist kein makroskopisches Magnetfeld vorhanden. Ein spezieller Fall ist eine antiparallele Ausrichtung, also ein Winkel von 180° zwischen benachbarten Spins. Der Effekt tritt bei niedrigen Temperaturen auf.

Vésigniéit (und auch Herbertsmithit) weisen eine Besonderheit auf, bei ihnen bilden die magnetischen Momente ein sogenanntes Kagome-Gitter. Das Kagome-Gitter wird durch die Eckpunkte und Kanten einer sogenannten trihexagonalen Kachelung definiert. Diese Kachelung wird in der Ebene aus Dreiecken und Sechsecken aufgebaut (siehe z.B. Kagome-Gitter). Im dreidimensionalen Raum besteht ein Kagome-Gitter aus Tetraedern und abgestumpften Tetraedern.
Quanten-Kagome-Antiferromagnetische Substanzen weisen ideale Voraussetzungen auf, um einen exotischen Zustand zu untersuchen, sogenannte Quanten-Spin-Flüssigkeiten (quantum spin liquids) (z.B. OKAMOTO et al., 2009).

Das zweidimensionale Kagome-Gitter in Vésigniéit wird durch Ebenen aus kantenverknüpften CuO6-Oktaedern aufgebaut mit nahezu dreizähliger Symmetrie. Oberhalb bzw. unterhalb von unbesetzten Oktaedern sitzen VO4-Tetraeder. Die Vésigniéit-Struktur ist sehr dicht an dem idealen zweidimensionalen Kagome-Gitter, die Abweichung liegt bei lediglich 0,1 %.
Das Material wurde von zahlreichen Autoren untersucht, von denen hier lediglich einige Beispiele gegeben werden sollen. COLMAN et al. (2011) fanden bei Temperaturen unterhalb von 9 K Hinweise auf einen exotischen Quanten-Zustand mit einer Koexistenz von dynamischen und kleinen Spin-glasartigen eingefrorenen Momenten. Weitere Untersuchungen dazu stammen z.B. von ZORKO (2013).



Chemische Analyse von Vésigniéit (in Masse-%)

    Vésigniéit,
  Friedrichroda   
  GUILLEMIN (1955)  
  Vésigniéit,
  theoretische
  Zusammensetzung   
  CuO   37.6   40.32
  BaO   23.9   25.91
  V2O5   31.2   30.73
  H2O     3.5     3.04
  unlöslich     3.3  
  Summe        99.5 100.00



Literatur:
COLMAN, R.; BERT, F.; BOLDRIN, D.; HILLIER, A.; MANUEL, P.; MENDELS, P. & WILLS, A. (2011): Spin dynamics in the S = 1/2 kagome compound vesignieite, Cu3Ba(VO5H)2.- Physical review B, Condensed matter 83(18), 180416

GUILLEMIN, C. (1955): Une nouvelle espèce minérale: la vésigniéite Cu3Ba(VO4)2(OH)2.- Comptes Rendus de l'Academie des Sciences, Paris, C 240, 2331-2333

MA Zhesheng; HE Ruilin & ZHU Xiaoling (1990): Redetermination of the crystal structure of vesigniéite.- Acta Geologica Sinica [= Di zhi xue bao] 64, 302-308 (in chinesisch mit englischer Zusammenfassung)

OKAMOTO, Y.; YOSHIDA, H. & HIROI, Z. (2009): Vesignieite Cu3BaV2O8(OH)2 as a candidate spin 1/2 Kagome Antiferromagnet.- Journal of the Physical Society of Japan78, 033701-1 - 033701-4

Vesignieite Research Group (Laboratory of Geological Bureau, Shensi Province and Institute of Geology and Mineral Deposits, Academy of Geological Sciences of China) (1977): Vesignieite BaCu3(VO4)2[OH]2 and its crystal structure.- Acta Geologica Sinica [= Di zhi xue bao] 51, 67-83 (in chinesisch mit englischer Zusammenfassung)

ZORKO, A.; BERT, F.; OZAROWSKI, A.; VAN TOL, J.; BOLDRIN, D.; WILLS, A.S. & MENDELS, P. (2013); Dzyaloshinsky-Moriya interaction in vesignieite: A route to freezing in a quantum kagome antiferromagnet.- Physical review B, Condensed matter 83(18), 180416


noch nicht bearbeitet:
GUILLEMIN, C. & JOHAN, Z. (1976): Étude radiocristallographie de la vésigniéite, Cu3Ba(VO4)2(OH)2.- Comptes Rendus de l'Academie des Sciences, Paris, C 282, 803-805




© Thomas Witzke / Stollentroll

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