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Sulfoborit


Formel: Mg3[B(OH)4]2(SO4)(OH,F)2, orthorhombisch

Typlokalität: Westeregeln bei Stassfurt, Sachsen-Anhalt

Erstbeschreibung:
NAUPERT, A. & WENSE, W. (1893): Ueber einige bemerkenswerthe Mineralvorkommnisse in den Salzlagern von Westeregeln. 1. Ueber schwefelsaure Kalimagnesia mit vier Aequivalenten Wasser. 2. Ueber Magnesiumsulfoborit. 3. Ueber Cölestin. 4. Ueber Kieserit. - Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft Berlin 26, 873-875





         Ein neues Sulfat-Borat

A. NAUPERT & W. WENSE berichten 1893 über neue Mineralfunde aus den des Salzlagern von Westeregeln bei Stassfurt. In den wasserunlöslichen Rückständen der fabrikatorischen Carnallitauflösung, die überwiegend aus Anhydrit bestehen, fand sich auch ein neues Borat:
"2. Ueber Magnesiumsulfoborit.
A. Naupert fand in jenen unlöslichen Rückständen kleine Krystalle, welche wir als neues Mineral mit den Bestandtheilen: schwefelsaure und borsaure Magnesia nebst Wasser erkannten und ›Sulfoborit‹ nannten.
Die meist ringsum ausgebildeten, sehr deutlichen Krystalle scheinen dem rhombischen System anzugehören. Sie stellen Säulen mit den dazu gehörigen Pyramidenflächen dar. Meist durchsichtig und farblos, sind sie auch häufig durch eingelagerte mikroskopische Krystalle von Eisenoxyd röthlich gefärbt. Die Flächen haben starken Glanz. Die Härte ist etwas grösser, als die des Anhydrits, also etwa 4. Das specifische Gewicht wurde bei unzerbrochenen Krystallen zu 2.38 und 2.45 bestimmt. Die Krystalle erreichen, wenn auch selten, eine Länge von 8 mm."
NAUPERT & WENSE nehmen nach einer chemischen Analyse die Formel "3 MgSO4, 2 Mg3B4O9, 12 H2O" für das Mineral an. Das Bor wurde qualitativ nachgewiesen und dann als Boroxid als Differenz bestimmt. Rätselhaft ist, dass das Mineral in der Überschrift Magnesiumsulfoborit und in Text kurz darauf Sulfoborit genannt wird. Beide Namen tauchen in dem recht kurzen Bericht nur jeweils einmal auf.

Nur wenig später noch im gleichen Jahr erschien eine Beschreibung des Sulfoborits durch Prof. Dr. H BÜCKING (1893). Diese Arbeit ist bekannter als die von NAUPERT & WENSE und wird deshalb öfter als die Originalbeschreibung von Sulfoborit betrachtet. BÜCKING schreibt hier:
"Von Hrn. A. NAUPERT in Westeregeln erhielt ich im April d.J. eine Reihe von neuen Mineralfunden, welche aus den meist aus Anhydrit bestehenden Carnallitlösungsrückständen der Consolidirten Alkaliwerke zu Westeregeln stammten, mit der Bitte, dieselben krystallographisch näher zu prüfen. Am interessantesten unter diesen Mineralien waren Krystalle von Kieserit, von Coelestin, der aus den Egeln-Stassfurter Kalisalzlagern bisher noch nicht bekannt geworden ist, von Eisenboracit und besonders von einem wasserhaltigen Magnesiumborosulfat, welches von Hrn. A. NAUPERT als ein neues Mineral erkannt und mit dem Namen Sulfoborit belegt wurde.
Die krystallographische Untersuchung dieses neuen Minerals lieferte die folgenden Ergebnisse.
Die Krystalle des Sulfoborit sind in der Regel ringsum ausgebildet und finden sich dann einzeln in den Rückständen; nur selten bilden sie kleine Gruppen von 3 - 6 lose aneinander gereihten Kryställchen. Sie sind meist wasserhell und durchsichtig, zum Theil auch schwach röthlich gefärbt durch ein- und aufgelagertes Eisenoxyd, das sich bei starker Vergrösserung als ein Haufwerk winziger Kryställchen von hexagonalem Umriss erweist. Die Länge der vorzugweise prismatisch entwickelten Krystalle beträgt im Durchschnitt 3 - 4 mm; der grösste von mir untersuchte Krystall ist 10 mm lang, 4 mm breit und 3 mm dick.
Das Krystallsystem ist das rhombische, das Axenverhältniss für die Mehrzahl der Krystalle
a : b : c = 0.6196 : 1 : 0.8100."
BÜCKING beschreibt im Folgenden fünf Typen von Kristallen. Mit Abstand am häufigsten traten prismatische Kristalle mit dem Prisma {110}, einer Dipyramide {111} und einem Pinakoid {010} auf. Selten finden sich tafelige, kurzprismatische oder scheinbar hemimorphe Kristalle. Das Mineral ist optisch zweiachsig negativ mit den Brechungsindizes α = 1.5289 und β = 1.5357. Den Wert für γ = 1.5443 berechnete BÜCKING.





Zeichnung von Sulfoborit-Kristallen aus Westeregeln, nach BÜCKING (1893)



         Weitere Untersuchungen am Sulfoborit

Ausgiebige Messungen zur Dichte des Minerals führte Konstantin THADÉEFF (1897) durch. Als Mittelwert erhielt er 2,416, klare Kristalle ergaben einen Wert von 2,440. Weiterhin konnte er eine neue chemische Analyse durchführen, bei der das Bor quantitativ direkt bestimmt werde konnte. Danach kommt THADÉEFF zu dem Ergebnis, dass der Zusammensetzung sehr einfache Verhältniss zugrunde liegen und nur der Wassergehalt noch etwas unsicher sein. Als Formel nimmt er "MgSO4, Mg2B2O5, 4½ H2O" an.

1902 berichtet H. BÜCKING, dass Sulfoborit auch an einem zweiten Fundort, in den Lösungsrückständen des Carnallits der braunschweigischen Kaliwerke an der Asse vorkommt. Die Kristalle sind 1 - 4 mm groß und zeigen die von Westeregeln bekannten Formen.

Otto BRAITSCH (1961) fand nach kristallografischen Untersuchungen an Sulfoborit von Westeregeln die orthorhombische Raumgruppe Pcmn und die Gitterparameter a = 7,79, b = 12,54 und c = 10,14 Å. Als Formel stellt er Mg3[SO4(BO2OH)2]·4H2O für das Mineral mit Z = 4 auf.

I.V. OSTROVSKAYA (1967) schloss aus Infrarot-Analysen, dass Sulfoborit keine Wassermoleküle sondern Hydroxylgruppen enthält und dass das Bor in der Struktur tetraedrisch und nicht trigonal koordiniert ist.
Eine Strukturanalyse des Minerals führten IORYSH et al. (1976) durch. Sie stellten danach die neue Strukturformel Mg3(OH)2(SO4)(B(OH)4)2 für Sulfoborit auf.

Eine verfeinerte Stuktur von Sulfoborit veröffentlichten R.F. GIESE & G. PENNA (1983). Für die Untersuchungen verwendete die Autoren einen Kristall von Westeregeln. Sie fanden die Raumgruppe Pnma und die Gitterparameter a = 7,775, b = 12,537 und c = 10,132 Å. Gegenüber der Aufstellung von BRAITSCH (1961) sind hier a und c vertauscht. GIESE & PENNA stellen für den Sulfoborit die Formel Mg3(SO4)(B(OH)4)2(OH)F auf. Neu ist das Fluor in der Formel. Eine chemische Analyse wird jedoch nicht angegeben. In der Struktur ist Mg oktaedrisch gegen O, OH und F koordiniert. Die Oktaeder sind mit zu Sulfat-Tetraedern zu Schichten verknüpft. Die Schichten werden über Borat-Tetraeder verbunden. Das Ergebnis von OSTROVSKAYA (1967), dass keine Wassermoleküle in der Struktur vorhanden sind, wurde bestätigt.

Die offizielle Formel des Minerals lautet nach der von PASERO (2018) herausgegebenen Liste der IMA Mg3[B(OH)4]2(SO4)(OH,F)2.




Chemische Analyse von Sulfoborit (in Masse-%)

    Sulfoborit,   
  Westeregeln,     
  NAUPERT & WENSE (1893)   
  Sulfoborit,   
  Westeregeln,     
  THADÉEFF (1897)   
  Sulfoborit,
  theoretische
  Zusammensetzung   
  MgO   32.91   33.48   33.35
  SO3   21.84, 22.07   22.46   22.08
  B2O3   23.64 1   19.79   19.20
  H2O   21.50   23.43   22.34
  Verlust       0.10  
  unlöslich       0.32  
  F         5.24 2
  -0 = F         2.21
  Summe     100.00   99.69 100.00

1 Differenz zu 100
2 berechnet mit 1 F pro Formeleinheit



Literatur:
BRAITSCH, O. (1961): Neue Daten für Lüneburgit und Sulfoborit.- Beiträge zur Mineralogie und Petrographie 8, 60-66

BÜCKING, H.(1893): Sulfoborit, ein neues krystallisirtes Borat von Westeregeln.- Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Jahrgang 1893, Zweiter Halbband, 967-972

BÜCKING, H. (1902): Sulfoborit von der Asse.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 36, 156

GIESE, R.F. & PENNA, G. (1983): The crystal structure of sulfoborite, Mg3SO4(B(OH)4)2(OH)F.- American Mineralogist 68, 255-261

IORYSH,Z.I. ; RUMANOVA,I.M. & BELOV, N.V. (1976): Crystal structure of sulfoborite Mg3(OH)2(SO4)(B(OH)4)2.- Soviet Physics - Doklady 21, 296-298

NAUPERT, A. & WENSE, W. (1893): Ueber einige bemerkenswerthe Mineralvorkommnisse in den Salzlagern von Westeregeln. 1. Ueber schwefelsaure Kalimagnesia mit vier Aequivalenten Wasser. 2. Ueber Magnesiumsulfoborit. 3. Ueber Cölestin. 4. Ueber Kieserit. - Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft Berlin 26, 873-875

OSTROVSKAYA, I.V. (1967): O Strukturnoy formule sul'foborita.- Vsesoyuznoe Mineralogicheskoe Obshchestvo, Zapadno-Sibirskoe Otdelenie, Trudy, 96, 459-460

PASERO, M. (Editor) (2018): The New IMA List of Minerals.- http://nrmima.nrm.se/ (Stand April 2018)

THADÉEFF, K. (1897): Die chemische Zusammensetzung und das specifische Gewicht des Sulfoborits.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 28, 264-275





© Thomas Witzke / Stollentroll

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