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Prismatin
Formel: (□,Mg,Fe)(Mg,Al,Fe)5Al4Si2(Si,Al)2(B,Si,Al)(O,OH,F)22, orthorhombisch
Typlokalität: Aufschluss am Güterbahnhof, Waldheim, Sachsen
Erstbeschreibung:
SAUER, A. (1886): (Über eine eigentümliche Granulitart als Muttergestein
zweier neuer Mineralspecies).- Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 38, 704-705
GREW, E.S.; COOPER, M.A. & HAWTHORNE, F.C. (1996)
Prismatine: Revalidation for boron-rich compositions in the kornerupine group.- Mineralogical Magazine 60, 483-491
(Redefinition)
Prismatische Kristalle von Prismatin. Aufschluss am Güterbahnhof, Waldheim, Sachsen.
Bildbreite 7 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
Prismatin, ein neues Mineral von Waldheim
Bei Bauarbeiten am Bahnhof von Waldheim im Granulitgebirge, Sachsen, wurde 1885 eine Granulitlinse
angeschnitten. Der Herr Baurath ENGELHARDT sandte Material davon an das Königliche
Mineralogische Museum in Dresden. Einen ersten Bericht über das Gestein liefert der Bergingenier
Alfred PURGOLD (1886) auf der Sitzung der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS
in Dresden am 26. November 1885. Er gibt an, dass in dem weißen Granulit zahlreiche mohnkorn- bis
erbsengroße Granatkörner eingeschlossen sind. Der Granat ist mehr oder weniger zersetzt und wird
meist von Chloritschüppchen umgeben. Daneben kommen grünlichgraue, stängelige Kristalle von bis zu
2 -3 cm Länge vor, die PURGOLD nach einer Vermessung von Prismenflächen für Andalusit
hält. Weiterhin fand er Turmalin in säuligen Kristallen sowie ein blassblaues Mineral, das er als
Beryll ansieht.
Unabhängig davon berichtet Adolf SAUER, der für die Geologische Landesuntersuchung
Sachsen tätig war, 1886 über das Vorkommen, das bei der Erweiterung des Bahnhofs Waldheim angetroffen
wurde. In einem Vortrag stellt er zwei neue Minerale aus dem Granulit vor, den Prismatin und den
Kryptotil. Die Originalbeschreibung der Minerale ist eine Art Protokoll des Vortrags und keine
von SAUER selbst verfasste Publikation. Offenbar ist eine derartige Publikation
auch nicht erschienen.
Das Mineral fand sich im Granulit in prismatischen, bis daumenstarken Kristallen. Die Kristalle
zeigten keine Endflächen und waren regellos im Gestein verteilt oder radialstrahlig gruppiert.
SAUER gibt an, dass das Mineral im rhombischen System kristallisiert und stellt
eine chemische Ähnlichkeit zum Staurolit fest, während die Kristallform Ähnlichkeiten zu der von
Andalusit und Sillimanit zeigt. Das Mineral wurde nach dem prismatischen Habitus der Kristalle
benannt.
Nach Erscheinen der Veröffentlichung von SAUER stellt PURGOLD (1887)
fest, dass er den Andalusit nur auf Grund der Kristallform angenommen, aber keine chemische Analyse
vorgenommen hatte. Auf Grund der Zusammensetzung geht PURGOLD davon aus, dass es
sich bei dem Prismatin nur um einen mehr oder weniger zersetzten Staurolit handelt.
Prismatin = Kornerupin
Im gleichen Jahr wurde von LORENZEN (1886) unter dem Namen Kornerupin ein Mineral
von Fiskenæsset, Grönland publiziert. USSING (1889) verglich Prismatin und
Kornerupin und schloss auf Grund der chemischen Ähnlichkeit, der Symmetrie, Spaltbarkeit und
optischen Orientierung auf die Identität beider Minerale. Dem Namen Kornerupin wurde dabei
die Priorität gegeben, da die Arbeit von LORENZEN schon 1884 zum Druck vorgesehen
war, aber erst später erschien. Prismatin wurde darauf hin nur noch als eine Varietät von
Kornerupin betrachtet. Der Bor-Gehalt im Prismatin ist erst 1919 durch LACROIX
& DE GRAMONT nachgewiesen worden. Eine weitere Analyse des
Prismatins von Waldheim stammt von GOßNER & MUßGNUG (1928).
Ihnen ist der Bor-Gehalt jedoch entgangen, im Gegensatz zu HEY et al. (1941)
Die Redefinition von Prismatin nach über 100 Jahren
Bei Strukturanalysen von Prismatin und Kornerupin (GREW et al., 1996) wurde
festgestellt, dass es drei verschiedene tetraedrisch koordinierte Gitterplätze in der
Struktur gibt, Bor aber nur einen davon besetzen kann und der Bor-Anteil auf diesem Platz von
0 bis 1 reichen kann. In die Untersuchung wurden auch Proben von SAUER einbezogen.
Das Material von Waldheim erwies sich als Bor-reich (siehe Tabelle) und bei allen untersuchten
Proben dominierte Bor auf dem einem Gitterplatz. Das Material von Fiskenæsset zeigte dagegen
eine Dominanz von Silizium auf diesem Platz. Die Strukturformel für Prismatin lautet nach
diesen Untersuchungen
(□,Mg,Fe)(Mg,Al,Fe)5Al4Si2(Si,Al)2(B,Si,Al)(O,OH,F)22.
Prismatin wurde jetzt definiert als Mineral mit B > 0,5 pro Formeleinheit, während Kornerupin
die Bezeichnung für Phasen mit B < 0,5 oder oder für solche mit unbekanntem Bor-Gehalt
ist. Die Redefinition wurde von der IMA anerkannt.
Für die Redefinition von Prismatin wurde Material aus der Sammlung von Adolf SAUER
im Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie in Dresden, dem Geologisk Museum, Copenhagen,
Dänemark (Nr. 1892.1438), der Mineralogischen Schausammlung der TU Berlin (Nr. N6255) und dem
American Museum of Natural History, New York, USA (Nr. 12567) verwendet. Alle diese Proben sind
als Typmaterial (Neotyp) zu betrachten.
Die Eigenschaften des Minerals
Für Prismatin von Waldheim fanden USSING (1889) und UHLIG
(1910) eine Dichte von 3,341 - 3,345 g/cm3, eine Härte von 6 ½
- 7 und eine Spaltbarkeit nach {110}. Das Mineral ist optisch zweiachsig negativ mit
α = 1,669 - 1,671, β = 1,681 - 1,683, γ = 1,682 - 1,684 und 2V = 28 - 38°. Es
zeigt einen Pleochroismus von farblos nach grünlich, rötlich, gelb und gelbbraun.
GREW et al. (1996) geben für Prismatin orthorhombische Symmetrie, Raumgruppe
Cmcm, mit a = 15,938, b = 13,673, c = 6,693 Å, V = 1458,5
Å3 und Z = 4 an.
Die Typlokalität am Bahnhof von Waldheim
Die Prismatin-führende Granulitlinse liegt östlich vom Bahnhof von Waldheim, direkt an der
Güterbahnhofstraße. Die geologischen Verhältnisse beschreibt Ernst KALKOWSKY
(1907). Das Vorkommen ist sehr klein, die Linse ist lediglich bis etwa 3 Meter mächtig bei 15
Metern Ausdehnung. Im unmittelbaren Liegenden findet sich ein quarzreicher Granulit mit
Sillimanit. Das Hangende bildet ein schiefriges Gestein mit viel Sillimanit und Biotit.
KALKOWSKY beschreibt ausführlich die Bestandteile des Granulits, den er als
Korund-Granulit bezeichnet. Zirkon findet sich in kleine, farblosen Kristallen. Rutil ist
recht häufig in rotbraunen, nadeligen Kristallen bis 1 mm Länge in der Grundmasse verteilt.
Andalusit ist sehr selten, Kyanit kommt verbreitet vor, aber nur mikroskopisch klein.
Sillimanit ist häufig und bildet farblose nadelige Kristalle und radiale Aggregate. Korund
bildet kleine, bläuliche Kristalle und kann zum Teil bis 3 % des Gesteins ausmachen. Prismatin
kommt in meist 0,5 - 2 mm dicken und 5 - 20 mm langen Kristallen vor, dickere Kristalle bis
mehrere Millimeter Durchmesser sind selten. Granat bildet Körnchen und kleine Kristalle, zum
Teil mit Rhombendodekaederflächen. Turmalin ist Magnesium-reich und bildet prismatische Kristalle.
Weiterhin kommen Biotit und Muskovit vor. Plagioklas ist der vorherrschende Gemengteil des
Gesteins, weiterhin findet sich reichlich Quarz.
Bei dem Turmalin handelt es sich nach röntgenografischen und REM-EDX-Analysen um Dravit
(WITZKE, n.p.).
Prismatin wurde unter granulitfaziellen Bedingungen gebildet. Die Temperaturen können
während der Entstehung von Prismatin bis zu 1050°C und der Druck bis zu 20 - 23 kbar
betragen haben (RÖTZLER et al., 1995).
Das kleine Vorkommen von Prismatin blieb lange Zeit das Einzige in der Region. Erst in den
1980er Jahren konnte am Eichberg bei Waldheim eine weitere Fundstelle entdeckt werden
(GREW, 1989). Das Prismatinvorkommen am Güterbahnhof von Waldheim ist heute
als Geotop geschützt, es besteht Sammelverbot.
Chemische Analyse von Prismatin
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Prismatin von Waldheim (SAUER, 1886) |
Prismatin von Waldheim (HEY et al., 1941) |
Prismatin von Waldheim (GREW et al., 1996) |
SiO2 |
30.89 |
30.5 |
29.97 |
TiO2 |
|
|
0.27 |
Al2O3 |
43.06 |
35.8 |
42.01 |
Cr2O3 |
|
|
0.07 |
Fe2O3 |
|
3.2 |
|
FeO |
6.28 |
9.1 |
6.40 |
MnO |
|
|
0.09 |
MgO |
15.06 |
17.6 |
15.36 |
CaO |
|
|
0.03 |
Na2O |
2.04 |
1.6 |
0.14 |
K2O |
0.79 |
Spur |
|
B2O3 |
|
3.0 |
3.40 |
H2O |
1.36 |
|
0.86 |
F |
|
|
0.73 |
- O = F |
|
|
-0.31 |
Summe |
99.50 |
100.8 |
99.15 |
Prismatin-Kristalle von Waldheim, nach UHLIG (1910) in GOLDSCHMIDT (1916)
Literatur:
GOßNER, B. & MUßGNUG, F. (1928): Vergleichende röntgenografische
Untersuchung von Magnesiumsilikaten.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie,
Abteilung A 58, 213-252
GREW, E.S. (1989): A second occurrence of kornerupine in Waldheim (Sachsen),
German Democratic Republic.- Zeitschrift für Geologische Wissenschaften 17, 67-76
GREW, E.S.; COOPER, M.A. & HAWTHORNE, F.C. (1996):
Prismatine: Revalidation for boron-rich compositions in the kornerupine group.- Mineralogical
Magazine 60, 483-491
HEY, M.H.; ANDERSON, B.W. & PAYNE, C.J. (1941):
Some new data concerning kornerupine and its chemistry.- Mineralogical Magazine 26, 119-130
KALKOWSKY, E. (1907): Der Korundgranulit von Waldheim in Sachsen.- Sitzungsberichte
und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden, Abhandlungen p. 47-65
LACROIX, A. & DE GRAMONT, A. (1919): Sur la presence
du bore dans quelques silico-aluminates basiques naturels.- Comptes Rendus de la Academie des
Sciences 168, 857-861
LORENZEN, J. (1886): Untersuchungen grönländischer Mineralien.- Zeitschrift
für Kristallographie und Mineralogie 11, 315-318
PURGOLD, A. (1886): Hauptversammlungen. Neunte Sitzung am 26. November 1885. Bericht
über einige Mineraleinschlüsse im Granulit von Waldheim.- Sitzungsberichte und Abhandlungen der
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden. Jahrgang 1885, p. 68-69
PURGOLD, A. (1887): Berichtigung und Ergänzung.- Sitzungsberichte und Abhandlungen
der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden. Jahrgang 1886, p. 50-51
RÖTZLER, J.; HAGEN, B. & HÖRNES, S. (1995) Evidence
for ultra-high temperature/high pressure metamorphism in the Saxonian Granulite Massif, Germany.-
Metamorphic Studies Group, Mineralogical Society of Great Britain and Ireland and Geological
Society of London, Research in Progress and Annual General Meeting, Programme and Abstracts, p. 9.
SAUER, A. (1886): (Über eine eigentümliche Granulitart als Muttergestein
zweier neuer Mineralspecies).- Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 38, 704-705
UHLIG, J. (1910): Über Prismatin und Kryptotil von Waldheim in Sachsen.- Zeitschrift
für Kristallographie und Mineralogie 47, 215-213
USSING, N.V. (1889): XXXIV. Untersuchungen der Mineralien von Fiskernäs in
Grönland.- Zeitschrift für Kristallographie und Mineralogie 15, 596-615
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