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Miargyrit


Formel: AgSbS2, monoklin

Typlokalität: Grube Neue Hoffnung Gottes, Bräunsdorf bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen

Erstbeschreibung:
MOHS, F. (1824): Grund-Riß der Mineralogie, 2. Theil. Physiographie.- Dresden, in der Arnoldischen Buchhandlung, 730 p. (p. 606-607)
     (als "hemiprismatische Rubinblende")

Benennung:
ROSE, H. (1829): Ueber die in der Natur vorkommenden nicht oxydirten Verbindungen des Antimons und des Arseniks.- Annalen der Physik und Chemie 91 (= Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 15), 451-476
     (als "Miargyrit")




Miargyrit in Quarz von der Grube Neue Hoffnung Gottes, Bräunsdorf bei Freiberg. Bildbreite 2 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.


       Ein neues Silbermineral

Friedrich MOHS führt in seinem Grundriss der Mineralogie von 1824 unter dem Geschlecht "Rubinblende" die "rhomboedrische Rubinblende" und die "peritome Rubinblende" auf. Erstere ist heute als Pyrargyrit bekannt, letztere als Cinnabarit. Nach der Beschreibung der eigentlichen "rhomboedrischen Rubinblende" geht MOHS auf ein neues Mineral ein:
"Unter den Varietäten, welche gewöhnlich zum dunklen Rothgiltigerze gezählt werden, findet sich eine eigene Spezies aus dem Genus Rubin-Blende, welche künftig als hemiprismatische Rubinblende in demselben aufzuführen seyn wird. Sie besitzt folgende Eigenschaften: Grund-Gestalt. Ungleichschenklige vierseitige Pyramide. [...] Bruch unvollkommen muschlig. [...] Metallglanz, in den metallähnlichen Demantglanz geneigt. Farbe eisenschwarz. Strich dunkel kirschroth. Undurchsichtig. In sehr dünnen Splittern dunkel blutroth durchscheinend. Sehr milde. Härte = 2.0 ... 2.5. Eig. Gew. = 5.2 ... 5.4. Die chemischen Verhältnisse dieser Spezies sind noch nicht ausgemittelt. Vor dem Löthrohre verhält sie sich wie die rhomboedrische Rubin-Blende, enthält aber etwa 35.00 ... 40.00 Silber, übrigens Schwefel und Antimon. Für den Fundort der einzigen bis jetzt bekannten Varietät wird die Grube Neue Hoffnung Gottes zu Bräunsdorf angegeben".


       Benennung als Miargyrit

Eine quantitative Analyse führte schließlich Heinrich ROSE (1829) durch (siehe Tabelle). Diese kommt der theoretischen Zusammensetzung sehr nahe. ROSE schlägt für das Mineral einen neuen, kürzeren Namen vor:
"Eine neue, hierher gehörige Species, die von Mohs entdeckt, beschrieben, vom Rothgültigerz getrennt, und von ihm zum Unterschied von demselben hemiprismatische Rubinblende genannt wurde, da derselbe das Rothgültigerz rhomboëdrische Rubinblende nennt.
Sie findet sich bei Bräunsdorf in Sachsen. Ich verdanke Hrn. von Weissenbach in Freiberg die Krystalle dieses sehr seltenen Fossils, die zur Analyse verwendet wurden. Das Resultat derselben war [... (siehe Tabelle) - T.W.]. Da 36,40 Th. Silber 5,41 Th. Schwefel aufnehmen, um Schwefelsilber zu bilden, und 39,14 Th. Antimon 14,65 Th. Schwefel, so verhält sich die Menge des Schwefels im Schwefelantimon zu der im Schwefelsilber wie 3:1. [...] Die Zusammensetzung dieses Minerals, die der des Zinkenits analog ist, wird durch die Formel
          
ausgedrückt. Da aus dieser Zusammensezung hervorgeht, dass dieses Mineral zwar die Bestandtheile des dunklen Rothgültigerzes hat, aber in einem ganz anderen Verhältnisse, so kann es nicht als eine blosse Varietät des Rothgültigerzes angesehen werden, wie man vielleicht aus dem Namen vermuthen sollte, sondern muss, wie dies auch schon Mohs gethan hat, als eine besondere Species betrachtet werden. Da eine kürzere Benennung für dasselbe wünschenswerth ist, so schlage ich den Namen Miargyrit vor, von αργυρος, Silber, und μειον, weniger, weil es weniger Silber enthält als das Rothgültigerz".
Zu der Formel von ROSE ist anzumerken, dass das Atomgewicht von Silber damals doppelt so hoch wie das tatsächliche angenommen wurde, deshalb muss auch der Anteil Ag bei einer Übertragung der Formel in die heutige Schreibweise verdoppelt werden. Die Kommas über dem Sb und Ag stehen für Schwefel, der Querstrich beim Sb bedeutet eine Verdoppelung, also "Sb2". Die Formel lautet dann Sb2Ag2S2, vereinfacht SbAgS2.

James Dwight DANA (1837) stellt den Namen "Rubella obliqua" für das Mineral auf. August BREITHAUPT benennt es 1832 als "Glanzige Hemidom-Blende", später verwendet er den Namen "Miargyrites hemidomaticus". Ernst Friedrich GLOCKER wählt 1847 die Bezeichnung "Miargyrites porphyroconicus, Purpurstrichiger Miargyrit". Keine dieser der LINNÉschen binomialen Nomenklatur folgenden Bezeichnungen erlangte eine signifikante Bedeutung.


       Kristallografische Untersuchungen

Eine Vermessung einiger Kristalle von Bräunsdorf mit dem Reflexionsgoniometer wurde von Carl Friedrich NAUMANN (1829) vorgenommen. Er gibt die Winkel zwischen zahlreichen Flächen und findet monokline Symmetrie mit einem Achsenverhältnis von a : b : c = 2,91 : 1 : 0,9977 und einem Winkel γ = 81°36'. Zusätzliche Angaben zu den Winkeln zwischen verschiedenen Flächen finden sich bei Henry James BROOKE und William Hallowes MILLER 1852. Eine weitere Vermessung von Kristallen aus Bräunsdorf und von zwei weiteren Fundorten führte Albin WEISBACH (1865) durch. Er wählt eine andere Aufstellung, bei der sich ein Verhältnis von a : b : c = 1,2883 : 1 : 0,9991 ergibt und der ungewöhnliche Winkel 48°14'. Für die Bräunsdorfer Kristalle findet WEISBACH eine Dichte von 5,236. Die Ergebnisse einer weiteren Vermessung veröffentlicht WEISBACH 1878. Er korrigiert einige frühere Angaben und vertauscht bei den Achsen a und c.
Georg VOM RATH (1884) vermaß ein lediglich ¾ mm großes Miargyrit-Kriställchen von Bräunsdorf und konnte dabei weitere Flächen finden. Bei den Achsenabschnitten folgt er der Aufstellung von WEISBACH (1878), und gibt die Werte a : b : c = 1,0522 : 1 : 1,29727 mit β = 48° 9' 31'' an.
W.J. LEWIS (1884) veröffentlichte die Ergebnisse weiterer Vermessungen an Miargyrit-Kristallen und orientiert sich dabei an der Aufstellung von NAUMANN (1829). Er findet ein Verhältnis von a : b : c = 3,0017 : 1 : 2,9166 mit β = 81° 22,38'.

Eine erste Strukturanalyse von Miargyrit führte W. HOFMANN (1938) mit Hilfe von Weissenberg-Aufnahmen durch. Er fand eine pseudo-kubische, flächenzentrierte Anordnung der schweren Atome, ähnlich der in Aramayoit, Ag(Sb,Bi)S2. Das Mineral kristallisiert monoklin mit den Parametern a = 13,17, b = 4,39, c = 12,83 kX und β = 98°37½'. C.R. KNOWLES (1959) bestimmte die Kristallstruktur erneut und beschreibt sie als ein stark verzerrtes Derivat der ungeordneten Hochtemperatur-Struktur vom Halit/Galenit-Typ von AgSbS2. Die Raumgruppe wird mit Cc angegeben.
In einer erneuten Strukturanalyse bestätigten Joseph V. SMITH et al. (1997) im Wesentlichen die vorherigen Angaben, bestimmen aber als Raumgruppe C2. Die Gitterparameter betragen a = 12,824, b = 4,4060, c = 13,193 Å und β = 98,567°. Eine Strukturverfeinerung von Miargyrit durch Herta EFFENBERGER et al. erschien 2002. Die Raumgruppe konnte als C2/c bestimmt werden. Das Mineral weist eine Zelle mit a = 12,862, b = 4,409, c = 13,218 Å und β = 98,48° mit Z = 8 und eine berechnete Dichte von 5,26 g/cm3 auf.

Die Verbindung AgSbS2 ist inzwischen als trimorph bekannt. Neben dem monoklinen Miargyrit wurden noch der kubische Cuboargyrit (WALENTA, 1998) und der trikline Baumstarkit (EFFENBERGER et al., 2002) beschrieben.



Chemische Analyse von Miargyrit (in Masse-%)

    hemiprismatische Rubinblende   
  von Bräunsdorf
  (MOHS, 1824)
  Miargyrit
  von Bräunsdorf    
  (ROSE, 1829)
  Miargyrit,
  theoretische
  Zusammensetzung   
  Silber   35.00 - 40.00   36.40   36.72
  Antimon   Hauptbestandteil   39.14   41.45
  Kupfer       1.06  
  Eisen       0.62  
  Schwefel   Hauptbestandteil   21.95   21.83
  Summe          99.17 100.00



 


Miargyrit-Kristalle von Bräunsdorf bei Freiberg, nach GOLDSCHMIDT (1920).



Literatur:
BREITHAUPT, A. (1832): Vollständige Charakteristik des Mineral-System's.- Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, 3. Auflage, 358 p. (p. 281)

BROOKE, H.J. & MILLER, W.H. (1852): Elementary introduction to Mineralogy.- London, Gilbert & Rivington, 700 p. (p. 214-215)

DANA, J.D. (1837): A system of mineralogy: including an extended treatise on crystallography: with an appendix, containing the application of mathemathics to crystallographic investigation, and a mineralogical bibliography.- New Haven, Durrie & Peck, and Herrick & Noyes, 452 p. + 119 p. Appendix (p. 431)

EFFENBERGER, H.; PAAR, W.H.; TOPA, D.; CRIDDLE, A.J. & FLECK, M. (2002): The new mineral baumstarkite and a structural reinvestigation of aramayoite and miargyrite.- American Mineralogist 87, 753-764

GLOCKER, E.F. (1847): Generum et Specierum Mineralium Secundum Ordines Naturales digestorum Synopsis.- Halle, bei Eduard Anton, 347 p. (p. 16)

GOLDSCHMIDT, V. (1920): Atlas der Krystallformen. Band VI. Markasit - Pyrit.- Heidelberg, Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 208 p. + 144 Tafeln (Tafel 21)

HOFMANN, W. (1938): Die Struktur von Miargyrit AgSbS2.- Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 6, 111-119

KNOWLES, C.R. (1964): A redetermination of the structure of miargyrite, AgSbS2.- Acta Crystallographica 17, 847-851

LEWIS, W.J. (1884): Ueber die Krystallform des Miargyrit.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 8, 545-567

MOHS, F. (1824): Grund-Riß der Mineralogie, 2. Theil. Physiographie.- Dresden, in der Arnoldischen Buchhandlung, 730 p. (p. 606-607)

NAUMANN, C.F. (1829): Ueber die Kristallformen des Miargyrites.- Annalen der Physik und Chemie 93 (= Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 17), 142-146

RATH, G. VOM (1884): Mineralogische Mittheilungen. 16. Ein Beitrag zur Kenntnis der Krystallform des Miargyrits.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 8, 25-38

ROSE, H. (1829): Ueber die in der Natur vorkommenden nicht oxydirten Verbindungen des Antimons und des Arseniks.- Annalen der Physik und Chemie 91 (= Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 15), 451-476 (speziell 469-470)

WALENTA, K. (1998): Cuboargyrite, ein neues Silbermineral aus dem Schwarzwald.- Lapis 23/11, 21-23

WEISBACH, A. (1865): Beitrag zur Kenntnis des Miargyrits.- Annalen der Physik und Chemie 201 (= Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 125; 5. Serie Band 5), 441-457

WEISBACH, A. (1878): Beitrag zur Kenntnis des Miargyrits.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 2, 55-63




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