HOME
TYPLOKALITÄTEN
FUNDORTE
NAMEN
ENTDECKER
SACHSEN
THÜRINGEN
SACHSEN-ANHALT


Lithiophorit


Formel: (Al,Li)MnO2(OH)2, trigonal

Typlokalität: Grube "Gott segne beständig", an der Spitzleithe, Blauenthal bei Schneeberg und Schneeberger Revier allgemein, Erzgebirge, Sachsen und Heideberg, Rengersdorf, bei Görlitz, Lausitz, Sachsen

Erstbeschreibung:
FRENZEL, A. (1870): Lithiophorit, ein lithionhaltiges Manganerz.- Journal für praktische Chemie 110 (Neue Folge 2), 203-206
GÖSSEL, H. (1827): Beschreibung einiger vorzüglich interessanter Mineralien der Oberlausitz. IV. Kobalt-Manganerz.- Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz, Erster Band, Heft 2, 93-95




Schwarzer, traubiger Lithiophorit. Grube Osterlamm, Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 5,2 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



          Ein lithiumhaltiger "Asbolan"

Wolfgang Franz VON KOBELL berichtet 1870 über die Untersuchung von einem lithiumhaltigen Manganerz, ohne es jedoch als ein neues Mineral zu beschreiben:
"Im Zusammenhang mit dem vorigen untersuchte ich auch ein als Asbolan angesprochenes Mineral von Saalfeld, welches sich aber ganz anders verhält, als der von Rammelsberg analysierte Asbolan desselben Fundortes. Dieses Mineral ist unschmelzbar und färbt die blaue Löthrohrflamme ausgezeichnet carminroth von Lithion, wie durch das Spectroscop deutlich erkannt wird. Es kommt in blauschwarzen, zum Theil kleinschuppigen und metallisch glänzenden Massen vor, zum Theil dicht und matt, beim Feilen etwas Glanz annehmend, das Pulver ist schwärzlich grau. Das spec. Gew. = 3,65. [...]
Ich habe von Dr. Krantz mehrere Asbolanvarietäten von Saalfeld erhalten, es fand sich aber keine darunter, welche die Lithionreaction zeigte. Ein kleiner Splitter genügt zur Erkennung, und es findet sich das Mineral wohl als ein älteres Vorkommniss in den Sammlungen. Ich will vorläufig nur darauf aufmerksam gemacht haben."


          Der Lithiophorit

Durch die Veröffentlichung Franz VON KOBELLs 1870 sah sich August FRENZEL veranlasst, seinerseits die Ergebnisse eigener Untersuchungen zu einem lithiumhaltigen Manganmineral noch im gleichen Jahr zu publizieren. Er beschreibt es als ein neues Mineral und nennt es Lithiophorit:
"Bereits vor vier Jahren entdeckte ich einen Lithiongehalt in einem für Psilomelan ausgegebenen Mineral aus der Schneeberger Gegend. Diesem ersten Funde folgten bald mehrere von verschiedenen Orten des Erzgebirges, so von Schwarzenberg, Johanngeorgenstadt, Eibenstock und Breitenbrunn. Besagtes Mineral ist aber kein Psilomelan, da es nur etwas mehr als Kalkspath-Härte und das spec. Gewicht 3,14-3,36 besitzt. Die Farbe ist bläulich schwarz, der Strich schwärzlich braun. Es ist amorph; wenig mild; kommt derb, traubig, nierenförmig, in Platten, Schalen, als Ueberzug und in Pseudomorphosen nach Kalkspath vor; sitzt gewöhnlich auf Quarz.
Das Mineral ist zum Theil schalig struiert, die Oberfläche glatt, schimmernd oder matt, auch auf frischem Bruch ist der Glanz nicht stärker. [...]
Herr Oberbergrath Breithaupt, welcher vorstehende Charakteristik seit vier Jahren besitzt, belegte das Mineral mit dem Namen "Lithiophorit" (von Lithion und pherein tragen) und hatte die Güte, durch Dr. Cl. Winkler zwei Analysen fertigen zu lassen. Das Material hierzu wurde von zwei verschiedenen Fundorten genommen, und ähnliche Resultate erhalten [...]. Vorläufig sei nur erwähnt, dass der Lithiongehalt nach beiden Analysen gegen 1,5 p.C. beträgt, der Wassergehalt nach allen drei Analysen ziemlich übereinstimmend gefunden wurde, und nur an Thonerde etwas niedriger ausfiel, gegenüber den 23 p.C. Kobell's. Cl. Winkler fand nämlich nur 10,54 und 15,42 p.C.; dieser immerhin beträchtliche Thonerdegehalt scheint aber gerade für das Mineral bezeichnend zu sein.
Herr Oberbergrath Breithaupt wird in nächster Zeit die Winkler'schen Analysen, welche vom 1. März 1868 und 9. Januar 1869 datiren, zur Veröffentlichung bringen.
Der Lithiophorit ist ein Zersetzungsproduct, aber doch wohl als neue selbstständige Species zu betrachten, da er kein Gemenge verschiedener Mineralien ist, sich aber von den ihm nahe stehenden und namentlich äusserlich sehr ähnelnden Specien Kupfermanganerz und Kobaltmanganerz scharf und leicht trennen lässt."
Da FRENZEL bei seinen Untersuchungen Lithium nur in Proben aus dem Erzgebirge, aber nicht aus Saalfeld finden konnte, war er der Meinung, dass KOBELL vermutlich eher ein Exemplar aus Sachsen vorgelegen hatte.


          Analysen und weitere Fundorte

Die angekündigten, von Clemens WINKLER durchgeführten Analysen teilte August FRENZEL 1871 mit und schreibt weiter dazu:
"Zur Analyse a wurden Bruchstükchen einer schönen Platte (der Freiberger Sammlung) verwendet, spec. Gewicht: 3,36; Fundort: Schneeberger Revier, nähere Angabe fehlt. Zur Analyse b diente ein Vorkommen von der Grube "Gott segne beständig" an der Spitzleithe bei Schneeberg. [...];
Die Kenntniss der Fundorte hat sich erweitert. Der Lithiophorit tritt namentlich in dem Schneeberger Revier auf, besonders schön bei den Gruben Daniel, Gesellschafter Zug, als Bindemittel einer Gangbreccie bei Osterlamm Fundgrube zu Niederschlema; ferner auf Vereinigt Geschick zu Geyer; die grössten Exemplare der Freiberger Sammlung sind (nach den von Freiesleben geschriebenen Etiquetten) von der auflässigen Grube Michaelis am Ortbach bei Breitenbrunn. Ueberall ist Quarz Begleiter; der Lithiophorit von der Grube Gabe Gottes am Mühlberg bei Schneeberg zeigt Eindrücke von Quarzkrystallen und die im Contact gewesenen Stellen sind besonders lebhaft glänzend."
Die "Gott segne beständig Fundgrube" an der Spitzleithe liegt bei Blauenthal und Burkhardtsgrün, südlich von Schneeberg. Da FRENZEL 1870 schrieb, dass der Lithiumgehalt erstmals an Proben aus dem Schneeberger Revier festgestellt wurde, und die Analysen an Material aus Schneeberg und von der Spitzleithe bei Schneeberg durchgeführt wurden, können diese Orte als Typlokalitäten gelten.

In der Mineralogischen Sammlung der TU Bergakademie Freiberg (Nr. 10265) ist ein 5 x 4 cm großes Exemplar mit schönem schwarzen, traubigen Lithiophorit von Schneeberg vorhanden. Das mit der Analyse von WINKLER versehene Typexemplar hatte BREITHAUPT von FRENZEL erhalten.


          Die Priorität an der Entdeckung

Zu der Entdeckung des Lithiophorits gab es offenbar einige irreführende oder falsche Angaben in der Literatur. So schreibt zu Beispiel Carl Friedrich NAUMANN in seinem Werk "Elemente der Mineralogie" von 1874:
"An den Psilomelan schließt sich das von Breithaupt wegen seines (freilich geringen) Lithiongehaltes Lithiophorit genannte Mineral an."
und erwähnt FRENZEL lediglich als Autor einer chemischen Analyse. Durch diese und ähnliche Veröffentlichungen sah sich August FRENZEL offenbar veranlasst, die Frage der Priorität in einem Brief vom 4. November 1878 (veröffentlicht 1879) an Professor G. LEONHARD klarzustellen:
"Wenn ich den Lithiophorit als meine "erste Entdeckung" mir nicht ganz nehmen lassen will, so wird es Zeit, dass ich mir die Priorität sichere. Bereits haben NAUMANN und BLUM BREITHAUPT als Autor des Minerals angeführt und auch aus dem, in diesem Jahrbuch, 1878, S. 846-849, abgedruckten Briefe lässt sich keineswegs ersehen, dass ich dieses Mineral aufgefunden und beschrieben habe.
Das erste Stück Lithiophorit erhielt ich als Psilomelan von einem Studiengenossen, um nachzusehen, ob Kali- oder Baryt-Psilomelan vorliege, untersuchte ich dasselbe und fand das Lithion, wie überhaupt ein von dem Psilomelan ganz abweichendes Mineral. Ich brachte meine Untersuchung zu Papier und gab das Manuscript meinem väterlichen Freunde BREITHAUPT. Hier blieb dasselbe Jahre lang liegen, bis v. KOBELL seine Untersuchung des Saalfelder Vorkommens veröffentlichte; jetzt übergab ich meine Beschreibung der Öffentlichkeit. Ich hatte das Mineral nicht besonders benannt und deshalb schlug mir BREITHAUPT zwei Namen vor, nämlich Allophylin (αλλοφυλος, von fremdartigen Stamme, wegen des Lithions in einem Erze) und Lithiophorit; ich wählte den letzteren. Da ich zu dieser Zeit keine Analyse vornehmen konnte, so bat ich BREITHAUPT um seine Vermittlung, welcher dann auch zwei Analysen durch CL. WINKLER und eine durch LICHTENBERGER ausführen liess. Die WINKLER'schen Analysen veröffentlichte ich, während ich die LICHTENBERGER'sche zurückhielt, weil ich das Resultat derselben bezweifelte. Bezüglich der Fundorte liess ich es mir angelegen sein, dieselben näher zu ermitteln und habe in meinem Lexicon verschiedene davon aufgeführt. Das Mineral ist sehr häufig und scheint im ganzen Erzgebirge verbreitet zu sein, wir lernten es mittlerweile noch von Roswein kennen und erst neuerdings brachte es der Gehilfe WAPPLERS vom Fusse des Pöhlberges bei Annaberg mit. [...]
Was den Lithiophorit selbst anbelangt, so wird er wohl von diesem und jenem Mineralogen nicht als ein eigenthümliches Mineral betrachtet, indessen mit Unrecht; sowohl die physikalischen Kennzeichen, als auch die chemische Zusammensetzung lassen den Lithiophorit als besondere Species auffassen. Im Äusseren gleicht er fast ganz dem Psilomelan, lässt sich aber durch geringe Härte, Strich, spec. Gewicht leicht unterscheiden, das beste Erkennungsmittel ist indess die Flammenfärbung, man braucht nur ein Splitterchen vor das Löthrohr zu nehmen, oder in die Flamme eines BUNSEN'schen Brenners zu bringen, um dieselbe schön roth zu färben. Bezüglich der chemischen Zusammensetzung sind ausser dem geringen Lithiongehalt namentlich auch der verhältnissmässig hohe Gehalt an Thonerde und Wasser wesentlich und charakteristisch, welchen drei analysirte Varietäten von den Fundorten Schneeberg, Saalfeld und Rengersdorf zeigen.
Sehr interessant ist, dass auch das schöne, altbekannte Rengersdorfer Vorkommen zum Lithiophorit gestellt werden kann und man muss es Herrn Prof. WEISBACH danken, eine gute Analyse von diesem Vorkommen besorgt zu haben."




Schwarzer Lithiophorit verkittet Kies. Pöhlberg bei Annaberg, Erzgebirge, Sachsen. Größe des Exemplars 6 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



          Von Rengersdorf in der Lausitz: schwarzer glasköpfiger Eisenstein, schwarzer Erdkobolt, Kobaltmanganerz, Kakochlor

Das von August FRENZEL 1879 erwähnte Vorkommen von Rengersdorf in der Lausitz ist schon sehr lange bekannt, ohne dass allerdings der Lithiumgehalt in dem Mineral bemerkt wurde. Der erste Hinweis findet sich schon rund 100 Jahre früher bei Johann Friedrich Willhelm CHARPENTIER in seiner "Mineralogischen Geographie der Chursächsischen Lande" von 1778:
"bey Rengersdorf ist das Gebürge schon wieder Granit, mit aufliegenden Thonlagern, worinnen besonders in dem Haydelberg, einer Anhöhe bey Rengersdorf, die Lager aus Quarz und Thon, mit häufigem ganz schwarzen glasköpfigen Eisenstein (Minera ferri calciformis indurata. C.M. §. 203.) vermischt gefunden worden."

Der Naturforscher Nathanael Gottfried LESKE besuchte auf einer Reise durch Sachsen ebenfalls den Heideberg und berichtete davon 1785:
"Von der südwestlichen Seite des Rengersdorfer Tales erhebt sich almälig der Heideberg [...]. An dem südlichen Abhange des Berges stehet Qwarz mit inliegenden schwarzen Erdkobolt zu Tage an. Man hat vorzeiten hier einen Steinbruch angelegt [...]. So tief als man mit dem Steinbrechen gekommen ist steht der Qwarz mit dem Kobolt noch immer zu Tage an. [...].
Der schwarze Erdkobolt hat die Masse des Qwarzes ganz, an einigen Orten mer, an andern Orten weniger durchzogen; besonders erfüllt er die Klüfte und Drusen desselben, findet sich darin bald derb, bald nierenförmig, bald eingesprengt, zuweilen ist er aber auch nur angeflogen. [...].
Er ist von bläulichschwarzer Farbe, weich, ins halbharte übergehend - es wäre denn an solchen Orten wo er den Qwarz nur durchzieht - sein Strich bleibt schwarz und zieht sich nur ser wenig ins Graue; wird er mit den Fingernägeln gedrukt, so gibt er einen Spiegel, als das sicherste Kenzeichen, dass es Kobolt sei. Hiebei beruhigte ich mich jedoch keineswegs, sondern untersuchte ihn auch mit den Säuren, und fand, dass er sich auch mit diesen wie Kobolt verhalte. Die Auflösung mit Scheidewasser nemlich wurde blasrosenrot, und als der Kobolt mit Potasche geschmolzen worden war, gab er eine blaue Schlakke [...]. Wird hiedurch nicht meine blos aus dem äusseren Ansehen gemachte Bestimmung bestätiget ? und ist dieses im Qwarze brechende Fossil nicht warer Erdkobolt ?"
LESKE übergab dem Chemiker Johann Friedrich WESTRUMB Material mit der Bitte um Untersuchung. WESTRUMB (1788) konnte allerdings kein Kobalt finden, sondern stellte fest, dass es sich um "Braunstein mit Eisen und Wasser versetzt" handelt. Martin Heinrich KLAPROTH (1797) führte eine weitere chemische Analyse durch. Er bestätigte den Braunsteingehalt, fand aber auch Kobalt, allerdings konnte er es nicht quantifizieren. Nach den Analysen hatten sowohl WESTRUMB als auch KLAPROTH offenbar recht stark verunreinigtes Material vorliegen.

Nachdem das Rengersdorfer Mineral als schwarzer glasköpfiger Eisenstein und schwarzer Erdkobold bezeichnet wurde und sich bei den Analysen als im wesentlichen aus Manganoxid bestehend erwiesen hat, wird es erstmals 1827 durch Heinrich GÖSSEL als ein eigenständiges Mineral behandelt und "Kobaltmanganerz" genannt. GÖSSEL schreibt, nach KLAPROTHs Analyse
"wurde es von Wernern und anderen Mineralogen als Varietät des festen schwarzen Erdkobolds oder der Kobaltschwärze betrachtet. Es unterscheidet sich aber von letzterer durch mehrere Kennzeichen, wie sich aus nachfolgendem ergeben wird.
Seine äußere Gestalt ist kleinnierenförmig, seltener kleintraubig, derb und als Ueberzug, auch findet es sich in stumpfeckigen Stücken mit rundlichen Eindrücken. Der Bruch ist dicht, und zwar eben, theils ins Flachmuschliche theils ins Unebene verlaufend; es besitzt dünn- und nach der äußern Oberfläche gebogene krumschalige Absonderung.
Die Farbe ist dunkelblaulichschwarz, äußerlich zuweilen durch einen erdigen Ueberzug bräunlichschwarz; äußerlich ist es schwach glänzend, von Fettglanz, innerlich matt bis schwach schimmernd, wird aber durch Begreifen fettglänzend; der Strich giebt ein bräunlich schwarzes Pulver und erhält zugleich etwas Glanz; es ist undurchsichtig. [...]
Es besitzt fast Flußspathhärte, ist ziemlich milde und schwerer als die Kobaltschwärze; (das spezifische Gewicht ist nicht bekannt).
Der Bruch, die deutliche Absonderung, vorzüglich aber die Farbe des Strichs und die größere Härte und Schwere sind die Kennzeichen, welche dieses Mineral von dem schwarzen Erdkobalte entfernen [...].
Es dürfte daher dieses Mineral als ein kobalthaltiges Manganoxyd zu betrachten und, analog dem Kupfermanganerze, mit dem Namen: Kobaltmanganerz zu belegen sein.
Das Kobaltmanganerz bricht auf einem zu Tage ausgehendem Quarzlager in Thonschiefer, am südlichen Abhange des Heideberges bei Rengersdorf ohnweit Görlitz [...]."

Kurz darauf gibt August BREITHAUPT (1832) dem Mineral den Namen Kakochlor. Die Beschreibung dazu enthält nur sehr spärliche Angaben:
"KAKOCHLOR.
[Schwarzer Erdkobalt von Rengersdorf in der Lausitz. Folge auf das 28. Geschlecht.]
Geringer Fettglanz.
F. und Str., blaulichschwarz.
Nachahmende Gestalten und derb. Bruch, muschlig bis uneben.
H 2½ - 3."
Weitere Angaben finden sich nicht, es fehlt auch eine Erklärung für den Namen. Er wurde offenbar aus den griechischen Wörtern κακος = schlecht und χλορος = grün zusammengesetzt, wobei der Grund für die Wahl des Namens unklar bleibt. 1849 erwähnt BREITHAUPT einen weiteren Fundort für den Kakochlor. Unter den Mineralparagenesen aus dem Schneeberger Revier führt er:
"94) 1. Quarz, 2) Kakochlor, Picites Cacochlorus *), vom spezifischen Gewicht 3.224 [...].
Die Fälle 94 bis 96 von der Grube Gott segne beständig an der Spitzleithe, die jetzt als Eisensteingrube bebaut wird [...]
*) Der Kakochlor, sonst für Asbolan gehalten, war bisher nur von Rengersdorf in der Lausitz bekannt, wo er ebenfalls über Quarz sitzt."

Albin WEISBACH (1878), der Proben von dem Kakochlor aus Rengersdorf erhalten hatte, veranlasste eine chemische Analyse des Materials, die "unter Leitung von Collega Winkler durch den Studirenden Herrn Iwaya im chemischen Laboratorium der Bergakademie ausgeführt" wurde. Weiter heißt es:
"Nach dieser neuen Analyse erscheint das Rengersdorfer Mineral nahe verwandt dem von von Kobell 1869 analysirten "lithionhaltigen Asbolan" von Saalfeld und dem ebenfalls 1869 von College Winkler untersuchten "Lithiophorit" von der Grube "Gott segne beständig" an der Spitzleithe im Thale der Zwickauer Mulde unterhalb Eibenstock. Besonders bemerkenswerth ist für alle diese Körper neben dem Kupfer- und Cobaltgehalt der gleichzeitige, wenn auch kleine Gehalt an Lithion."
Da bei der Analyse das Wasser nur aus dem Verlust bestimmt wurde, veranlasste WEISBACH (1880) eine weitere Analyse, die wieder von IWAYA durchgeführt wurde. Der geringe Lithiumgehalt wurde bestätigt und die Kieselsäure als Beimengung erkannt. WEISBACH stellte für das Mineral, das er nun als "Kakochlor (Lithiophorit)" bezeichnete, die empirische Formel "AlMn3O7 + 4 H2O" auf.




Schwarzer, traubiger Lithiophorit. Rengersdorf, Lausitz, Sachsen. Bildbreite 3,5 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



          Erstbeschreiber und Typlokalität ?

Wer das Mineral erstmals beschrieben hat und welche Typlokalität dem Lithiophorit zukommt, stellt sicher einen Grenzfall dar. Bei CHARPENTIERs schwarzem glasköpfigen Eisenstein von 1778, LESKEs schwarzem Erdkobolt von 1785, GÖSSELs Kobaltmanganerz von 1827, BREITHAUPTs Kakochlor von 1832 und FRENZELs Lithiophorit von 1870 handelt es sich um das gleiche Mineral, bei den ersten vier Autoren von Rengersdorf in der Lausitz, bei dem fünften Autor von Schneeberg im Erzgebirge beschrieben. CHARPENTIER und LESKE haben es allerdings (irrtümlich) damals schon bekannten Mineralen zugeordnet und scheiden damit als Erstbeschreiber aus, obwohl LESKE eine für die damalige Zeit recht gute Beschreibung lieferte. GÖSSEL hat es erstmals explizit zu einem eigenständigen Mineral erklärt, auch wenn er fälschlicherweise den Cobalt-Gehalt als ein entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung ansah. Seine Arbeit erschien jedoch in keiner bedeutenden Zeitschrift und hat vielleicht deshalb nicht die entsprechende Beachtung gefunden. BREITHAUPTs Beschreibung des Kakochlor erschien erst später und trägt nichts weiter zur Kenntnis des Minerals bei. BREITHAUPT kann damit nicht als Erstbeschreiber betrachtet werden.
Generell gilt FRENZEL als der Entdecker, er hatte mit dem Lithiumgehalt das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung gefunden, eine gute Beschreibung geliefert und es unter dem heute noch gebräuchlichen Namen veröffentlicht. Die von GÖSSEL und BREITHAUPT gewählten Namen erwiesen sich als unpassend oder sehr unglücklich. Rein formal aus Prioritätsgründen wäre allerdings GÖSSEL als der Entdecker des Minerals zu führen.
Hier ist es sicher auch sinnvoll, wie bei einigen anderen historischen Mineralen, zwei Autoren als Erstbeschreiber und die von ihnen genannten Fundstellen als Typlokalitäten zu betrachten.

Merkwürdig ist, dass August BREITHAUPT offenbar entgangen ist, dass der Kakochlor und der Lithiophorit identisch sind, obwohl er den Kakochlor von Rengersdorf und der Spitzleitze beschrieben hatte, ihm das Manuskript von August FRENZEL mehrere Jahre vor der Publikation zur Verfügung stand und er die Analysen des Lithiophorits von Schneeberg und der Spitzleithe für FRENZEL vermittelt sowie den Namen Lithiophorit vorgeschlagen hatte.


          Neuere Untersuchungen

Um den Status von "Psilomelan", eine Bezeichnung für nicht genau definierte, harte Manganoxide zu klären, untersuchte Lewis S. RAMSDELL (1932) röntgenografisch 50 Proben. Darunter befanden sich auch Exemplare von Lithiophorit, der von einigen Autoren als eine Lithium-haltige Varietät des Psilomelans betrachtet wurde. RAMSDELL fand bei den Analysen, dass sich unter dem Namen Psilomelan eine Reihe verschiedener, gut bis schlecht kristalliner Manganminerale verbergen. Der Lithiophorit lieferte dabei Röntgendaten, die sich von denen anderer Minerale unterscheiden und ist deshalb als eine eigenständige kristalline Substanz zu bezeichnen. Chemische Analysen führte RAMSDELL nicht durch.

FLEISCHER & RICHMOND (1943) geben nach einer Untersuchung von Manganoxiden eine vorläufige Formel für Lithiophorit an, Li2(Mn2+,Co,Ni)2Al8Mn4+10O35·14H2O, teilen aber keine Analysendaten mit. Der Fund von gut kristallinem Lithiophorit auf der Gloucester Farm bei Postmasburg in Südafrika erlaubte weitere Untersuchungen an dem Mineral (DE VILLIERS & VAN DER WALT, 1945). Für das Material konnte eine Dichte von 3.37 g/cm3 und eine Härte von 2½ - 3 bestimmt werden. Eine Vermessung der Kristalle ergab hexagonale oder pseudo-hexagonale Symmetrie. Die Autoren geben eine ideale Formel LiMn3+Mn4+2Al2O9·3H2O oder Li2Mn2+Mn4+5Al4O18·6H2O an. Die Wertigkeit von Mangan konnte nicht eindeutig bestimmt werden.

WADSLEY (1950) untersuchte den Lithiophorit von Postmasburg mittels Röntgendiffraktometrie und fand eine hexagonale Zelle mit a = 2,92 und c = 9,39 oder 19,78 Å. Nach einer Strukturanalyse zeigte WADSLEY (1952), dass Lithiophorit eine Schichtstruktur aus alternierenden Schichten aus Mn-O- und (Al,Li)-OH-Oktaedern aufweist und monoklin kristallisiert, Raumgruppe C2/m, a = 5,06, b = 2,91, c = 9,55 Å und β = 100,5° mit zwei Formeleinheiten Al0.68Li0.32Mn2+0.17Mn4+0.82O3·H2O pro Elementarzelle. PAULING & KAMB (1982) schlugen eine ideale Zusammensetzung [Al14Li6(OH)42][Mn2+3Mn4+18O42] und eine hexagonale Zelle, Raumgruppe P31, a = 13,37, c = 28,20 Å mit insgesammt sechs oktaedrischen Schichten vor. In der Al-Li-Hydroxidschicht sind Al und Li geordnet verteilt und eine Kationenposition pro 21 möglichen ist nicht besetzt. Diese hexagonale Zelle stellt eine Überstruktur der monoklinen Zelle von WADSLEY (1952) dar.

Bei einer erneuten Einkristall-Strukturanalyse konnten POST & APPLEMAN (1994) neben der schon bekannten Struktur aus alternierenden Oktaederschichten auch die Position der Wasserstoffatome lokalisieren. Sie fanden trigonale Symmetrie, R3m, mit a = 2,9247, c = 28,169 Å. Auf Grund von Ionenradien und den gefundenen Bindungslägen gehen die Autoren davon aus, dass Mangan als Mn4+ und Mn3+ vorliegt, während in früheren Publikationen ein Teil des Mangans als zweiwertig angenommen wurde. In dem gut kristallinen Material von Postmasburg sind 2/3 der Kationenpositionen in der (Al,Li)-OH-Schicht von Aluminium und 1/3 von Lithium besetzt. Generell kann im Lithiophorit der Lithiumgehalt stark schwanken und auch sehr niedrig sein, und es können gewisse Gehalte von Ni, Cu und Co vorhanden sein, wahrscheinlich als Vertretung für Al. Derartiges Material kommt dann typischerweise in feinkörnigen, schlecht kristallinen Massen vor.
Bei einem Verhältnis von Aluminium zu Lithium von 2 : 1 und mit dreiwertigem Mangan ergibt sich eine ideale Formel Al0.67Li0.33Mn4+0.67Mn3+0.33O2(OH)2, oder als Strukturformel geschrieben [Al0.67Li0.33(OH)2][Mn4+0.67Mn3+0.33O2], für den Lithiophorit.


Chemische Analyse von Lithiophorit (in Masse-%)

    Komponenten,
  nach WESTRUMB   
  (1788)   
  Sog. Erdkobold,   
  Rengersdorf,
  WESTRUMB
  (1788)   
  Komponenten,
  nach KLAPROTH   
  (1797)   
  Kobaltisches   
  Braunsteinerz,
  Rengersdorf,
  KLAPROTH
  (1797)   
  CaO   Luftleere Kalkerde     2.0    
  Al2O3   Thonerde     7.2   Alaunerde   20.4
  SiO2   Kieselerde   11.0   Kieselerde   24.8
  CuO   Kupferkalk     1.2   Kupferkalk     0.2
  Fe2O3   Eisenkalk   14.0    
  Co- und
  Mn-Oxid
      Kobaltkalk, mit
  Braunsteinkalk gemischt
  19.4
  Mn-Oxid2   Braunsteinkalk   45.0   Blosser Braunsteinkalk   16.0
  H2O   Wasser und Luft   18.0   Wasser   17.0
  Summe          98.4     97.8



    Lithium-haltiger
  "Asbolan",   
  Saalfeld,
  von KOBELL
  (1870)   
  Lithiophorit,   
  Schneeberg,
  FRENZEL
  (1870)   
  Lithiophorit,   
  Spitzleithe bei   
  Schneeberg,
  FRENZEL
  (1871) 1)
  Kakochlor   
  (Lithiophorit),   
  Rengersdorf,
  WEISBACH
  (1880) 3)
  Lithiophorit,
  theoretische
  Zusammensetzung     
 
  Li2O     gering     1.5     1.42     1.25 4)     3.50
  K2O         1.50    
  Al2O3   23   10.54 - 15.42     15.53   11.46 5)   24.09
  Fe2O3         2.43    
  MnO       49.87   50.95                 [50.34] 7)
  Mn2O3           18.49
  MnO2   54         41.15
  O         7.77     9.50                 [  9.30] 7)
  CoO     4     3 - 4     0.64     4.31 6)  
  NiO         0.30    
  CuO     0.61     1 - 2     0.96     0.55  
  CaO, BaO         1.26     0.73  
  Bi2O3           0.41  
  SiO2         3.08 2)     0.41  
  H2O   13.4   13   15.42   16.59   12.77
  Summe          100.18   99.63 100.00

1) Analyse von WINKLER
2) Rückstand (Sand)
3) Analyse von IWAYA
4) Li2O und Na2O
5) eisenhaltig
6) nickelhaltig
7) umgerechnet aus MnO2 und Mn2O3


Literatur:
BREITHAUPT, A. (1832): Vollständige Charakteristik des Mineral-System's.- Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, 3. Auflage, 358 p. (p. 240)

BREITHAUPT, A. (1849): Die Paragenesis der Mineralien. Mineralogisch, geognostisch und chemisch beleuchtet, mit besonderer Rücksicht auf Bergbau.- Freiberg, Verlag von J.G. Engelhardt, 276 p. (p. 227-228)

CHARPENTIER, J.F.W. (1778): Mineralogische Geographie der Chursächsischen Lande.- Bey Siegfried Lebrecht Crusius, 432 p. (p. 16)

DE VILLIERS, J.E. & VAN DER WALT, C.F.J. (1945): Lithiophorite from the Postmasburg deposits.- American Mineralogist 30, 629-634

FLEISCHER, M. & RICHMOND, W.E. (1943): The manganese oxide minerals: a preliminary report.- Economic Geology 38, 269-286

FRENZEL, A. (1870): Lithiophorit, ein lithionhaltiges Manganerz.- Journal für praktische Chemie 110 (Neue Folge 2), 203-206

FRENZEL, A. (1871): Mineralogisches; 2. Lithiophorit; 3) Hypochlorit, Nachtrag zu Pucherit.- Journal für praktische Chemie 112 (Neue Folge 4), 353-362

FRENZEL, A. (1879): Mittheilungen an Prof. G. Leonhart. Freiberg, den 4. November 1878 (Über Lithiophorit u.a.).- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1879, 55-57

GÖSSEL, H. (1827): Beschreibung einiger vorzüglich interessanter Mineralien der Oberlausitz. IV. Kobalt-Manganerz.- Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz, Erster Band, Heft 2, 93-95

KLAPROTH, M.H. (1797): Chemische Untersuchung des kobaltischen Braunsteinerzes von Rengersdorf.- Beiträge zur Chemischen Kenntniss der Mineralkörper, Zweiter Band, 308-319

KOBELL, F. VON (1870): Ueber den Rhabdionit, eine neue Mineralspecies, und über einen lithionhaltigen sogenannten Asbolan.- Journal für Praktische Chemie 109 (Neue Folge 1), 423-427

LESKE, N.G. (1785): Reise durch Sachsen in Rüksicht der Naturgeschichte und Oekonomie.- Leipzig, 548 p. (p. 229-232)

NAUMANN, C.F. (1874): Elemente der Mineralogie.- 9. Auflage, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann, 654 p. (p. 546)

PAULING, L. & KAMB, B. (1982): The crystal structure of lithiophorite.- American Mineralogist 67, 817-821

POST, J.E. & APPLEMAN, D.E. (1994): Crystal structure refinement of lithiophorite.- American Mineralogist 79, 370-374

RAMSDELL, L.S. (1932): An X-ray study of psilomelane and wad.- American Mineralogist 17, 143-149

WADSLEY, A.D. (1950): Synthesis of some hydrated manganese minerals.- American Mineralogist 35, 485-599

WADSLEY, A.D. (1952): The structure of lithiophorite, (Al,Li)MnO2(OH)2.- Acta Crystallographica 5, 676-680

WEISBACH, A. (1878): Mittheilungen an Prof. H.B. Geinitz. Freiberg, den 18. August 1878 (Über Kakochlor von Rengersdorf).- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1878, 846-849

WEISBACH, A. (1880): Mineralogische Notizen I. 1. Hypargyrit. 2. Lepidophäit. 3. Konarit. 4. Uranotil. 5. Bismutit. 6. Pucherit. 7. Kakochlor (Lithiophorit). 8. Leucit.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1880, II Band, 109-114

WESTRUMB, J.F. (1788): Chemische Untersuchung des Rengersdorfer sogenannten Erdkobolds.- Kleine physikalisch-chemische Abhandlungen, des zweyten Bandes zweytes Heft, Leipzig, p. 183-200




© Thomas Witzke

HOME
TYPLOKALITÄTEN
FUNDORTE
NAMEN
ENTDECKER
SACHSEN
THÜRINGEN
SACHSEN-ANHALT