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Leonit
Formel: K2Mg(SO4)2 · 4 H2O, monoklin
Typlokalität: Westeregeln und Leopoldshall bei Staßfurt, Sachsen-Anhalt
Erstbeschreibung:
NAUPERT, A. & WENSE, W. (1893): Ueber einige bemerkenswerthe Mineralvorkommnisse in
den Salzlagern von Westeregeln. 1. Ueber schwefelsaure Kalimagnesia mit vier Aequivalenten Wasser. 2. Ueber
Magnesiumsulfoborit. 3. Ueber Cölestin. 4. Ueber Kieserit. - Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft
Berlin 26, 873-875
TENNE, C.A. (1896): Ueber die Krystallform des Leonit aus den Steinsalzlagern von Leopoldshall.-
Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 48, 632-637
Weißer Leonit. Grube Brefeld, Tarthun bei Staßfurt, Sachsen-Anhalt. Größe der Stufe 7 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
Ein neues Salzmineral
A. NAUPERT & W. WENSE berichten 1893 über den Fund eines neuen Salzminerals:
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"In den Kainitlagern der alten, nunmehr ersoffenen Schachtamlagen der Consol. Alkaliwerke zu Westeregeln fanden
sich relativ häufig Einsprengungen eines Salzes, welches sich schon durch sein Aussehen auffällig von allen
anderen Salzen des Lagers unterschied. Im Gegensatz zu dem feinschuppig-krystallinischem Bruche und dem
geringen Glanze des begleitenden Kainits zeigte es ein glasähnliches Aussehn. Seine Durchsichtigkeit war
ziemlich gross, seine Farbe schwach gelb. Zahlreiche durch das Laboratorium der Consol. Alkaliwerke ausgeführte
Analysen ergaben, dass dasselbe annähernd nach der Formel: MgSO4,
K2SO2, 4H2O zusammengesetzt war.
[...]
Das fragliche Salz steht also dem Picromerit (Schönit) nahe, von welchem es sich durch den Mindergehalt von
zwei Aequivalenten Wasser unterscheidet. Dasselbe fand sich noch in einer andern, als der beschriebenen Form,
nämlich in innider Durchwachsung mit blauem Steinsalz. [...]
Deutlich krystalisirte Formen des Salzes wurden nicht aufgefunden. Dünnschliffe erwiesen sich bei der Betrachtung
zwischen Nicols als anisotrop. [...]
Kürzlich hat van der Heide dasselbe Salz beschrieben; er erhielt es aus Lösungen von schwefelsaurem Kali und
schwefelsaurer Magnesia bei höherer Temperatur in krystallisirter Form und bezeichnete es als Kaliastrakanit."
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Fürdas neue Mineral vergaben NAUPERT & WENSE keinen neuen Namen. Möglicherweise
fanden sie den durch J.K. VAN DER HEIDE (1893) für synthetisches Material verwendeten
Namen 'Kaliastrakanit' ausreichend. Dieser hatte die Verbindung beim Eindampfen einer Lösung von Schönit und
Kochsalz bei 60°C erhalten. Dabei entstanden tafelige Kristalle. Zur Benennung schreibt VAN DER
HEIDE:
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"Es entspricht seiner Zusammensetzung nach dem als Astrakanit bekannten Natriumdoppelsalze, weshalb ich es als
Kalium-Astrakanit bezeichnet habe."
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Die Beschreibung als Leonit
Nur drei Jahre nach der ersten Beschreibung des Minerals durch NAUPERT & WENSE
(1893) erschien eine Arbeit von C.A. TENNE (1896), in der er es als "Leonit" bezeichnete:
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"Durch Herrn JOHANNES BRUNNER, den schon durch den Hintzëit (MILCH)
bekannten Besitzer einer ausgezeichneten Mineralien-Sammlung in Magdeburg wurde in diesem Sommer ein
Abraumsalz aus den Stassfurt-Leopoldshaller Steinsalzlagern in krystallisirten Stufen erworben, konnte
aber mit keiner der bekannten Mineralspecies identificirt werden. Die krystallographische Prüfung der
Stufen wurde dem Verfasser übertragen, wogegen durch Herrn W. MÜLLER in Charlottenburg,
dem eine anderer Theil der Stufen zugestellt war, die chemische Untersuchung veranlasst wurde.
Ueber das Vorkommen der Stufen konnte Herr BRUNNER in Erfahrung bringen, dass die Krystalle
im Hangenden der Kainitlagerstätte auf einer ca. 8 cm starken Bank von Steinsalz aufgewachsen waren, die
ihrerseits wieder von einer schwachen Lage von reinem Kainit bedeckt wurde. Die räumliche Ausdehnung der
Funde ist nur unbedeutend.
An denvorliegenden Handstücken liegt das Salz entsprechend der obigen Angabe über das geologische Vorkommen
auf einer Lage von grobkörnigem Steinsalz. Es hat eine schwach gelbliche Grundfarbe, die bald mehr ins
Röthliche, bald ins Graue hinüberspielt, an einzelnen ausgezeichneten Stufen aber einen rein canariengelben
Ton besitzt. Die dem Steinsalz direkt aufsitzenden Partien sind dicke tafelförmige Krystalle, die nur wenige
frei ausgebildete Flächen am Rande der Tafeln zeigen. Aber zwischen den grösseren Tafeln finden sich kleinere
frei herausragende und meist heller gefärbte Individuen, von denen ich einige zum Zwecke der Messung und
optischen Prüfung den Stufen entnommen habe. [...]
An fünf Krystallfragmenten wurden ziemlich gut übereinstimmende Messungen vorgenommen, aus denen das monokline
System mit den Elementen:
a : b : c = 1,03815 : 1 : 1,23349
β = 84°50'
hervorging. Die bis zu 2 mm grossen und höchstens bis ½ mm dicken Fragmente zeigen immer nur einige wenige
von den Flächen. [...]
Eine deutlich hervortretende Spaltbarkeit fehlt an den vorliegenden Stufen, dagegen tritt ein muscheliger Bruch
gut hervor."
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TENNE gibt weiterhin eine von Dr. Johannes BRAUN angefertigte chemische Analyse an
siehe Tabelle). Das verwendete Material war allerdings verunreinigt und enthielt 10,16 % KCl. Nach Abzug der
Verunreinigungen weist das Material die Zusammensetzung
"MgK2(SO4)2(H2O)4"
auf.
In weiteren Verlauf des Artikels verweist TENNE auf die Veröffentlichung von NAUPERT
& WENSE (1893) und den Kali-Astrakanit von VAN DER HEIDE (1893) und
schreibt dazu:
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"Mit dem Astrakanit, oder, wie das Mineral mit JOHN richtiger genannt wird, mit dem Blödit hat
das neue Salz vollkommen analoge Zusammensetzung, nur tritt statt des Natrium hier das Kalium ein, der Name
Kalium-Blödit würde also in dieser rein chemischen Beziehung wohl passendgewählt sein. In krystallographischer
Beziehung aber weicht das neue Salz im allgemeinen Habitus sowohl, wie in den Winkelverhältnissen wesentlich ab
[...]. Ferner aber ist auf den Salzwerken von Westeregeln schon seit längerer Zeit, jedenfalls seit Februar 1889,
dieser neue Kali-Blödit bekannt, wie Herr Prof. Dr. H. BÜCKING mitzutheilen die Güte hatte. [...]
Herr BÜCKING hat dann zur krystallographischen Prüfung des in Westeregeln zu Ehren des
Generaldirectors LEO STRIPPELMANN als "Leonit" bezeichneten Minerals durch sie
Herr NAUPERT und OCHSENIUS eine Probe erhalten, die sich aber als "ein recht gut
nach einer Richtung spaltender Kainit" erwies, dessen deutliche Krystalle auch beschrieben wurden. Nachdem
nunmehr das natürliche Vorkommen eine Kali-Blödit auch in Leopoldshall sicher festgestellt ist und seine
krystallographischen Eigenschaften untersucht werden konnten, möchte ich den schon seit längerer Zeit
gebrachten Namen "Leonit" als denjenigen, dem die Priorität gebührt, in die Literatur einführen."
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Wer den Namen "Leonit" vorgeschlagen hat, geht aus der Publikation von TENNE nicht hervor.
Es ist hier sicher sinnvoll, die Publikationen von NAUPERT & WENSE (1893)
sowie von TENNE (1896) gemeinsam als Erstbeschreibung und die Vorkommen Westeregeln und
Leopoldshall bei Staßfurt als Typlokalitäten zu führen.
Weitere Untersuchungen an Leonit
J.E. STRANDMARK (1902) führte weitere Untersuchungen an Leonit durch. Das Material stammte
aus Leopoldshall, Schacht I, II aus 430 Metern Tiefe. Die chemische Analyse bestätigte die vorher bekannte
Zusammensetzung. Es konnten eine Reihe von Flächen vermessen werden, darunter auch etliche vorher nicht
bekannte. Das von TENNE (1896) gefundene Achsenabschnittsverhältnis bestätigte sich.
Zeichnung eines Leonit-Kristalls von Leopoldshall, nach STRANDMARK (1902)
Die Kristallstruktur von Leonit
Leonit kristallisiert bei Raumtemperatur monoklin, Raumgruppe C2/m. Die Struktur wird aus
Sulfat-Teraedern und MgO6-Oktaedern aufgebaut, die durch K-Kationen und
Wasserstoffbrücken der Wasser-Moleküle verbunden werden. Bei Raumtemperatur ist eine der Sulfatgruppen
ungeordnet. Bei tieferen Temperaturen wird die dynamische Unordnung in zwei Schritten 'eingefroren' und
es entsteht eine neue, geordnete Struktur. Für Leonit wurden bei Raumtemperatur die Gitterparameter
a = 11.769, b = 9.539, c = 9.889 Å und β = 95.31° gefunden bei
Z =4. Bei 170 K liegt die Substanz in der Raumgruppe I2/a und bei 100 K in
P21/a vor (HERTWECK et al., 2001).
Chemische Analyse von Leonit (in Masse-%)
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unbenannt bzw. Kaliastrakanit, Westeregeln NAUPERT & WENSE (1893) |
Kali-Blödit / Leonit Westeregeln TENNE (1896) 1) |
Leonit, theoretische Zusammensetzung |
K2SO4 |
45.3; 44.5; 45.3 |
40.2 - 45.3 |
47.53 |
Na2SO4 |
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1.3 |
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MgSO4 |
33.8; 34.1 |
32.0 - 34.3 |
32.83 |
MgCl2 |
0.4; 1.1; 0.3 |
0.3 - 4.8 |
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NaCl |
0.6 |
0.5 - 3.5 |
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H2O |
19.9; 20.0; 20.3 |
19.3 - 20.7 |
19.64 |
Summe |
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100.00 |
1) Analyse von GESERICH, mitgeteilt von BÜCKING
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Leonit Leopoldshall, Stassfurt TENNE (1896) |
Leonit Leopoldshall, Stassfurt STRANDMARK (1902) |
Leonit, theoretische Zusammensetzung |
Mg |
6.54 |
6.26 |
6.63 |
K |
25.48 |
21.53 |
21.34 |
SO4 |
43.73 |
52.50 |
52.40 |
Cl |
4.84 |
0.24 |
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Rückstand |
0.42 |
|
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H2O |
18.99 |
19.57 |
19.64 |
Summe |
100.00 |
100.10 |
100.00 |
Literatur:
HERTWECK, B.; GIESTER, G. & LIBOWITZKY, E. (2001): The crystal
structures of the low-temperature phases of leonite-type compounds,
K2Me(SO4)2·4H2O
(Me2+ = Mg, Mn, Fe).- American Mineralogist 86, 1282-1292
NAUPERT, A. & WENSE, W. (1893): Ueber einige bemerkenswerthe Mineralvorkommnisse in
den Salzlagern von Westeregeln. 1. Ueber schwefelsaure Kalimagnesia mit vier Aequivalenten Wasser. 2. Ueber
Magnesiumsulfoborit. 3. Ueber Cölestin. 4. Ueber Kieserit. - Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft
Berlin 26, 873-875
STRANDMARK, J.E. (1902): Leonit aus Leopoldshall.- Zeitschrift für Krystallographie und
Mineralogie 36, 461-465
VAN DER HEIDE, J.K. (1893): Kalium-Astrakanit, ein neues Doppelsalz von Kalium-
und Mgnesiumsulfat.- Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 26, 414
TENNE, C.A. (1896): Ueber die Krystallform des Leonit aus den Steinsalzlagern von Leopoldshall.-
Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 48, 632-637
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