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Langbeinit


Formel: K2Mg2(SO4)3

Typlokalität: Bohrloch im Huy, Anderbeck bei Halberstadt, Sachsen-Anhalt

Erstbeschreibung:
ZUCKSCHWERT, S. (1891): Langbeinit, ein neues Kaliummagnesiumsulfat. In: Deutsche Gesellschaft für angewandte Chemie. Sitzungsberichte der Bezirksvereine. Bezirksverein für Sachsen und Anhalt. Sitzung in Stassfurt, den 19. April 1891.- Zeitschrift für angewandte Chemie, Jahrgang 1891, 356





Langbeinit aus der Bohrung am Huy von 1884. Größtes Exemplar 2 cm. Sammlung und Foto Thomas Witzke. Langbeinit mittels Röntgendiffraktometrie bestätigt. Dazu gehöriges Etikett unten.
Das Material stammt offenbar vom Originalfund, das Etikett wurde aber noch vor dem Erscheinen der Erstbeschreibung von Langbeinit geschrieben. Die Formel steht in der 1818 entwickelten Schreibweise nach Berzelius, die noch bis etwa 1880 in der Literatur verwendet wurde. Die Punkte stellen Sauerstoff dar, Kaliumoxid wurde noch für KO gehalten. Die Formel ist ansonsten für Langbeinit aber korrekt. In der Erstbeschreibung von 1891 steht die Formel bereits in der heute üblichen Schreibweise. Wer die Analyse vor dem Erscheinen der Erstbeschreibung durchgeführt hat, ist nicht bekannt. Möglicherweise war der auf dem Etikett genannte Dr. Bruno Bernhardi beteiligt. Der "Leonit" ist eine spätere Ergänzung in einer anderen Handschrift.





         Ein neues Kalium-Magnesium-Sulfat aus dem Kalisalz

Dr. Sylvester ZUCKSCHWERDT, Direktor der Staßfurter Chemischen Fabrik A.G. Staßfurt-Leopoldshall, berichtete auf einer Sitzung der Deutschen Gesellschaft für Angewandte Chemie, Bezirksverein Sachsen und Anhalt, am 19. April 1891 in Stassfurt über ein neues Mineral aus einem Kalisalzlager:
"Im Jahre 1884 wurden am Huy, einem nördlich von Halberstadt gelegenen Höhenzuge, Kalisalze erbohrt, welche durch den jetzt im Bau befindlichen Schacht Wilhelmshall bei Anderbeck weiter aufgeschlossen werden sollen.
Bei Untersuchung der Bohrkerne ergab die Durchschnittsanalyse des aus etwa 230 stammenden Theiles folgende Zusammensetzung:
            K2SO4    20,09 Proc.
            MgSO4   28,80
            CaSO4     0,72
            NaCl      47,85
            MgCl2      1,12
            MgO        0,20
            H2O         1,22
Der im Vergleich zu den beiden bisher bekannten Kaliummagnesiumsulfaten - Kainit mit 21,72 Proc. H2O und Schoenit mit 26,84 Proc. H2O - geringe Wassergehalt des Bohrkerns, sowie die auffallend langsame Löslichkeit des darin enthaltenen Kalisalzes liessen mit Sicherheit annehmen, dass in dem fraglichen Bohrkerne ein neues Kaliummagnesiumsulfat enthalten sein müsse.
Die Trennung der 10 bis 20 mm starken Schichten des kalihaltigen Minerals von dem begleitenden Steinsalze gelang durch Behandeln des grob zerkleinerten Bohrkerns mit beinahe gesättigter, kalter Bittersalzlösung, welche noch grosse Mengen Steinsalz, aber nur sehr geringe Mengen Kaliummagnesiumsulfat zu lösen vermag. Das so isolirte Mineral stellt farblose, wasserhelle oder grauweisse, glasglänzende Krystallmassen von muscheligem Bruch dar. Die Härte ist 3 bis 4, das spec. Gewicht 2,86. In Wasser ist es sehr langsam, aber reichlich löslich. [...]
Zur chemischen Untersuchung wurden nur solche, durch Zerschlagen grösserer Stücke erhaltenen Theile des Minerals verwendet, dessen äussere Flächen nicht mit Bittersalzlösung in Berührung gekommen waren. [...]
Nach den Ergebnissen der obigen Analysen [siehe Tabelle unten - T.W.] kommt dem neuen Mineral, dem ich zu Ehren des um die Entwicklung der Kalisalzindustrie hochverdienten Commerzienrath A. Langbein in Leopoldshall den Namen "Langbeinit" beigelegt habe, die Formel K2SO4 . 2(MgSO4) zu, für welche sich ein Gehalt von 42,07 Proc. K2SO4 und 57,93 Proc. MgSO4 berechnet. Der geringe Überschuss von MgSO4 ist auf kleine Mengen von eingesprengtem Kieserit zurückzuführen."
Adalbert LANGBEIN (1834 - 1894) leitete als erster technischer Direktor die am 24.3.1872 gegründete Concordia Chemische Fabrik in Leopoldshall bei Stassfurt, die Kalisalze verarbeitete.

Bei dem auf dem obigen Etikett genannten Dr. Bernhardi handelt es sich höchst wahrscheinlich um Dr. Bruno BERNHARDI aus Stassfurt, Inhaber mehrerer chemischer Patente. Darunter befindet sich auch eines zur Herstellung von Kalium-Magnesium-Sulfat:
"Die Kali haltigen Mutterlaugen, namentlich die von der Verarbeitung des Schönit versetzt B. Bernhardi in Stassfurt (D. R. P. Kl. 75 Nr. 10821 vom 18. December 1879) mit schwefelsaurem Magnesium, um ein Doppelsalz von schwefelsaurem Kalium-Magnesium abzuscheiden."
(Anonymus, 1881). Die Abkürzung D.R.P. steht für Deutsches Reichspatent. Ob BERNHARDI auch an der Analyse von dem später Langbeinit genannten Kalium-Magnesium-Sulfat aus dem Huy beteiligt war, ist nicht bekannt, kann aber nach dem Etikett vermutet werden. Weiterhin war BERNHARDI einer der Direktoren bei Gründung der Chemischen Fabrik Staßfurt (GLAGAU, 1877), bei der später auch ZUCKSCHWERT einen Direktorenposten übernahm.


         Zum Vorkommen von Langbeinit

ZUCKSCHWERDT (1891) konnte noch keine näheren Angaben zum Vorkommen von Langbeinit in Wilhelmshall machen. Nachdem das Kalisalzbergwerk mehrere Jahre in Betrieb gewesen ist, teilte Heinrich PRECHT (1897) mit, dass der Langbeinit in Wilhelmshall stets im Älteren Steinsalzlager gefunden wird und hier an Stelle des Polyhalits auftritt. Die Jahresringe im Salz werden hier durch Langbeinit und nicht durch Polyhalit angedeutet. Langbeinit ist als ein primäres Salz anzusehen. In der Entstehung und den Eigenschaften steht es dem Polyhalit sehr nahe. PRECHT geht davon aus, dass sich der Langbeinit an den Stellen im Kalisalzlager abgeschieden hat, wo zur Bildung von Polyhalit ungenügende Mengen Calciumsulfat vorhanden waren. Weiterhin teilt er mit, dass Langbeinit in den letzten Jahren auch im Schacht III der consolidierten Alkaliwerke in Westeregeln, in Solvayhall bei Bernburg und in Neu-Stassfurt gefunden wurde. Gut ausgebildete Kristalle sind bisher nicht gefunden worden, lediglich unregelmäßig geformte Stücke oder dünne Schnüre von meist hellgrauer Farbe.


         Untersuchungen zu den Kristallformen

Anfang 1897 fand Dr. Siebert in Solvayhall bei Bernburg, Sachsen-Anhalt, die ersten Kristalle von Langbeinit, die er Otto LUEDECKE zur Untersuchung übergab. Es sind lediglich zwei Kristalle gefunden worden. LUEDECKE publizierte 1898 die Ergebnisse der Untersuchungen. Ein Kristall zeigte
"die Ausbildung der tetraëdrisch-pentagondodekaëdrischen Klasse auf das Prächtigste. Der Krystall ist 15 x 20 x 12 mm gross, früher weiss bis wasserhell - doch nun schon etwas verwittert -, glas bis fettglänzend. Er zeigt die Formen des Würfels {100}, des positiven Tetraëders {111}, des negativen {1-11}, des negativen Triakistetraëders {2-11}, des negativen Deltoiddodekaëders {2-21}, der linken Pentagondodekaëder {310}, {210} und vielleicht {920} und endlich des Rhombendodekaëders {110}".
Die vier dreizähligen Achsen sind in der genannten Kristallklasse polar, was sich daran äußerte, dass die negativen Tetraeder-, Triakistetraeder- und Deltoiddodekaeder-Flächen von Ätzfiguren bedeckt waren, während das positive Tetraeder frei davon war. Den Brechungsindex in Natriumlicht bestimmte LUEDECKE zu 1,5329. Er vermerkt auch, dass Langbeinit etwas Feuchtigkeit aus der Luft aufnimmt und trüb wird.

Weitere Kristalle von Löderburg bei Stassfurt konnte A. SACHS (1902) untersuchen. Er bestätigte die Angaben von LUEDECKE (1898) und fand aus der Beschaffenheit der Flächen Hinweise auf das Vorhandensein von zwei linken und zwei rechten Pyritoedern (Pentagondodekaedern).




Langbeinit-Kristall von Solvayhall, Bernburg, Sachsen-Anhalt (LUEDECKE, 1898).



         Strukturanalysen an Langbeinit

B. GOSSNER & I. KOCH (1931) finden nach röntgenografischen Untersuchungen für Langbeinit die wahrscheinliche Raumgruppe P213 und geben einen Gitterparameter a = 9,96 kX an (kX ist eine veraltete Einheit, 1 kX = 1,002 Å). Lewis S. RAMSDELL fand einen Wert a = 9,96 Å für synthetischen Langbeinit und zeigte, dass es eine lückenlose Mischkristallreihe zwischen K2Mg2(SO4)3 und K2Ca2(SO4)3 gibt, wobei der Gitterparameter stetig ansteigt. Die berechnete Dichte für Z = 4 liegt bei 2,77 g/cm3.

Eine Strukturanalyse an Langbeinit veröffentlichten A. ZEMANN & J. ZEMANN 1957. Verwendet wurde Material aus Sassfurt. Danach kristallisiert das Mineral in der kubischen Raumgruppe P213 mit einem Gitterparameter a = 9,920 Å. Es sind 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle vorhanden. K und Mg befinden sich auf der dreizähligen Achse. Mg ist oktaedrisch koordiniert, K dagegen irregulär.

Kurt MEREITER publizierte 1979 eine Strukturverfeinerung von Langbeinit. Verwendet wurde Material aus Harmstorf, Werratal, Hessen. Die bekannte Raumgruppe wurde bestätigt, auch der Gitterparameter a = 9,919 Å liegt sehr dicht an den vorher veröffentlichten Daten.


         Verwandte Verbindungen

Langbeinit, K2Mg2(SO4)3, gilt als Archetyp einer größeren Gruppe von Verbindungen vom Typ A2B2(XO4)3. Für die Vertreter mit X = S, also die Sulfat-Langbeinite, ist das A-Kation einwertig und das B-Kation zweiwertig mit
A+ = K, NH4, Rb, Tl, Cs
B2+ = Mg, Ni, Co, Fe, Mn, Zn, Cd, Ca.
Analog ist die Situation bei anderen Langbeinit-Phasen vom Typ (XO4)2- mit den Anionen (SeO4)2-, (CrO4)2-, (MoO4)2- oder (MnO4)2-. Daneben gibt es jedoch auch Langbeinit-Phasen mit (PO4)3- und (AsO4)3-, bei denen zum Ladungausgleich auch drei- oder vierwertige Kationen erforderlich sind. Beispiele dafür sind K2(Yb3+Ti4+)(PO4)3, K2(Sc3+Sn4+)(AsO4)3 oder (KBa)Cr3+2(PO4)3. Ebenfalls zum Langbeinit-Typ gehören Verbindungen mit einem Fluoroberyllat-Anion, (BeF4)2- (GATTOW & ZEMANN, 1958; BURKOV & PEREKALINA, 2001; NORBERG, 2002; HARRISON, 2010).

Im Vergleich zu der großen Anzahl synthetischer Verbindungen sind bisher nur wenige Vertreter der Gruppe als Minerale bekannt. Neben dem eigentlichen Langbeinit sind dies:
Manganolangbeinit, K2Mn2(SO4)3,
Calciolangbeinit, K2Ca2(SO4)3, und
Efremovit, (NH4)2Mg2(SO4)3.



Chemische Analyse von Langbeinit (in Masse-%)

    Langbeinit,
  Huy bei Halberstadt
  ZUCKSCHWERDT (1891)   
  Langbeinit,
  theoretische
  Zusammensetzung    
  K2SO4   41.30   41.99
  MgSO4   58.20   58.01
  MgCl2     0.22  
  MgO     0.08  
  H2O     0.20  
  Summe     100.00 100.00



Literatur:
Anonymus (1881): Zur Verarbeitung der Stassfurter Kalisalze.- Dingler's Polytechnisches Journal 239 (= 5. Reihe, 39. Band), 87-88

BURKOV, V.I. & PEREKALINA, Z.B. (2001): Gyrotropy of cubic langbeinite crystals.- Inorganic Materials 37, 203-212

GATTOW, G. & ZEMANN, J. (1958): Über Doppelsulfate vom Langbeinit-Typ, A+2B2+2(SO4)3.- Zeitschrift für Anorganische Allgemeine Chemie 293, 233-240

GLAGAU, O. (1877): Der Börsen- und Gründungs-Schwindel in Deutschland.- Leipzig, Verlag von Paul Frohberg, 582 p. (p. 229)

GOSSNER, B. & KOCH, I. (1931): Über das Kristallgitter von Langbeinit, Northupit und Hanksit.- Zeitschrift für Kristallographie, Kristallgeometrie, Kristallphysik, Kristallchemie 80, 455-464

HARRISON, W.T.A. (2010): K2ScSn(AsO4)3: an arsenate-containing langbeinite.- Acta Crystallographica C66, i82-i84

LUEDECKE, O. (1898): Ueber Langbeinit, ersten Vertreter der tetraëdrisch-pentagondodekaëdrischen Klasse unter den Mineralen.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 29, 255-261

MEREITER, K. (1979): Refinement of the crystal structure of langbeinite, K2Mg2(SO4)3.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Monatshefte, 1979, 182-188

NORBERG, S.T. (2002): New phosphate langbeinites, K2MTi(PO4)3 (M = Er, Yb or Y), and an alternative description of the langbeinite framework.- Acta Crystallographica B58, 743-749

PRECHT, H. (1897): Über das Stassfurter Mineral Langbeinit. In: Verein deutscher Chemiker. Sitzungsberichte der Bezirksvereine. Bezirksverein für Sachsen und Anhalt. Schlussversammlung in Magdeburg am 29. Noveber 1896.- Zeitschrift für angewandte Chemie, Jahrgang 1897, 68-69

RAMSDELL, L.S. (1935): An x-ray study of the system K2SO4-MgSO4-CaSO4.- American Mineralogist 20, 569-574

SACHS (1902): Beiträge zur Kenntniss der Krystallform des Langbeinits und zur Auffassung der Tetartoedrie im regulären System.- Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, XIX, 1902, 376-379

ZEMANN, A. & ZEMANN, J. (1957): Die Kristallstruktur von Langbeinit, K2Mg2(SO4)3.- Acta Crystallographica 10, 409-413

ZUCKSCHWERT, S. (1891): Langbeinit, ein neues Kaliummagnesiumsulfat. In: Deutsche Gesellschaft für angewandte Chemie. Sitzungsberichte der Bezirksvereine. Bezirksverein für Sachsen und Anhalt. Sitzung in Stassfurt, den 19. April 1891.- Zeitschrift für angewandte Chemie, Jahrgang 1891, 356




© Thomas Witzke / Stollentroll

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