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Kleberit


Formel: Fe3+Ti6O11(OH)5, monoklin

Typlokalität:
Königshain bei Mittweida, Sachsen, (und Murray Basin, SE Australien und Kalimantan, Indonesien)

Erstbeschreibung:
GREY, I.E. & STEINIKE, K. & MACRAE, C.M. (2013): Kleberite, Fe3+Ti6O11(OH)5, a new ilmenite alteration product, from Königshain, northeast Germany. Mineralogical Magazine 77, 45-55

Beschreibung ohne IMA-Anerkennung:
BAUTSCH, H.-J.; ROHDE, G.; SEDLACEK, P. & ZEDLER, A. (1978): Kleberit - ein neues Eisen-Titan-Oxidmineral aus tertiären Sanden.- Zeitschrift für Geologische Wissenschaften 6, 661-671
ZEDLER, A.; SEDLACEK, P.; ROHDE, G. & BAUTSCH, H.-J. (1978): Erste Ergebnisse der Strukturbestimmung eines neues Minerals vom TiOx-Typ.- Zeitschrift für Geologische Wissenschaften 6, 673-679





Ein Korn von Kleberit. Von der Typlokalität Königshain bei Mittweida, Sachsen, Deutschland. Größe des Korns 0,8 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke. Die Probe stammt von einem der Autoren der Beschreibung von 1978.


           Der Kleberit

Der Kleberit hat eine sehr lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. Er wurde zunächst sehr unvollständig und ohne Anerkennung seitens der IMA beschrieben, dann offiziell diskreditiert, als Varietät von Pseudorutil betrachtet und schließlich über 30 Jahre, nachdem er das erste Mal in der offiziellen Literatur auftauchte, bei der IMA eingereicht und anerkannt. Diese Geschichte spiegelt die Geheimhaltungspolitik in der DDR in Rohstofffragen, aber auch Fehlinterpretationen und das Übersehen offenkundiger Widersprüche wieder. Die erfolgreiche Charakterisierung des Kleberits ist auch auf die Fortschritte in der Analysentechnik in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen.


           Verwitterungsbildungen von Ilmenit

Die Verwitterung von Ilmenit, FeTiO3, und mögliche eigenständige Stufen in diesem Prozess sind schon seit langem Gegenstand der Untersuchung. Bei der Umwandlung von Ilmenit wird zwei- zu dreiwertigem Eisen oxidiert, was mit einem fortschreitenden Verlust von Eisen und einer Erhöhung des Titangehalts einhergeht (GREY & REID, 1975). Das Endstadium der Verwitterung ist Rutil und/oder Anatas. Sehr lange herrschte Unklarheit darüber, ob es bei diesem Prozess definierte Zwischenstadien gibt.

PALMER beschrieb bereits 1909 den "Arizonit" als einen häufigen Bestandteil von schwarzen Ilmenit-Sanden. Das Mineral soll eine Zusammensetzung von annähernd Fe2Ti3O9 aufweisen. OVERHOLT et al. (1950) kamen nach röntgenografischen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Arizonit um ein Gemenge von Hämatit, Ilmenit, Anatas und Rutil handelt. Alle Linien im Röntgendiagramm konnten diesen Mineralen zugeordnet werden. Weiter heißt es: "This is sufficient evidence to discredit the mineral."

1960 beschäftigten sich DYADCHENKO & KHATUNTSEVA mit Verwitterungsprodukten des Ilmenits und beschrieben ein Eisen-Titan-Oxyhydroxid, jedoch nur sehr unvollständig. Die Autoren waren der Meinung, dass hier eine separate Phase mit einem Bereich bei der Zusammensetzung von Fe2O3 · n TiO2 · m H2O mit 3 < n < 5 und 1 < m < 2 auftritt. Der bei den Untersuchungen gefundene Chemismus liegt zwischen Fe3+1.2Ti3.0O6.6(OH)2.4 und Fe3+0.67Ti3.0O5(OH)4 (jeweils berechnet auf Ti = 3).

A.D. BYKOV beschrieb 1964 ein analoges Material, ebenfalls sehr unvollständig, aus einem Titanerzkonzentrat einer nicht genannten russischen Lagerstätte und nannte es Proarizonit. Die Rückrechnung der Analyse des Konzentrats auf das fragliche Eisen-Titan-Mineral ergab TiO2 55,3, Fe2O3 35,6, FeO 2,87, Cr2O3 0,93, H2O 2,7 % (Summe 97,4 %). Daraus lässt sich eine empirische Formel
Fe3+1.93Cr0.05Fe2+0.17Ti3.00O9.14·0.65H2O.
berechnen. Bei der röntgenografischen Untersuchung zeigten sich 10 Linien, die sich Rutil, Ilmenit, Hämatit und "Hydrohämatit" zuordnen ließen. BYKOV war jedoch der Meinung, dass es sich nicht um ein Gemenge handelt, da einige starke Linien von Hämatit und Ilmenit fehlten. Das Mineral wurde Proarizonit genannt, da es in der Verwitterungssequenz zwischen Ilmenit und Arizonit stehen soll.

Michael FLEISCHER (1964) kommentiert die Veröffentlichung des Proarizonits mit den Worten: "Arizonite was long ago shown to be a mixture [...]. There is no justification for regarding such mixtures as minerals and burdening the literature with new names."


           Pseudorutil wird beschrieben

TEMPLE (1966) sowie TEUFER & TEMPLE (1966) arbeiten ebenfalls über Verwitterungsbildungen von Ilmenit. In Konzentraten von alteriertem Ilmenit von Quilon, Indien, sowie von Trail Ridge, Florida und von New Jersey fand sich ein von Ilmenit verschiedenes Eisen-Titan-Oxid in Anteilen um 70 bis 85 %. In der Arbeit von TEMPLE (1966) werden die Ergebnisse chemischer Untersuchungen angegeben. Daraus berechnet sich eine ideale Zusammensetzung Fe2Ti3O9. In der zweiten Arbeit werden die Röntgenpulverdaten veröffentlicht, jedoch ohne Angabe der Intensitäten. Für das Mineral wird eine primitive hexagonale Zelle angegeben. Diffuse Linien weisen auf eine strukturelle Fehlordnung hin. TEMPLE (1966) gibt eine Zelle mit a = 2,867 und c = 3,608 Å an, während TEUFER & TEMPLE (1966) a = 2,872 und c = 4,594 Å fanden. Das Mineral soll eine Struktur mit hexagonal dichtester Packung der Sauerstoffatome sowie statistisch verteilten Metallatomen auf oktaedrischen Plätzen aufweisen. Zahlreiche starke, diffuse Reflexe, die bei der Einkristalluntersuchung gefunden wurden, konnten nicht indiziert werden. Die Autoren nennen das Mineral Pseudorutil und veröffentlichen es, ohne dass eine Anerkennung durch die IMA vorliegt.
In einer Rezension zu neu entdeckten Mineralen kritisiert Michael FLEISCHER (1967) die Veröffentlichung des Pseudorutils und schreibt dazu: "The present papers add only more confusion. [...] The data are insufficient to establish the proposed mineral."

LARRETT & SPENCER veröffentlichen 1971 optische Daten im Auflicht vom Pseudorutil. Das untersuchte Material stammt aus Ilmenit-Konzentraten von der South Neptune Island, South Australia, Australien. Das Mineral ist im Durchlicht opak, kleine Splitter sind schwach durchscheinend mit rötlichbrauner Farbe. Im Auflicht ist das Mineral grauweiß, ähnlich Rutil, weist rot-braune Innenreflexe und keine Anisotropie auf. Die Autoren fanden Reflektanzwerte 20,1 (470 nm), 18,9 (546 nm), 18,0 (589 nm) und 17,7 % (650 nm).

GREY & REID (1975) führten Einkristalluntersuchungen an Pseudorutil aus South Australia und Indonesien durch. Bei Weissenberg- und Präzessions-Aufnahmen zeigten sich, wie auch schon von TEUFER & TEMPLE (1966) festgestellt, scharfe Punkte sowie diffuse Striche und Bögen. Die scharfen Reflexe ließen sich mit einer einfache hexagonalen Zelle a = 2,875 und c = 4,615 A indizieren. Sie repräsentieren die dichteste Kugelpackung des Anionengitters. Die diffusen Reflexe sind auf schlecht geordnete Metallkationen zurückzuführen. Für den Pseudorutil aus Indonesien konnten GREY & REID eine Überstruktur mit der Raumgruppe P6322 und einer Zelle a = 14,375 und c = 4,615 Å, V = 825.9 Å3, bei Z = 5 für die ideale Formel Fe2Ti3O9 finden. Für Material aus South Australia wird eine Zusammensetzung
Fe3+1.81Mn0.03Fe2+0.07Ti3.08O9.00·0.75H2O sowie für das aus Indonesien
Fe3+1.34Mn0.15Fe2+0.26Ti3.25O9.00·0.48H2O
angegeben. Werden die beiden Formeln auf Ti = 3 umgerechnet, ergibt sich
Fe3+1.76Mn0.03Fe2+0.07Ti3.00O8.03(OH)1.46 bzw. Fe3+1.24Mn0.14Fe2+0.24Ti3.00O7.87(OH)0.88.

WORT & JONES (1980) führten röntgendiffraktometrische Untersuchungen an Pseudorutil durch und fanden eine mittlere Kristallitgröße von 10 nm. Anzumerken ist, dass die röntgenografisch aus den Peakbreiten bestimmbare Kristallitgröße nichts mit makroskopisch oder mikroskopisch sichtbaren Kristallen zu tun hat, sondern die mittlere Größe der Bereiche des Kristallgitters repräsentiert, die einheitlich die Röntgenstrahlen beugen.


           Kleberit wird beschrieben und diskreditiert

Um 1963 stieß Klaus STEINIKE bei Untersuchungen zu den Bildungsbedingungen von Tonen in Tertiärsedimenten im Südosten Brandenburgs auf ein akzessorisches, bisher nicht dokumentiertes Schwermineral. STEINIKE (2008) erwähnt einen Bericht im Archiv des Landesamtes für Geologische Rohstoffe Brandenburg, in dem es in den Teilen vom 14. März 1963 und 12. Mai 1964 als "Mineral x" erwähnt wird. Der Stand der Analysentechnik zu der Zeit und die geringe zur Verfügung stehende Probenmenge erlaubten nur eine Charakterisierung nach optischen Eigenschaften.
STEINIKE (2008) schreibt weiter, dass Mitte der 60er Jahre das Zentrale Geologische Institut Berlin (ZGI) zusammen mit einer Arbeitsgruppe der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut den Auftrag zur Prospektion nach Uran im tertiären Deckgebirge im Südteil der DDR übernahm. Dabei wurde auch das fragliche Mineral in über 40 Fundpunkten angetroffen. Es entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer Art Leitmineral für bestimmte Sedimente. Die Herkunft des Minerals ist auf die Umwandlung von Ilmenit aus böhmischen Basalten zurückzuführen. Nach STEINIKE gelang es Georg ROHDE, in Hetzdorf, Königshain bei Mittweida und Roda bei Frohburg lokale Anreicherungen zur Gewinnung von Analysenmaterial aufzuspüren. Die chemische Analyse wurde von G. FRIESE im ZGI durchgeführt. Intern wurde das Mineral bereits Kleberit nach Professor Will KLEBER (1906 - 1970), von 1952 bis 1970 Direktor des Mineralogisch-Petrographischen Instituts und Museums der Humboldt-Universität Berlin, genannt. Auf Grund der verordneten Geheimhaltung im Zusammenhang mit den Erkundungen zur Uranerzführung konnte damals nichts zu dem Mineral veröffentlicht werden.

Etwa 15 Jahre nach den ersten Funden wurde das Mineral schließlich doch durch Hans-Joachim BAUTSCH, Georg ROHDE, P. SEDLACEK und A. ZEDLER 1978 veröffentlicht, jedoch ohne es vorher der International Mineralogical Associacon zur Anerkennung vorzulegen. Parallel dazu erschien auch ein zweiter Artikel von ZEDLER et al. (1978) mit den Ergebnissen zur Strukturuntersuchung.
Das Mineral bildet braune bis fast schwarze Körner und Pseudomorphosen nach Ilmenitkristallen. Chemische Analysen wurden an Material aus der Schwermineralfraktion der Kiesgrube Roda bei Frohburg vorgenommen. Aus der Analyse von einem Einzelkorn sowie dem Durchschnitt von sieben Körnern ließen sich die empirischen Formeln
(Fe0.181Ba0.016Ca0.014Mg0.006)(Ti1.19Si0.055Cr0.005)(OH)1.32O2.05 und
(Fe0.203Ba0.013Ca0.018)(Ti1.16Si0.056Al0.028P0.009)(OH)1.335O2.065
berechnen. Der Oxidationsstatus von Eisen wurde nicht analysiert, statt dessen wurde das Eisen nur als zweiwertig angenommen. Die allgemeine Formel wird wahlweise mit Ti6FeO13·3H2O und mit Ti6FeO13·4H2O angegeben. Nach Weissenberg- und Präzessionsaufnahmen fanden die Autoren eine orthorhombische Zelle mit a = 2,8542, b = 4,9448 und c = 4,5857 Å, gehen aber von hexagonaler Symmetrie und der Raumgruppe P63mcm aus. Bei Röntgenpulveraufnahmen wurden 10 Linien festgestellt, die jedoch nicht indiziert werden. Die Dichte wird als variabel angegeben, ohne allerdings den Bereich zu erwähnen. Es findet sich lediglich bei BAUTSCH et al. ein Mittelwert von 3,28 und bei ZEDLER et al. von 3,26 g/cm3. In der letztgenannten Arbeit schreiben die Autoren, dass die gemessene Dichte mit der Elementarzelle nur in Übereinstimmung gebracht werden kann, wenn das Verhältnis von Ti+Fe : O etwa 1 : 3 beträgt. Dies ist von dem gefundenen Verhältnis weit entfernt. Die Problematik wird von den Autoren nicht weiter diskutiert. Das Mineral ist optisch einachsig negativ, einige Körner sind auch zweiachsig negativ. Die Brechungsindizes liegen deutlich über 1,80, die Doppelbrechung beträgt 0,04 - 0,05. Aus Reflektanzmessungen ergibt sich ein mittlerer Brechungsindex von 2,162 und ein Bereich von 2,060 bis 2,238. Die Körner weisen eine rhythmische Zonierung auf.
Angesichts der Tatsache, dass in der gesammten Literatur, einschließlich der den Autoren zweifellos bekannten russischen, in vergleichbaren Umwandlungsprodukten von Ilmenit das Eisen als dreiwertig beschrieben wird, ist es schwer verständlich, dass in den Veröffentlichungen zu dem Kleberit das Eisen als zweiwertig angenommen wird. Vermutet werden kann, dass hier das in der Summe schon nahe 100 % liegende Analysenergebnis die Ursache ist. Bei dreiwertigem Eisen würde die Summe etwas über 100 % liegen. Allerdings würde dreiwertiges Eisen bereits einen erheblichen Teil der von ZEDLER et al. (1978) bemerkten Diskrepanz zwischen Dichte und Zellinhalt erklären. Eine Neuberechnung der empirischen Formeln auf Ti = 3 und mit dreiwertigem Eisen ergibt
Fe0.46Ba0.04Ca0.03Mg0.02Cr0.01Si0.14Ti3.00O5.41(OH)3.32 und
Fe0.53Ba0.04Ca0.05Al0.09Si0.14P0.02Ti3.00O5.63(OH)3.46.
Die Zusammensetzung liegt damit innerhalb des von DYADCHENKO & KHATUNTSEVA 1960 gefundenen Bereichs.

Der Kleberit findet 1979 Eingang in eine Zusammenstellung der erstmals in Sachsen gefundenen Minerale von Werner QUELLMALZ. Unerwähnt bleibt hier, dass es sich um ein von der IMA nicht anerkanntes Mineral handelt.

Ähnlich wie über den Pseudorutil äußert sich FLEISCHER 1979 auch über die Veröffentlichung vom Kleberit durch BAUTSCH et al. (1978) und ZEDLER et al. (1978): "A thoroughly unsatisfactory description". Im Rahmen einer Massendiskreditierung wurde der Kleberit schließlich offiziell von der International Mineralogical Association diskreditiert (NICKEL & MANDARINO, 1987).

1992 wurden die Autoren der ersten Veröffentlichung zum Kleberit durch den Vorsitzenden der Commission of Classification of Minerals der International Mineralogical Association, Peter BAYLISS, angeschrieben und um Stellungnahme zum Kleberit sowie Probenmaterial gebeten, um den Kleberit eventuell neu definieren zu können. Die Briefe blieben offenbar unbeantwortet, so dass eine Chance zur Revalidisierung von Kleberit verpasst wurde (STEINIKE & KAEMMEL, 2008).


           Die Redefinition von Pseudorutil

Ian E. GREY, John A. WATTS & Peter BAYLISS nahmen 1994 eine Redefinition von Pseudorutil vor. Fast 30 Jahre, nachdem das Mineral das erste Mal in der Literatur auftauchte, wurde es nun von der International Mineralogical Association anerkannt. Als Typlokalität wird South Neptune Island, South Australia, Australien definiert. Die Autoren geben für das Mineral eine primitive hexagonale Zelle mit a = 2,8667 und c = 4,5985 Å und die Formel Fe3+2Ti3O9 an. Pseudorutil weist eine Farbe von schwarz über verschiedene Brauntöne bis rot und grau auf. Die Dichte liegt bei etwa 3,8 g/cm3. Das Röntgenpulverdiagramm zeigt scharfe und diffuse, asymmetrische Reflexe. Die scharfen Reflexe ließen sich mit der genannten Zelle indizieren, die diffusen Reflexe weisen auf eine inkommensurate Überstruktur auf Grund schlechter Ordnung der Fe- und Ti-Atome hin.
Zu den chemischen Daten beziehen sich die Autoren auf die Untersuchung von GREY & REID (1975). Auf Grund der ähnlichen chemischen und kristallografischen Daten von Pseudorutil und Kleberit gehen GREY et al. (1994) davon aus, dass es sich beim Kleberit um eine hydroxylhaltige Varietät von Pseudorutil mit der idealisierten Zusammensetzung
Fe3+2-XTi3O9-3X(OH)3X
handelt.


           Weitere Untersuchungen an Pseudorutil

ČERNÝ et al. beschrieben 1999 einen Niob-haltigen Rutil aus dem McGuire Granitpegmatit, Park County, Colorado. Der Rutil weist verschiedene Entmischungen auf, darunter auch ein als Niob-haltiger Pseudorutil identifiziertes Mineral mit der Zusammensetzung Fe2+Fe3+(Nb,Ta)Ti2O9. Die Entmischungen weisen nur eine Größe von 3 - 10 x 20 - 60 Mikrometern auf. Eine röntgendiffraktometrische Untersuchung war nicht möglich.
Ein wahrscheinliches Mangan-Analogon von Pseudorutil beschreiben CABRAL & SATTLER (2004) aus Minas Gerais, Brasilien, jedoch nur unvollständig und ohne Namen.

JANSSEN et al. (2007) untersuchten die Verwitterung, Oxidation und Auslaugung von Eisen aus Ilmenit in Autoklavenexperimenten. Hierbei zeigte sich, dass die Alteration in zwei deutlichen Stufen erfolgt, jeweils mit einer scharfen Grenze zwischen der Ausgangsphase und dem Produkt. Der Prozess beginnt an der Oberfläche und entlang von Rissen der Ilmenit-Kristalle. Als erstes Umwandlungsprodukt entsteht Pseudorutil ohne eine Zwischenstufe, offenbar eher durch einen gekoppelten Auflösungs- und Ausfällungsmechanismus als durch kontinuierliche Oxidation und Diffusion von Fe in der festen Phase. In einem zweiten Schritt bildet sich Rutil, wiederum durch Auflösung und Ausfällung. Dabei entsteht ein sehr poröses Produkt.


           Neue Daten zum hydroxylhaltigen Pseudorutil

Eine umfangreiche Untersuchung zum "hydroxylian pseudorutile" (hydroxylhaltigen Pseudorutil) veröffentlichten GREY & LI 2003. Das analysierte Material stammt aus dem Murray Basin in Südost-Australien, ein flaches, intrakratonisches, pliozänes Becken von etwa 300.000 km2 Ausdehnung, das heute Bereiche in South Australia, Victoria und New South Wales umfasst. In den Ilmenitsand-Konzentraten des Murray-Beckens fand sich ein orangerotes, durchscheindendes Mineral in Gehalten bis zu 10 %. Die Röntgenpulverdaten des Materials entsprechen denen von Pseudorutil. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften ähneln denen von "Kleberit". Die Körner weisen eine rhythmische Zonierung und eine hohe Mikroporosität auf. Verunreinigungen durch SiO2 und Al2O3 sind an diese Mikroporosität gebunden. Aus den 543 Analysen für hydroxylhaltigen Pseudorutil lässt sich eine vereinfachte Zusammensetzung (umgerechnet auf Ti = 3) zwischen
Fe3+0.8Ti3.0O4.01(OH)6.48 und Fe3+0.35Ti3.0O4.63(OH)3.74
angeben, während für Pseudorutil im engeren Sinn ein Bereich zwischen
Fe3+1.72Ti2.70O6.80(OH)2.20 und Fe3+0.87Ti3.0O7.30(OH)1.13
gefunden wurde. GREY & LI (2003) geben als idealisierte Formel für den hydroxylhaltigen Pseudorutil Fe3+Ti6O12(OH)3·3H2O bis Fe3+Ti6O11(OH)5·2H2O an. Das molekulare Wasser ist nicht-strukturell, sondern wahrscheinlich adsorbiert an den Oberflächen nano-skaliger Domänen. Die gemessene Dichte liegt unter 3,3 g/cm3. Der niedrige Wert ist offenbar das Resultat der Mikroporosität. Die Autoren diskutieren auch die Frage, ob "Kleberit" eine eigenständige Spezies ist. Auf Grund des relativ engen Feldes in der chemischen Zusammensetzung wird eine Revalidierung von Kleberit für wahrscheinlich gerechtfertigt angesehen (siehe Abbildung unten). Problematisch für eine Abgrenzung ist allerdings, dass Pseudorutil niemals die ideale Zusammensetzung aufweist, sondern immer etwas Hydroxyl enthält.

TETSOPGANG et al. (2003) analysierten hydroxylhaltigen Pseudorutil aus einem Adamellit von Nzibie im Nkambe-Gebiet von Kamerun. Aus den chemischen Analysen (150 Messungen) ergaben sich Zusammensetzungen zwischen
Fe3+1.73Ti2.89O7.77(OH)1.23 und Fe3+0.94Ti2.87O5.29(OH)3.71
(bezogen auf O = 9). Die Daten weisen auf eine kontinuierliche Mischkristallreihe zwischen dem Pseudorutil im engeren Sinn und dem hydroxylhaltigen Pseudorutil (="Kleberit") hin. Die beiden etwas abgesetzten Felder in der Zusammensetzung, wie bei GREY & LI (2003) zeigten sich hier nicht. Die Röntgenpulverdaten konnten mit einer Zelle a = 2,85 und c = 4,57 Å bzw. einer Überstrukturzelle mit a = 14,25 und c = 4,57 Å indiziert werden. Als Punktgruppe wurde 6/mmm gefunden.




Chemische Daten zu Pseudorutil und Kleberit, aus GREY & LI (2003), ergänzt. HPR = hydroxylian Pseudorutile = Kleberit. Hellblauer Punkt: Kleberit-Zusammensetzung aus BAUTSCH et al., (1978), dunkler blauer Punkt: ideale Zusammensetzung von Kleberit.



           Veröffentlichungen von 2006 und 2008 zum Kleberit

Anlässlich des 100. Geburtstages von Will KLEBER erschien 2006 eine Publikation von Klaus STEINIKE, Georg ROHDE & Hans-Joachim BAUTSCH über den Kleberit. Der Artikel geht speziell auf die Entdeckungsgeschichte des Kleberits ein. Neue Daten werden nicht mitgeteilt, sondern die Angaben aus BAUTSCH et al. (1978) und ZEDLER et al. (1978) zusammengefasst. Es werden weder die problematischen Daten, noch die Diskretitierung des Kleberits oder die Beziehung zum Pseudorutil diskutiert oder erwähnt. Statt dessen wird der Kleberit fälschlicherweise als ein von der International Mineralogical Association anerkanntes Mineral bezeichnet.

Klaus STEINIKE & Thomas KAEMMEL veröffentlichen 2008 eine weitere Arbeit über den Kleberit. Die Autoren diskutieren nun die Beziehung zum Pseudorutil und teilen weitere Details zur Geschichte des Kleberits mit. In der Betrachtung der Unterschiede zwischen Pseudorutil und Kleberit setzen STEINIKE & KAEMMEL den Fokus auf zum Teil nur scheinbare oder übertriebene Differenzen in der Dichte und den optischen Daten und betrachten dies als Kriterium für eine mögliche Eigenständigkeit des Kleberits. Für den Pseudorutil wird eine Dichte von 4,20 genannt, obwohl in der Publikation zur Redefinition ein Wert von 3,8 g/cm3 angegeben wird (GREY et al., 1994), und mit einem Wert von 3,28 für Kleberit verglichen, der wiederum ein Mittelwert aus einem ungenannten Bereich darstellt. Unerwähnt bleibt, dass sich aus den Daten von BAUTSCH et al. (1978) eine Dichte von 3,60 berechnet und dass eine hydroxylhaltige, an Eisen verarmte Varietät zwangsläufig eine niedrigere Dichte als der Pseudorutil im engeren Sinn aufweisen muss. Auch liegt der dem Pseudorutil zugeschriebene Wert von 4,20 noch deutlich über der berechneten Dichte der Endgliedzusammensetzung für dieses Mineral und ist schon aus diesem Grund unrealistisch. In dem Vergleich der optischen Eigenschaften lassen die Autoren außer acht, dass es sich in einem Fall um Auflichtdaten, und im anderen Fall Daten im Durchlicht handelt, und auch, dass Variationen in der chemischen Zusamensetzung entsprechend der Gladstone-Dale-Beziehung zu unterschiedlichen optischen Daten führen müssen. Die Angabe der Autoren, dass Kleberit einem anderen Strukturtyp als Pseudorutil angehört, ist eine komplette Fehlinterpretation der veröffentlichten Daten. Korrigiert wird die irrtümliche Angabe in einer früheren Publikation, dass der Kleberit von der IMA anerkannt ist. Bemerkenswerterweise wird für Kleberit immer noch eine Formel mit zweiwertigem Eisen angegeben. Obwohl die veröffentlichten Untersuchungen von GREY & LI (2003) die Probleme um den Kleberit zum größten Teil erklären, bleiben die Ergebnisse weitgehend unberücksichtigt. STEINIKE & KAEMMEL geben noch an, dass hinsichtlich der optischen Daten und in Elektronenbeugungsaufnahmen kein signifikanter Unterschied zwischen dem Kleberit aus deutschen Vorkommen und dem australischen hydroxylhaltigen Pseuorutil besteht.

Ebenfalls 2008 erscheint eine weitere Publikation von Klaus STEINIKE zum Kleberit. Hier wird wieder ausführlich auf die Geschichte des Minerals eingegangen. Erstmals werden zahlreiche Fundpunkte aus Sedimenten des Miozän bis Oligozän vorgestellt, die überwiegend in Sachsen, aber auch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegen.


           Kleberit wird von der International Mineralogical Association anerkannt

Eine Neuuntersuchung des Originalmaterials erlaubte schließlich eine Redefinition und Abgrenzung des Minerals von Pseudorutil nach chemischen und strukturellen Gesichtspunkten. Kleberit wurde bei der IMA eingereicht und unter der Nummer 2012-023 akzeptiert. Ian GREY, Klaus STEINIKE und C.M. MACRAE publizierten die Beschreibung 2013. Das Typmaterial stammt aus tertiären Sanden von Köigshain bei Mittweida in Sachsen, Cotyp-Proben stammen vom Murray Basin, Südost-Australien und Kalimantan, Indonesien. Für den Kleberit konnte jetzt eine ideale Formel Fe3+Ti6O11(OH)5 gefunden werden, die sich von den bisher publizierten Formeln unterscheidet. Kleberit erwies sich als isostrukturell mit Tivanit und kristallisiert wie dieser im monoklinen System, Raumgruppe P21/c, mit den Gitterparametern a = 7,537(1), b = 4,5795(4), c = 9,885(1) Å und β = 131,02(1)°. Vergleichbar zu früheren Untersuchungen zeigte sich eine große Differenz zwischen der gemessenen Dichte von 3,28 g/cm3 und dem berechneten Wert von 3,91 g/cm3. Dieser Unterschied ist auf eine interne Porosität der Körner zurückzuführen, wobei die mittlere Größe der Poren lediglich 18 nm beträgt. Bei der Dichtebestimmung im Pyknometer werden diese winzigen Poren nicht von der Flüssigkeit erreicht. Sie enthalten zum Teil Verunreinigungen wie Kaolinit, Diaspor oder Quarz, wodurch sich auch die deutliche Abweichung der gemessenen von der idealen Zusammensetzung erklärt. Aus der Mikrosondenanalyse von 15 Körnern aus Königshain ließ sich eine empirische Formel Fe3+1.01Mg0.06Ti6O11.2(OH)4.8[Al0.59Si0.31P0.04O1.60·1.8H2O] berechnen. Der Teil in eckigen Klammern repräsentiert die Verunreinigungen aus den Poren.
Die Beziehung zu Tivanit und Pseudorutil wird durch einen Vergleich der Strukturfomeln deutlich:
Kleberit [Ti4+3][Ti4+3Fe3+]O11(OH)5,
Tivanit [Ti4+4][V3+4]O12(OH)4,
Pseudorutil [Ti4+4][(Fe3+, Ti4+)4](O,OH)16.
Die drei Minerale sind isostrukturell und unterscheiden sich hauptsächlich durch die Dominanz Ti4+, V3+ oder Fe3+ auf der M(2) Metallposition.



Chemische Analyse von Pseudorutil bzw. Kleberit (in Masse-%)

     Pseudorutil,
  South Neptune Island,
  South Australia,
  GREY & REID (1975)   
  Kleberit,
  Roda,
  BAUTSCH
  et al. (1978)     
  Kleberit,
  Roda,
  BAUTSCH
  et al. (1978)     
  hydroxylhaltiger
  Pseudorutil,
  Victoria, Australia
  GREY & LI (2003)   
  Kleberit,
  theoretische
  Zusammensetzung     
TiO2   58.84   74.4   71.7   67.9   79.33
Fe2O3   34.65         7.9   13.22
FeO     1.24   10.2   11.3 1)     2.6  
MgO       0.2         0.44  
CaO       0.6     0.8    
BaO       1.9     1.7     0.68  
Al2O3         1.3     3.6  
Mn2O3     0.60         0.14 2)  
Cr2O3       0.3       0.23  
P2O5         0.5     0.47  
V2O5           0.3  
SiO2       2.6     2.6     3.8  
H2O     3.24     9.3     9.3   11.5     7.45
Summe        98.57   99.5   99.2   99.56 100.00

1) entspricht 12.6 % Fe2O3, Summe ist dann 100.5 %.
2) MnO



Kristallographische Daten von Pseudorutil bzw. Kleberit

    TEUFER &
 TEMPLE (1966)
 GREY &
 REID (1975)
 BAUTSCH et al. (1978)
 ZEDLER et al. (1978)
 GREY &
 LI (2003)
 GREY &
 et al. (2012)  
   Pseudorutil  Pseudorutil  Kleberit  hydroxylhaltiger
 Pseudorutil
 Kleberit
Formel  Fe3+2Ti3O9  Fe3+2Ti3O9  Fe2+Ti6O13·3 H2O  Fe3+Ti6O12(OH)3·3 H2O  Fe3+Ti6O11(OH)5  
Kristallsystem  hexagonal  hexagonal  orthorhombisch  hexagonal  hexagonal  monoklin
a (Å)    2.872  14.375    2.8542    2.8542    2.843    7.5259
b (Å)        4.9448        4.5741
c (Å)    4.594    4.615    4.5857    4.5857    4.574    9.854
β (°)            130.784
V (Å3)    32.81  825.9    64.72    32.35    32.02  256.85
Z    0.2 1)    5    0.2 1)    0.1 1)    0.1 1)    
Dgem. (g/cm3)        3.28  < 3.3  
Dber. (g/cm3)        3.60 1)    

1) von den Autoren nicht angegeben



Literatur:
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