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Eine sehr kurze Beschreibung als Eulytin
Der Eulytin weist eine recht kuriose Entdeckungsgeschichte auf, da er innerhalb von
wenigen Jahren dreimal durch August BREITHAUPT unter verschiedenen
Namen beschrieben wurde, ohne dass zunächst bemerkt wurde, dass es sich um
dasselbe Mineral handelt. Es ist deshalb auch recht problematisch, eine echte
Originalbeschreibung des Minerals anzugeben.
Eine sehr kurze Beschreibung mit nur indirekter Fundortangabe findet sich bei August
BREITHAUPT (1823) unter den "unvollständig erkannten Mineralien":
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"Eulytin (Fasrige Grün-Eisenerde, W.). Perlmutter- bis Glasglanz. Farbe, schwarz.
Strich, grau. Kleine aufgewachsene Kugeln mit glänzender Oberfläche. Auseinander
laufend strahlig-fasrig. H. 6. Sehr spröde. G. unbekannt."
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In einer Erläuterung schreibt BREITHAUPT weiter:
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"Der Eulytin hat mit dem Eisengrün auch nicht ein Kennzeichen, sey es mineralogisch
oder chemisch, sondern nur das Vorkommen gemein. - Auffallend ist sein Verhalten vor
dem Lötrohre, weil er ungemein schnell zu einer
ziemlich durchscheinenden Glasperle schmilzt. Darnach wählte ich auch die obige
Benennung von εύλυτος, leicht schmelzbar.
Wahrscheinlich enthält er Flusssäure."
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Mit dem Vorkommen ist Schneeberg gemeint. Rätselhaft ist, dass BREITHAUPT
den Eulytin mit der "Fasrigen Grün-Eisenerde" von Abraham Gottlob WERNER
gleichsetzt, aber gleichzeitig anmerkt, dass die Eigenschaften nicht übereinstimmen. In
dem von WERNER aufgestellten Mineralsystem findet sich unter dem "Eisen-Geschlecht"
die "Grüne Eisenerde" und hier als Unterart die "fasriche Grün Eisenerde". Das
Mineralsystem wurde von August BREITHAUPT nach dem Tod WERNERs
1817 herausgegeben und mit Erläuterungen versehen. Leider gibt es jedoch gerade zu dem
fraglichen Mineral außer dem Namen keinerlei weitere Angaben.
Wismuthblende aus Schneeberg
Unter der deutschen Bezeichnung "Wismuthblende" veröffentlicht BREITHAUPT
(1827 a) eine recht ausführliche Beschreibung eines Minerals aus Schneeberg:
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"Sie zeigt im Innern Demantglanz, der sich zuweilen zum Fettglanz, seltner zum
Glasglanze hinneigt. Von Farbe erscheint sie gewöhnlich nelkenbraun
und röthlichbraun, meist ausgezeichnet, selten licht oder dunkel. Auch findet
sich ein Mittel zwischen nelken- und gelblichbraun, und nur einige Kryställchen
waren wachsgelb. Das Nelkenbraun verläuft sich in kugligen Gestalten ins
Schwärzlichbraune und Bräunlichschwarze. Im Striche blass
bis dunkel gelblichgrau, zuweilen ins Rauchgraue geneigt. Sie wechselt vom
Undurchsichtigen bis zum Halbdurchsichtigen und ist dann höchst wahrscheinlich
von einfacher Strahlenbrechung. Die Krystallisationen sind tesserale."
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Das tesserale System wird heute als kubisch bezeichnet. Als Formen, die einzeln oder in
Kombination auftreten, gibt August BREITHAUPT Tetraeder, Würfel und
"pyramidale Dodekaëder" in unterschiedlicher Stellung an.
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"Die Krystalle sind meist sehr klein, manchmal nur mikroskopisch, aber ungemein deutlich
und schön. Gewöhnlicher ist eine kugliche Zusammenhäufung derselben,
welche in kugliche und getropfte besondere äussere Gestalten übergeht
[...]. Die Spaltbarkeit ist nur unvollkommen rhombendodekaedrisch,
man erhält aber gewöhnlich ziemlich vollkommen muschligen Bruch, der in
den zusammengesetzten Partieen ins Unebene übergeht. Härte = 5,5 bis 6,0
(d.i. vom Mittel zwischen Flussspath und Apatit bis zu letzterem). Nicht sonderlich schwer
zerspringbar. Spröde. Specifisches Gewicht = 5,912; 5,965; 6,006 in
verschiedenen Partiien von Bruchstücken und Kryställchen" [...].
Seit Jahren schon bin ich auf dieses Mineral aufmerksam gewesen. Ich hielt es aber immer
für Zinkblende. Im vorigen Jahre jedoch überschickte mir Herr Obereinfahrer Scheidhauer
zu Schneeberg dasselbe in einigen Exemplaren, die mir endlich eine mineralogische
Bestimmung erlaubten, und an welchen ich zuerst seine Krystallisation sah. Dieses
Vorkommen ist vom Neuglücker Stollnort von Kalbe Fdgr. bei Schneeberg im Erzgebirge, und
wird von Quarz, Wismuthoker, selten von gediegenem Wismuth begleitet. [...]. Bei
dem mir früherhin bekannten Vorkommen sitzt die Wismuthblende in kleinen kuglichen
Gestalten mit Kobaltblüthe auf einem Gemenge von Kobaltkies, Quarz und Wismuth. Dieses
brach auf der Grube Gesellschaft bei Schneeberg ein, und ich kene es seit wenigstens
acht Jahren."
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Etwas verwunderlich aus heutiger Sicht ist zunächst, dass BREITHAUPT
in der Beschreibung der "Wismuthblende" (1827 a) den Namen "Eulytin" nicht erwähnt.
Er ging jedoch bei der Veröffentlichung der Wismutblende davon aus, dass es sich um
um ein davon verschiedenes Mineral handelt.
Arsenik-Wismuth aus Schneeberg
Weder der Artikel über den Eulytin noch der über die Wismutblende stellen jedoch
streng genommen die erste Beschreibung des Minerals dar. In dem eingangs schon erwähnten
Mineralsystem von Abraham Gottlob WERNER findet sich als Spezies ein
"Arsenik-Wismuth" unter dem "Wismuth-Geschlecht". August BREITHAUPT
liefert die Beschreibung zu dem Mineral (WERNER & BREITHAUPT, 1817):
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"Durch den Arsenik-Wismuth ist dem Wismuth-Geschlecht eine interessante neue Gattung
zugewachsen, welche noch gar nicht bekannt ist, aber auch eine mineralische Seltenheit
zu seyn scheint. Es ist durch folgende Kenzeichen charakterisirt:
Von Farbe dunkel haarbraun,
von Gestalt eingesprengt und in kleinen aufgewachsenen Kugeln und Halbkugeln.
Aeusserlich mat und zum Theil mit einem weislichen Uiberzug;
inwendig wenigglänzend bis starkschimmernd, von einer Art des Fetglanzes.
Der Bruch ist undeutlich faserig, büschel- und sternförmig aus einander
laufend, verläuft sich aber auch ins dichte unebene.
Er dürfte in splittrige und keilförmige Bruchstükke springen;
ist weich,
etwas spröde,
wahrscheinlich leicht zerspringbar
und schwer.
Der Arsenik-Wismuth hat im Aeussern wol eine ziemliche Verwandschaft mit der fasrigen
braunen Blende (Schalenblende), ist jedoch immer sehr wesentlich davon, durch Farbe,
Weiche, etc. verschieden. [...]
Die schönsten Abänderungen sind, mit Quarz und Hornstein brechend, von
Neuglück zu Schneeberg, andere von Adam Heber ebendaselbst. B."
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Das "B" am Ende kennzeichnet eine durch BREITHAUPT erstellte Beschreibung.
Ob eine Fehlanalyse oder die Untersuchung von einem Gemenge den Anlass zu der Bezeichnung
"Arsenik-Wismuth" durch WERNER gegeben hat, lässt sich heute nicht
mehr feststellen.
Arsenik-Wismuth = Wismuthblende = Eulytin
Kurz nach der Beschreibung der Wismutblende stellt August BREITHAUPT
(1827 b) fest, dass es sich bei dem Arsenik-Wismuth, der Wismutblende und dem Eulytin
um dasselbe Mineral handelt:
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"Herr Bergrath Freiesleben machte mich auf die Aehnlichkeit des Werner'schen
Arsenik-Wismuth's mit der kugelich zusammengehäuften Wismuthblende
aufmerksam, und ich fand in der That sehr bald, dass beide Mineralien identisch seyen.
[...] Nun erinnerte ich mich, ein in gewisser Art ähnliches Verhalten vor
dem Lötrohre mit der faserigen Grüneisenerde Werner's einmal gehabt
zu haben, und forschte nach, ob dieselbe vielleicht ebenfalls hieher gehören
könne. Denn dass sie nicht einerlei mit der dichten Grüneisenerde, mit dem
Eisengrün sey, davon hatte ich mich schon überzeugt; ich nannte sie
Eulytin und machte bemerklich, dass dieser mit dem Eisengrün auch nicht
ein Kennzeichen, weder ein äusseres noch ein chemisches, gemein habe. Selbst
in seiner Farbe zeigt der Eulytin nie etwas Grün; sitzt er aber auf Eisengrün,
so kann man sich täuschen und einen auf der glatten Oberfläche bemerklichen
grünlichen Widerschein für Farbe halten. - Die richtige Bestimmung der
Wismuthblende vereinfacht also das Mineral-System, anstatt es zu vermehren. Obwohl
es nicht zu bezweifeln ist, dass Wismuthblende, Arsenikwismuth, und Eulytin eine
Spezies ausmachen: so möchte ich für dieselbe doch nur den neuesten Namen
im Gebrauche wissen".
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Mit dem neuesten Namen meinte BREITHAUPT die Wismutblende.
Albin WEISBACH untersuchte 1877 das Material erneut und kam zu einem
anderen Ergebnis:
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"Bismutosphärit. (Werners Arsenikwismuth). Das Werner'sche Arsenik-Wismuth, von welchem
bekanntlich zuerst Breithaupt im Jahre 1817 eine Charakteristik nach Musterstücken der
von Werner hinterlassenen Sammlung veröffentlicht hat, ist vor einigen Jahren von Herrn
Hüttenchemiker Frenzel als ident mit einer durch Denselben neuaufgestellten und zu Ehren
Agricola's benannten problematischen Mineralspecies von der chemischen Zusammensetzung
des Eulytin angesprochen worden. Diese Behauptung hatte mich seiner Zeit veranlasst,
im Werner-Museum die Originalstufen [...] zu besichtigen".
|
Das Material vom Neuglück-Spatgang, Adam Heber und Siebenschleen Fundgrube, Neustädtel,
Schneeberg, entsprach BREITHAUPTs Beschreibung, es bildete kugelige,
konzentrisch-schalige Aggregate von hellgelber, hellbrauner bis hin zu schwarzer Farbe.
Unabhängig von der Farbe löste sich das Material ohne Rückstand unter Aufbrausen in
verdünnter Salzsäure. Die Härte bestimmte er als 3, die Dichte zu 7,28 bis 7,32. Die
chemische Analyse (siehe Tabelle unten) wurde von Clemens WINKLER
vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass das Mineral
|
"wasserfreies neutrales Wismuthcarbonat ist. Wir belegen dasselbe mit dem Namen
Bismutosphärit. Die bisher analysirten natürlichen Wismuthcarbonate enthalten sämmtlich
mehrere Procente Wasser und weniger Kohlensäure, sind also basische Wismuthhydrocarbonate."
|
Als Formel für das Mineral gibt WEISBACH "Bi2CO5"
an. Diese Formel entspricht exakt der für Bismutit heute gültigen. Bei WERNERs
Arsenik-Wismut handelt es sich also vermutlich zum Teil um Eulytin und zum Teil um Bismutit.
Weitere neue Namen für das Mineral
1832 führt August BREITHAUPT das Mineral in seiner dritten Auflage
der Vollständigen Charakteristik des Mineral-Systems als "Wismutisches Blende-Erz
[Wismutblende, Eulytin, Br.]" auf. Nach einer Analyse von Carl Moritz
KERSTEN (1833), in der er überwiegend "Kieselsäure" fand,
wurde das Mineral Kieselwismuth genannt.
Die von James Dwight DANA 1837 in seinem "System of Mineralogy" sowie
von Ernst Friedrich GLOCKER 1847 in seiner Mineralsystematik "Generum
et Specierum Mineralium" entsprechend dem LINNÉschen Prinzip einer
binomialen lateinischen Nomenklatur aufgestellten Namen "Bismutalus dodecahedrus" bzw.
"Eulytinus saxonicus" blieben beide bedeutungslos.
International setzte sich schließlich die von James Dwight DANA (1868)
gewählte Variante "Eulytite" durch. Inzwischen kehrte man offiziell jedoch zu der
ursprünglichen Schreibweise zurück, die korrekte Schreiweise im Englischen ist nach
der von der IMA herausgegebenen Liste der Minerale jetzt "Eulytine" (zusammengestellt
von Marco PASERO, Stand Januar 2017).
Eulytin als radialstrahliges Aggregat. Grube Roter Ochse, Schneeberg, Erzgebirge,
Sachsen. Bildbreite 9 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
Chemische Analysen von Eulytin
Auf Grund der Ähnlichkeit im Aussehen mit der Zinkblende nahm August BREITHAUPT
(1827 b) zunächst ein damit verwandtes Bismut-Mineral an:
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"Meine erste Vermuthung über die Gehalttheile dieses Minerals ging dahin, Wismuth
und Schwefel als wichtigste Constituenten zu finden. Wismuth war bald aufgefunden;
allein nicht so kam es mit dem Schwefel."
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Nach einigen Versuchen nahm BREITHAUPT nun einen wesentlichen Phosphorgehalt
an, vermutete aber noch weitere Komponenten. Mangels Material konnte BREITHAUPT
jedoch keine komplette Analyse anfertigen.
Eine erste chemische Analyse wurde von M. HÜNEFELD bereits 1828 publiziert.
Das Material war aber offenbar stark verunreinigt, denn er fand es als im wesentlichen
aus Bismutcarbonat und Bismutsilikat bestehend (siehe Tabelle unten).
BREITHAUPT erklärt 1828 zu den Ergebnissen von HÜNEFELD:
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"Hr. Prof. Hünefeld kann das Mineral, was ich unter diesen Namen (Wismuthblende)
verstehe, bei seiner Analyse wohl nicht in den Händen gehabt haben; wahrscheinlich
hat er ein Gemenge von Wismuthocker und Quarz zerlegt."
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Jöns Jacob BERZELIUS schreibt 1830 dagegen, dass das analysierte
Material von BREITHAUPT selber stammt:
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"Im vorigen Jahresb., pag. 198, habe ich Hünefeld's Analyse der von Breithaupt
beschriebenen und so genannten Wismuthblende mitgetheilt. Von diesem Mineral hatte
Breithaupt schon vorher erklärt, es enthalte Phosphor und Wismuth, wenn auch nicht
frei von Sauerstoff; jedoch bezweifelte er, dass es eine vollkommene phosphorsaure
Verbindung sei. Nachdem ihm Hünefeld's Analyse bekannt geworden war, zweifelte er
daran, dass dieser wirklich Wismuthblende zur Analyse gehabt habe, es sei dies vielmehr
ein Gemenge von Wismuthocker mit Quarz gewesen. So viel ist jedoch gewiss, dass die von
Hünefeld analysirte Substanz mir von Hrn. Breithaupt zugeschickt worden war, und
die nelkenbraune Farbe hatte, die er von jenem Mineral angibt. Da Kersten eine neue
Untersuchung von diesem Mineral vorgenommen hat, so können wir hierüber bald
in's Klare kommen."
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Die angekündigte Analyse von Carl Moritz KERSTEN erschien erst 1833.
Er hatte ebenfalls Material von BREITHAUPT erhalten und kam nach seinen
Untersuchungen zu dem Schluss:
|
"Die Wismuthblende und das Arsenikwismuth bilden jedenfalls eine eigenthümliche
Mineralspecies, aber eben so wenig eine Blende, als ein Arsenikmetall im chemischen
Sinne, sondern der Hauptmasse nach ein Wismuthoxydsilicat oder Kieselwismuth.
Die Zusammensetzung dieser Species könnte durch die Formel ,
verbunden mit etwas kieselsaurem und phosphorsaurem Eisen und Eisenfluorid, bezeichnet
werden. Diese Annahme setzt jedoch einen etwas grösseren Wismuthoxydgehalt voraus,
als wirklich stattfindet, berücksichtigt auch zu wenig die Phosphorsäure. Aus
diesen Gründen scheint es wohl angemessener, das Kieselwismuth als eine
Verbindung eines Silicats mit basisch phosphorsauren Oxyden, und einem Fluormetall,
auf deren, gewiss sehr verbreitetes Vorkommen in der Natur, Berzelius aufmerksam gemacht
hat, zu betrachten und seine Zusammensetzung durch die Formel
auszudrücken."
|
Die Punkte in der Formel von KERSTEN repräsentieren Sauerstoff, die
Querstriche eine Verdoppelung des jeweiligen Elements.
In einem Brief vom 21. November 1834 an Geheimrat VON LEONHARD
teilt KERSTEN (1835) in einer kurzen Notitz mit, dass es sich bei dem
Mineral um ein reines Bismutsilikat handelt, ohne jedoch eine Formel zu nennen:
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"Die irriger Weise für eine Blende, und von Herrn P. HÜNEFELD
für ein Gemenge gehaltene, sogenannte Wismuth-Blende habe ich als reines
Wismutoxyd-Silikat erkannt und dieses Mineral krystallisirtes Kiesel-Wismuth genannt."
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Das korrekte Bi:Si-Verhältnis hatte KERSTEN jedoch schon 1833 erkannt.
Carl Friedrich RAMMELSBERG (1841) nimmt an, dass das Bismutoxid als
BiO betrachtet werden muss und das Eisen nicht zu der Formel gehört. Er hält
das Mineral für "5(Bi3Si2O9)
+ Bi4P2O9"
(Fomel übertragen aus der Schreibweise nach BERZELIUS), und im
Gemenge mit einem "Wismuthfluosilikat" vorliegt.
Weitere chemische Analysen wurden durch Gerhard VOM RATH
(1869) durchgeführt. Seine Werte liegen sehr dicht an der theoretischen Zusammensetzung
des Minerals. Er konnte kein Fluor in dem Mineral finden und von Phosphor lediglich Spuren.
VOM RATH betrachtet den Eulytin deshalb als kieselsaures
Wismutoxid und stellt die Formel
Bi4Si3O12
auf, die auch heute noch für das Mineral gültig ist. Er stellt weiterhin fest,
dass es im Mineralsystem eine neue Stellung einnimmt, da es kein bekanntes Mineral mit
analoger Zusammensetzung gibt.
Die durch VOM RATH (1869) gefundene Zusammensetzung wurde
durch eine moderne Analyse mittels Mikrosonde von einem Eulytin aus Schneeberg für das
RRUFF-Projekt (DOWNS 2006 / 2017) bestätigt.
Weitere Untersuchungen am Eulytin
Gerhard VOM RATH (1869) fand für den Eulytin eine
Dichte von 6,106, die etwas über den Werten früherer Bestimmungen lag. Er
führt das auf Beimengungen von Quarz oder Eisenstein bei den älteren Messungen
zurück.
Émile BERTRAND beschrieb 1881 die Kristallformen von Eulytin und
dessen Verwachsungen. Bei der Betrachtung im polarisierten Licht fand BERTRAND,
dass Eulytin optisch einachsig negativ ist. Ein kubisch kristallisierendes Mineral sollte
jedoch optisch isotrop sein. Solche optischen Anomalien fand BERTRAND
auch beim Analcim.
Bei Röntgenbeugungsanalysen fand G. MENZER (1931) eine völlige
Übereinstimmung mit kubischer Symmetrie. Das Mineral kristallisiert in der Raumgruppe
I43d und weist einen
Gitterparameter a = 10,272 Å auf. Es sind 4 Formeleinheiten pro Zelle
vorhanden. MENZER konnte die Positionen der Bismutatome im Gitter bestimmen,
für die Positionen von Sauerstoff und Silizium stellte er zwei Modelle auf. Die
berechnete Dichte beträgt 6,82, die gemessene liegt bei 6,6 ± 0,2
g/cm3.
Durch Neutronenbeugungsanalysen konnten SEAGAL et al. (1966) die Atompositionen
verfeinern und eines der Strukturmodelle von MENZER bestätigen. Im
Eulytin werden die isolierten Silikat-Tetraeder durch irregulär koordiniertes Bismut
verbunden. Eine Strukturverfeinerung publizierten LIU & KUO
(1997). Für synthetisches Material fanden sie den Gitterparameter a = 10,2867 Å.
Ein natürliches, zum Eulytin isostrukturelles Mineral ist bis heute nicht bekannt.
Dagegen gibt es eine Reihe synthetischer Verbindungen mit gleicher Struktur, wie z.B. das
Bismutgermanat Bi4(GeO4)3.
Eulytinkristalle aus BREITHAUPT (1827).
Agricolit = Eulytin
August FRENZEL (1873 a) erhielt von Ernst Fürchtegott ZSCHAU
ein als "Bleigummi" bezeichnetes Material von der Grube Vereinigt Feld in Johanngeorgenstadt
zur Untersuchung. Das Mineral bildet kleine weingelbe bis farblose, wasserhelle Kügelchen
auf Quarz in Begleitung von Wismut und Chloanthit (Nickel-Skutterudit). FRENZEL
fand bei der Analyse eine Zusammensetzung, die völlig mit der von Eulytin übereinstimmte.
Paul GROTH teilte in einem Schreiben FRENZEL mit, dass das Mineral
doppelbrechend sei, also nicht kubisch sei, und dass es monoklin kristallisiert und es sich
wohl um Atelestit handelt (offenbar kannte GROTH das Ergebnis der chemischen
Analyse noch nicht). FRENZEL hielt darauf hin das Bismuthsilikat für
dimorph. Er schreibt dazu:
|
"Das monokline Mineral ist demnach ein neues, und es sei mir erlaubt, dem am 21. Oct. 1555 zu
Chemnitz verstorbenen, bekannten sächsischen Arzt und Mineralogen GEORG
AGRICOLA ein kleines Denkmal zu setzen und das Mineral ihm zu Ehren Agricolit
zu nennen."
|
FRENZEL gibt an, dass das Mineral auch in Schneeberg vorkommt, in
konzentrisch-faserigen Kugeln, neben Eulytin-Kristallen. In einer weiteren Mitteilung aus dem
gleichen Jahr schreibt FRENZEL (1873 b), dass der Agricolit mit WERNERs
"Arsenik-Wismuth" von 1817 identisch sei, zu dem BREITHAUPT die Charakteristik
verfasst hatte.
Eine Untersuchung von Eulytin und Agricolit durch Clifford FRONDEL (1943) zeigte,
dass beide völlig identische Röntgenpulverdaten aufweisen. Die Brechungsindizes
schwanken etwas, sind aber für beide vergleichbar und liegen bei 2,04. Agricolit ist
optisch schwach doppelbrechend. FRONDEL kommt zu dem Schluss, dass Agricolit
mit Eulytin identisch ist und letzterem die Priorität zukommt.
Chemische Analysen von Eulytin (Wismuthblende, Kieselwismuth) (in Masse-%)
|
Wismuthblende, Schneeberg, HÜNEFELD (1828) |
Bismutcarbonat |
58.8 |
Bismutarsenat |
2.2 |
Bismutsilikat |
23.8 |
Co-, Cu- und Fe-Arsenat |
5.9 |
Gangart |
9.1 |
Summe |
99.8 |
|
Komponenten nach KERSTEN |
Kieselwismuth, Schneeberg, KERSTEN (1833) |
Kieselwismuth, Schneeberg, VOM RATH (1869) |
Eulytin, Schneeberg, DOWNS / RRUFF Project 1) |
Eulytin, theoretische Zusammensetzung
|
SiO2 |
Kieselsäure |
22.23 |
16.53 |
15.55 |
16.21 |
Bi2O3 |
Wismuthoxyd |
69.38 |
82.23 |
82.90 |
83.79 |
P2O5 |
Phosphorsäure |
3.31 |
|
|
|
As2O3 |
|
|
|
1.12 |
|
Sb2O3 |
|
|
|
0.02 |
|
Fe2O3 |
Eisenoxyd |
2.40 |
1.15 |
|
|
Mn2O3 |
Manganoxyd |
0.30 |
|
|
|
H2O, HF |
Wasser und Flusssäure |
1.01 |
|
|
|
HF, Verlust |
Flusssäure und Verlust |
1.37 |
|
|
|
Summe |
|
100.00 |
99.90 |
99.59 |
100.00 |
1) Mikrosondenanalyse, Mittelwert aus 15 Messungen. Probe Nr. 16129
aus dem Mineral Museum, University of Arizona
Literatur:
BERTRAND, É. (1881): Forme crystalline de l'Eulytine.- Bulletin de la
Société Minéralogique de France 4, 61-63
BERZELIUS, J.J. (1830): (Wismuthblende).- Jahres-Bericht über die
Fortschritte der physischen Wissenschaften 9, Tübingen, p. 197
BREITHAUPT, A. (1823): Vollständige Charakteristik des Mineral-Systems.-
Dresden, Arnoldische Buchhandlung, 2. Auflage, p. 160-161 und 257
BREITHAUPT, A. (1827 a): Wismuthblende, eine neubestimmte Species des
Mineralreichs.- Annalen der Physik und Chemie 85 (= Poggendorffs Annalen der Physik und
Chemie 9), 275-281
BREITHAUPT, A. (1827 b): Beitrag zur Kenntniss der Wismuthblende, namentlich
in Bezug auf ihr chemisches Verhalten.- Jahrbuch der Chemie und Physik 20, 307-312
BREITHAUPT, A. (1828): Ueber Wismuthblende und Gediegen - Gold vom Ural.-
Journal für Chemie und Physik 54 (= Jahrbuch der Chemie und Physik 24), 237
BREITHAUPT, A. (1832): Vollständige Charakteristik des Mineral-System's.-
Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, 3. Auflage, 358 p. (p. 239)
DANA, J.D. (1837): A system of mineralogy: including an extended treatise on
crystallography: with an appendix, containing the application of mathemathics to
crystallographic investigation, and a mineralogical bibliography.- New Haven, Durrie &
Peck, and Herrick & Noyes, 452 p. + 119 p. Appendix (p. 210)
DANA, J.D. (1868): A System of Mineralogy. Descriptive Mineralogy, comprising
the most recent discoveries. - London, Trübner & Co., New York, John Wiley & Son,
5th edition, 827 p. (p. 391-392)
DOWNS, R.T. (2006): The RRUFF Project: an integrated study of the chemistry,
crystallography, Raman and infrared spectroscopy of minerals.- Program and Abstracts of the
19th General Meeting of the International Mineralogical Association in Kobe, Japan. O03-13.
Daten von Webseite http://rruff.info/Eulytite/R060058 (zuletzt abgerufen 05.01.2017)
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für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1873, 791-794
FRENZEL, A. (1873 b): Mittheilungen an Professor H.B. Geinitz. (Über Zeunerit
und Agricolit) Freiberg den 18. November 1873.- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie
und Palaeontologie, Jahrgang 1873, 946-948
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bismuth arsenates.- American Mineralogist 28, 536-540
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SEAGAL, D.J.; SANTORO, R.P. & NEWNHAM, R.E. (1966):
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WEISBACH, A. (1880): Mineralogische Notitzen I. 1. Hypargyrit. 2. Lepidophäit. 3.
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Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Jahrgang 1880, Band II, 109-114
WERNER, A.G. & BREITHAUPT, A. (1817): Abraham Gottlob Werner's
letztes Mineral-System. Aus dessen Nachlasse auf oberbergamtliche Anordnung herausgegeben und
mit Erläuterungen versehen.- Freyberg und Wien, bey Craz und Gerlach und bey Carl Gerold,
58 p. (p. 23 und 56-57)
|