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Diaphorit


Formel: Ag3Pb2Sb3S8, monoklin

Typlokalität: Bräunsdorf bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen (und Přibram, Böhmen, Tschechische Republik)

Erstbeschreibung:
ZEPHAROVICH, V. Ritter von (1871): Über Diaphorit und Freieslebenit.- Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Akademie der Wissenschaften (Wien) 63, 130-156




Diaphorit-Kristalle. Grube Neue Hoffnung Gottes, Bräunsdorf bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Bildbreite 1,3 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



          Das Kristallsystem von Freieslebenit

Seit den ersten Beschreibungen von dem Silber-Blei-Antimonsulfid Freieslebenit durch Jean-Baptiste Luis ROMÉ DE L'ISLE 1783 als "Mine d'antimoine grise tenant argent" und Johann Carl FREIESLEBEN 1817 als "Schilfglaserz" gab es zahlreiche unterschiedliche Angaben zu dessen Kristallsystem. William PHILLIPS (1823), Armand LÉVY (1837) und Johann Friedrich Ludwig HAUSMANN & Friedrich WÖHLER (1839) hielten das Mineral für orthorhombisch, Henry James BROOKE & William Hallowes MILLER (1852) nach Messung an einigen guten Kristallen aus BROOKEs Sammlung für monoklin, NARANJO Y GARZA (1855) beschrieb Kristalle aus Spanien wiederum als orthorhombisch und August BREITHAUPT (1866) hielt Freieslebenit aus dem Freiberger Revier für triklin. Der Fund von "Freieslebenit" an einem dritten Fundort, Přibram in Böhmen, und die differierenden Angaben zum Kristallsystem veranlassten den österreichischen Mineralogen Viktor Leopold Ritter VON ZEPHAROVICH (1871), sich intensiver mit dem Mineral zu beschäftigen.


          Eine neue Spezies zwischen den Exemplaren von Freieslebenit

ZEPHAROVICH erhielt zur Untersuchung Kristalle aus der Wiener Universität, des k. k. Mineralienkabinetts Wien, der Prager Universität, von Herrn KASER aus Přibram, von August BREITHAUPT aus Freiberg sowie von Dr. KRANTZ aus Bonn.
"Die Resultate, zu welchen mich meine Untersuchungen, von so mancher Seite, wie eben erwähnt, auf das freundlichste gefördert, führten, sind nun die folgenden:
1. Die bisher als Freieslebenit bestimmten Minerale gehören zwei verschiedenen Species, einer monoklinen und einer rhombischen an.
2. Diese beiden Species, welche eine gleiche chemische Zusammensetzung besitzen, sind im specifischen Gewichte verschieden.
3. Die Substanz Ag4Pb3Sb4S11, wäre demnach, wenn es gestattet ist von den geringen Differenzen der vorliegenden chemischen Analysen abzusehen, eine dimorphe.
4. Die rhombische Species, für welche ich den Namen Diaphorit, von diaphora Unterschied wähle, kommt in Pribram ausschliessend, untergeordnet neben Freieslebenit auch in Freiberg vor.
5. Die monokline Species der Freieslebenit, dessen Formen übereinstimmend mit Brooke und Miller's Angaben befunden werden, erscheint vorwaltend in Freiberg, ferner in Hiendelaencina".

Viktor Leopold Ritter VON ZEPHAROVICH (1871) geht sehr ausführlich auf die komplizierte Vermessung der Kristalle und Zwillinge aus Přibram ein. Aus den gewonnenen Daten ermittelt er ein rhombisches Kristallsystem mit den Achsenabschnitten a : b : c = 1 : 0,4919 : 0,7344. ZEPHAROVICH merkt jedoch an:
"Der Habitus der Diaphorit-Formen ist entweder ein entschieden rhombischer oder, und zwar recht häufig, ein monokliner, in welch' letzterem Falle, da auch die Kantenwinkel ähnliche sind, eine Verwechselung mit dem Freieslebenit leicht eintreten kann".


          Die Eigenschaften von Diaphorit

ZEPHAROVICH schreibt zu den Eigenschaften, dass REUSS an den Kristallen von Přibram eine Spaltbarkeit parallel "∞P" festgestellt hat, wobei unsicher ist, ob dies (110) nach seinen Vermessungen entspricht, da die Seltenheit des Materials und die geringe Größe keine Bestimmung der Spaltbarkeit zuließ.
"Der Bruch ist uneben in's kleinmuschelige übergehend. Die Härte liegt zwischen Steinsalz und Calcit. Die Substanz ist in hohem Grade spröde. Zur Ermittlung des specifischen Gewichtes wurden mit grösster Sorgfalt zwei Wägungen einer Anzahl von gemessenen und auf ihre Reinheit geprüften Kryställchen im Piknometer vorgenommen. [...] bei 19°C ergaben die Bestimmungen 5.919 und 5.885, daher im Mittel 5.902 als spec. Gewicht des Diaphorit. [...] Die Diaphorit-Krystalle sind stahl- bis bleigrau, stark metallglänzend, zuweilen sind sie dunkel angelaufen und matt. [...]
Diaphorit von Bräunsdorf bei Freiberg.
Unter den Exemplaren, welche mir Dr. Krantz aus seiner Privatsammlung sandte, erregte eines von Bräunsdorf in Sachsen mein besonderes Interesse, da an einem isolirt aufgewachsenen Kryställchen desselben durch Dauber eine flächenreiche Freieslebenit-Combination bestimmt worden war. Am Reflexionsgoniometer ergab sich aber alsbald, dass hier Diaphorit und nicht Freieslebenit vorliege [...]".
Einen weiteren, etwas besser ausgebildeten Kristall sowie einen Zwilling von dieser Stufe konnte ZEPHAROVICH ebenfalls goniometrisch vermessen.
"Das Vorkommen des Diaphorit in Bräunsdorf ist somit sichergestellt und es unterliegt keinem Zweifel, dass man es auch an anderen Freiberger 'Freieslebenit'-Stücken auf Grundlage von Messungen nachweisen werde".

Neue Dichtemessungen am Diaphorit wurden von Carl VRBA 1878 veröffentlicht. Seine Messungen an Kristallen von Přibram ergaben einen mittleren Wert von 6,040. Die chemische Analyse wurde von Prof. Th. MORAWSKI durchgeführt. VRBA errechnet daraus eine Formel " (Ag2Pb)5Sb4S11 ", die sowohl für Diaphorit als auch für Freieslebenit gilt, da die Verbindung als dimorph angenommen wurde.


          Weitere kristallografische Untersuchungen

Nach der Beschreibung durch ZEPHAROVICH (1871) konnte für mehrere Jahrzehnte der Kenntnis über das Mineral nichts Wesentliches hinzugefügt werden. Erst 1938 veröffentlichten Charles PALACHE, W.E. RICHMOND & Horace WINCHELL eine neue Studie zum Diaphorit. Die Autoren untersuchten einen sehr komplex ausgebildeten Kristall aus Freiberg, der 114 Flächen aufwies, die zu 56 Formen gehörten. Die Vermessung des Kristalls ergab orthorhombische Symmetrie und ein Achsenabschnittsverhältnis von a : b : c = 0,4953 : 1 : 0,1840. Die Werte sind vergleichbar mit denen von ZEPHAROVICH, bei dem jedoch c den vierfachen Wert aufweist. Bei Einkristall-Röntgenanalysen fand sich eine orthorhombische Zelle und die Raumgruppe Cmma mit a = 15,83, b = 32,23, c = 5,89 Å und V = 3007 Å3. Eine Dichtemessung ergab 5,97 g/cm3. Aus zwei alten chemischen Analysen an Material von Přibram errechneten die Autoren eine Formel Ag3Pb2Sb3S8 mit Z = 8. Ein Vergleich mit den Daten von Freieslebenit zeigte, dass es sich sehr wahrscheinlich nicht um dimorphe Minerale handelt.

Eine weitere Studie zur Struktur von Diaphorit führte Erwin HELLNER (1958) durch. Er untersuchte Kristalle von Přibram, Freiberg und Hiendalaencina, darunter auch Originalproben von PALACHE et al. (1938). HELLNER fand monokline Symmetrie (C21/a), wobei die Gitterparameter a = 15,849, b = 32,084, c = 5,901 Å und γ = 90°10' sehr dicht an denen der vorher bestimmten orthorhombischen Zelle liegen. Durch Transformation lässt sich daraus eine nur halb so große Zelle (P21/a) mit a = 15,849, b = 17,914, c = 5,901 Å, γ = 116°25,5' und Z = 4 erhalten. Die Kristallstruktur lässt sich als deformiertes PbS-Gitter beschreiben.

Eine Strukturanalyse an einem verzwillingten Kristall von Přibram führten ARMBRUSTER et al. (2003) durch. Sie bestätigten die monokline Symmetrie (Raumgruppe P21/c, in Standard-Aufstellung) und geben die Gitterparameter a = 17,852, b = 5,887, c = 15,809 Å, β = 116,17° und eine Dichte von 6,06 g/cm3 an. Die Verteilung der einzelnen Kationen auf den Gitterplätzen wurde geklärt, wobei sich zeigte, dass die gefundene Struktur eine Familie oder Überlagerung von vier möglichen Strukturen mit geordneter Verteilung von Ag+ und Pb2+ auf einem speziellen Gitterplatz darstellt.


          Der Brongniardit

Wie bei einigen anderen Mineralen, existiert auch beim Diaphorit eine frühere Beschreibung unter einem anderen Namen, ohne dass dies zunächst bemerkt wurde. Bereits 1849 beschrieb A. DAMOUR ein Mineral aus Mexico (tatsächlich aber von Potosi, Bolivien, PRIOR & SPENCER, 1898) unter dem Namen Brongniardit, benannt nach dem französischen Mineralogen Alexandre BRONGNIART. Das grauschwarze, metalisch glänzende und nur in einer derben Probe vorliegende Mineral wies eine Dichte von 5,950 auf. DAMOUR stellte fest, dass die chemische Zusammensetzung ähnlich der des "Schilfglaserzes" ist, als Formel gibt er "Pb+Ag+Sb2+Su5" an. "Su" steht hier für Sulphur, Schwefel. Auf Grund der irrtümlich angenommenen Isomorphie mit Dufrénoysit und der ebenfalls irrtümlichen Annahme, dass Dufrénoysit kubisch kristallisiert, vermutete DAMOUR diese Symmetrie auch für den Brongniardit. In einer späteren Notiz beschreibt DAMOUR (1854) den Brongniardit als kubisch, nachdem er auf einer Stufe aus Bolivien kleine oktaedrische Kristalle entdecken konnte.
1898 konnten G.T. PRIOR & L.J. SPENCER zeigen, dass es sich bei den Kriställchen um einen Mischkristall Argyrodit-Canfieldit handelt und nur das derbe Material dem Brongniardit entspricht, jedoch eng verwachsen mit Galenit und Miargyrit ist. Damit war auch die Frage, wie Brongniardit kristallisiert, wieder offen.
SPENCER stellte noch 1898 fest, dass Brongniardit in der Dichte und den äußeren Eigenschaften dem Diaphorit entspricht und wahrscheinlich mit diesem identisch ist.

Der Status von Brongniardit blieb mangels kristallografischer Daten lange Zeit unsicher. Bei Syntheseversuchen im System PbS- Ag2S-Sb2S3 fanden HODA & CHANG (1975) eine kontinuierliche Mischkristallreihe entlang der PbS-AgSbS2-Linie von 25 bis 40 Mol-% PbS. Dies entspricht dem Bereich von Diaphorit bis Brongniardit. Für Brongniardit wird eine orthorhombische Zelle angegeben, sehr ähnlich der oben genannten, von PALACHE et al. (1938) für den Diaphorit publizierten.
MOZGOVA et al. (1989) untersuchten zahlreiche natürliche Diaphorit- und Brongiardit-Proben. Hier konnten Mischkristalle entlang der PbS-AgSbS2-Linie von 34,7 bis 42 Mol-% PbS nachgewiesen werden. Auf Grund vergleichbarer Röntgendaten und Gitterparameter empfahlen die Autoren, den Brongniardit als eine Silber-reiche und Blei-arme Varietät von Diaphorit zu betrachten. Die Diskreditierung von Brongniardit als eigenständiges Mineral entsprechend dem Vorschlag von MOZGOVA et al. erfolgte 2006 durch die IMA (BURKE, 2006), auch wenn rein formal Brongniardit Priorität gegenüber Diaphorit hätte.



Chemische Analyse von Diaphorit (in Masse-%)

    
    Brongniardit,
  angeblich Mexico,
  DAMOUR (1849)    
  Diaphorit,
  Přibram, Böhmen,
  VRBA (1878) 1)
  Diaphorit,
  theoretische
  Zusammensetzung    
  Ag   24.77   23.53   23.80
  Pb   24.91   31.42   30.48
  Cu     0.62      
  Fe     0.26      
  Zn     0.36      
  Sb   29.77   25.92   26.86
  S   19.24   18.51   18.87
  Summe        99.93   99.38 100.00

1) Analyse von Th. MORAWSKI



Literatur:
ARMBRUSTER, T.; MAKOVICKY, E.; BERLEPSCH, P. & SEJKORA, J. (2003): Crystal structure, cation ordering, and polytypic character of diaphorite, Ag3Pb2Sb3S8, a PbS-based structure.- European Journal of Mineralogy 15, 137-146

BREITHAUPT, A. (1866): Mineralogische Studien.- Leipzig, 122 p. (p. 112)

BROOKE, H.J. & MILLER, W.H. (1852): An Elementary Introduction to Mineralogy.- London, Gilbert & Rivington, 700 p. (p. 208)

BURKE, E.A.J. (2006): A mass discreditation of GQN minerals.- Canadian Mineralogist 44, 1557-1560

DAMOUR, A. (1849): Notice sur la Brongniardite, nouvelle espèce minérale.- Annales des Mines 16 (4. Serie), 227-231

DAMOUR, A. (1854): Note sur la cristallisation de la brongniardite, espèce minérale.- Annales des Mines 6 (5. Serie), 146-148

FREIESLEBEN, J.C. (1817): Beschreibung einiger in meiner Mineraliensammlung befindlichen merkwürdigen sächsischen Fossilien, nebst historischen und geognostischen Bemerkungen über dieselben. Schilf-Glaserz.- Geognostische Arbeiten 6, Beyträge zur Mineralogischen Kenntniß von Sachsen, Zweyte Lieferung.- Freyberg, bey Craz und Gerlach, 312 p. (p. 97-101)

HAUSMANN, J.F.L. & WÖHLER, F. (1839): Ueber das Schilfglaserz.- Annalen der Physik und Chemie 122 (= Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 46; 2. Reihe Band 16), 146-158

HELLNER, E. (1958): Über komplex zusammengesetzte Spießglanze. III. Zur Struktur des Diaphorits, Ag3Pb2Sb3S8.- Zeitschrift für Kristallographie 110, 169-174

HODA, S.N. & CHANG, L.L.Y. (1975): Phase relations in the systems PbS-Ag2S-Sb2S3 and PbS-Ag2S-Bi2S3.- American Mineralogist 60, 621-633

LÉVY, A. (1837): Description d'une collection de minéraux, formée par M. Henri Heuland, et appartenant a M. Ch. Hampden Turner, De Rooksnest, dans le Comté de Surrey et Angleterre. Tome Second.- Londres, Adolphe Richter et Compagnie, A Edimbourg, chez Clarke, a Dublin, chez Milliken, 476 p. (p. 367-369)

MOZGOVA, N.N.; EFIMOV, A.V.; NENASHEVA, S.N.; GOLOVANOVA, T.I.; SIVTSOV, A.V.; TSEPIN, A.I.; DOBRETSOVA, I.G. (1989): Novye dannye o diaforite i bron'yardite.- Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva 118, 5, 47-62 (in russ.)

NARANJO Y GARZA (1855), nach ZEPHAROVICH (1871)

PALACHE, C.; RICHMOND, W.E. & WINCHELL, H. (1938): Crystallographic studies of sulphosalts: baumhauerite, meneghinite, jordanite, diaphorite, freieslebenite.- American Mineralogist 23, 821-836

PHILLIPS, W. (1823): An elementary Introduction to the Knowledge of Mineralogy: Comprising some account of the characters and elements of minerals; explanations of terms in common use; descriptions of minerals, with accounts of the places and circumstances in which they are found; and especially the localities of british minerals.- London, printed and sold by W. Phillips, Third Edition, 406 p. (p. 290-291)

PRIOR, G.T. & SPENCER, L.J. (1898): Stanniferous argyrodite from Bolivia: The identity of the so-called 'Crystallised Brongniardite' with Argyrodite-Canfieldite.- Mineralogical Magazine 12, 5-14

ROMÉ DE L'ISLE, J.B.L. (1783): Cristallographie, ou Description des formes propres à tous les corps du Regne mineral. Vol. 3.- Paris, De l'Imprimerie de Monsieur, 611 p. (p. 54-55)

SPENCER, L.J. (1898): Diaphorite from Montana and Mexico.- American Journal of Science 156 (= 4th series, 6), 316

VRBA, C. (1878): Mineralogische Notizen. 3. Analysen des Diaphorit von Přibram und Freieslebenit von Hiendelaencina.- Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 2, 159-162

ZEPHAROVICH, V. Ritter von (1871): Über Diaphorit und Freieslebenit.- Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Akademie der Wissenschaften (Wien) 63, 130-156



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