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Bismutoferrit
Formel: Fe2Bi(SiO4)2(OH), monoklin
Typlokalität: Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen
Erstbeschreibung:
FRENZEL, A. (1871): Mineralogisches. 2. Lithiophorit. 3. Hypochlorit. Nachtrag zu Pucherit.-
Journal für Praktische Chemie 4, 353-362
(als "Bismutoferrit", Benennung und ausführliche Beschreibung)
Erste Erwähnung:
WERNER, A.G. & HOFFMANN, C.A.S. (1789): Mineralsystem des Herrn Inspektor
Werners mit dessen Erlaubnis herausgegeben von C.A.S. Hoffmann.- Bergmännisches Journal 2, Band 1, 369-398
(als "Grüne Eisenerde")
Grünlicher Bismutoferrit. Schneeberg, Erzgebirge, Sachsen. Größe der Stufe 8,5 cm.
Mit altem Etikett von etwa 1880. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
Erste Beschreibung als "Grüne Eisenerde"
Beim Bismutoferrit ist es recht schwierig, eine Originalbeschreibung anzugeben. Das Mineral
findet sich erstmals in dem 1789 von Christian August Siegfried HOFFMANN
herausgegebenen und mit Erläuterungen versehenen Mineralsystem Abraham Gottlob
WERNERs unter dem Namen "Grüne Eisenerde". Sie wird unter den
Eisenverbindungen aufgelistet, und als Erläuterung findet sich noch:
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"Sie ist von zeisiggrüner Farbe, und und zeither meistentheils unter die
Kupfernickelocker gerechnet worden, von der sie sich aber gar sehr auszeichnet. Sie
kommt besonders schön und deutlich in Schneeberg vor."
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Das Mineral ist in der Folgezeit zum Teil jedoch mit anderen Mineralen verwechselt worden,
speziell mit dem Dufrénit und dem später als Chapmanit beschriebenen Antimon-Analogon.
Die Verwechselung mit dem Dufrénit beruht besonders auf der Ähnlichkeit der Namen
"Grüneisenerde" und "Grüneisenstein", wobei letztere Bezeichnung für den
Dufrénitnit steht.
Die kurzen Angaben zur "Grünen Eisenerde" von WERNER & HOFFMANN
werden hier als eine erste Erwähnung, aber nicht als Erstbeschreibung des später
Bismutoferrit genannten Minerals betrachtet.
Ein neuer Name für ein Gemenge: Hypochlorit
Eine erste detaillierte Beschreibung des Minerals gibt Gustav SCHÜLER (1832/1833):
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"Bei der Untersuchung mehrerer sogenannter Grüneisensteine und Grüneisenerden von
verschiedenen Fundorten, hatte ich Gelegenheit, in der Grüneisenerde von Schneeberg
[...] bis jetzt im Mineralreiche noch unbekannt gewesene chemische Verbindungen
wahrnehmen zu können. Das Mineral hat sich zur Zeit, jedoch nur selten, mit Quarz,
Hornstein, gediegen Wismuth, Speiskobalt und Arsenikkies auf Gängen im Thonschiefer
zu Schneeberg, hauptsächlich auf den Gruben Jung Kalbe, Frisch Glück, Wolfgang
Maassen, Gesellschafter Zug und Adam Heber gefunden, sowie es auch in früheren Zeiten
mit Quarz, gediegen Wismuth, Bleiglanz und Silbererzen im Glimmerschiefer auf Eleonore
Stolln zu Johanngeorgenstadt, und mit Quarz und Eisenkies, gleichfalls im Glimmerschiefer,
auf Siegfried Fundgrube, zum Felde der Grube Neue Hoffnung Gottes gehörig, zu
Bräunsdorf bei Freiberg, vorgekommen ist.
Wie sich aus den Versuchen [...] ergiebt, ist dieses Mineral sowohl in mineralogischer,
als chemischer Hinsicht von allen übrigen bis jetzt bekannten, namentlich aber von dem
basisch phosphorsauren Eisenoxyd, oder dem eigentlichen Grüneisenstein aus dem Siegenschen,
der von Karsten genau untersucht worden ist, gänzlich verschieden. Aus diesem
Grunde, und weil der Name Grüneisenerde schon ohnehin in Hinsicht der Bestandtheile
unpassend ist, wollte ich wegen der zeisiggrünen Farbe, in welcher das Mineral stets
vorkommt, den Namen Hypochlorit, von ύπόχλορος
grüngelb, für dasselbe hiermit in Vorschlag gebracht haben.
I. Physikalische Eigenschaften
[...] Die Farbe ist hell- bis dunkelzeisiggrün, der Strich von derselben Farbe,
nur etwas heller. Es ist durchscheinend bis undurchsichtig. Es zeigt ein krystallinisch
blättriges Gefüge, Krystalle habe ich aber zur Zeit noch nicht wahrnehmen können;
meistentheils erscheint es derb, eingesprengt, angeflogen, erdig und bilden zuweilen kleine
Gangtrümer."
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SCHÜLER führte eine chemische Analyse durch, offenbar von einem innig
mit Quarz gemengten Exemplar. Schwierig zu erklären ist der der hohe Phosphorgehalt,
den SCHÜLER in dem Material gefunden haben will. Möglicherweise lag
hier eine Fehlanalyse vor.
Neue Untersuchungen und die
Beschreibung als Bismutoferrit
Die Analyse von SCHÜLER stieß auf erhebliche Kritik, da recht schnell deutlich
wurde, dass er ein Gemenge untersucht hatte. James Dwight DANA (1868) hielt
den Hypochlorit für eine Gemenge aus einem Bismut-Eisen-Silikat und einem Aluminium-Phosphat.
H. FISCHER (1869) erkannte in Dünnschliffen, dass eine Verwachsung mit
Quarz vorlag. Eine gründliche Untersuchung des Hypochlorits führte schließlich
August FRENZEL (1871) an ausgesucht reinen Stücken durch.
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"An reinen Stückchen eines solchen, von der Härte 1 - 2, wurde zunächst das
spec. Gewicht bestimmt und dasselbe zu 4,47 gefunden. [...]. Beim Zerschlagen des
analysirten Stückes fiel schon die ausgesprochene krystallinische Struktur auf und es
fanden sich in Hohlräumen auch wirklich Kryställchen, die freilich wegen ihrer
Kleinheit und Undeutlichkeit eine nähere Bestimmung nicht zulassen; die Formen scheinen
dem monoklinischen System anzugehören [...]. Uebrigens unterscheidet sich diese
Verbindung so ganz von Schüler's Hypochlorit, dass dafür ein besonderer Name wohl
gerechtfertigt erscheint und schlage ich dafür den Namen "Bismutoferrit" vor."
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FRENZEL nimmt als Formel "Bi2O3. SiO2 + 2
Fe2O3. 3 SiO2"
an. Übertragen in die heute übliche Schreibweise ergibt das
Fe4Bi2(SiO4)4O.
Abgesehen von dem geringen Wassergehalt, der FRENZEL entgangen ist, entspricht
dies der korrekten Zusammensetzung.
1872 bekräftigte FRENZEL noch einmal die Eigenständigkeit von Bismutoferrit
als Mineral nachdem er eine weitere Analyse durchgeführt hatte und die Zusammensetzung
bestätigen konnte. Den Wismut-Hypochlorit erklärt er als ein Gemenge von Quarz, Bismutoferrit
und vermutlich etwas Goethit.
Die Existenz von Bismutoferrit wird
angezweifelt
Trotz der guten Analyse und der Beschreibung des Bismutoferrits durch August FRENZEL
(1871) wird die Existenz des Minerals bezweifelt. So schreibt Edward Salisbury DANA
1904 zum Bismutoferrit:
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"Bismutoferrite of Frenzel is a supposed bismuth-iron silicate in part mixed with the hypochlorite
("wismuth-hypochlorit") of Schneeberg."
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Auf welcher Grundlage DANA zu dem Ergebnis kommt, dass Bismutoferrit ein Gemenge mit
Hypochlorit sei, bleibt rätselhaft und wird auch nicht durch analytische Daten oder anderes belegt.
Den Hypochlorit selber hält DANA auch schon für ein Gemenge.
Cornelio August DOELTER (1917) führt in seinem Handbuch der Mineralchemie sowohl
den Bismutoferrit als auch den Hypochlorit als Gemenge. Paul RAMDOHR (1936) betrachtet
Bismutoferrit als eine überflüssige Bezeichnung für ein Gemenge von Wismut- und Eisenmineralen,
gleiches gilt für den Hypochlorit. Auch Max H. HEY (1950) betrachtet den
Bismutoferrit nicht als eigenständige Spezies.
Die Revalidierung von Bismutoferrit
In einer Studie über Bismutoferrit, Chapmanit und Hypochlorit untersuchten Charles MILTON,
Joseph M. AXELROD & Blanche INGRAM (1958) zahlreiche Proben aus
verschiedenen Museen. Dabei zeigte sich, dass Bismutoferrit eindeutige, charakteristische Röntgendaten
und eine definierte chemische Zusammensetzung aufweist. Bismutoferrit ist deshalb als eigenständiges
Mineral zu betrachten. Das Mineral ist weich und gelblich oder hart und grün, und es ist optisch
zweiachsig mit α = 1,93, β = 1,97 und γ = 2,01. Die chemische Analyse einer Probe aus
Schneeberg bestätigte FRENZELs Untersuchungen. Die als Bismutoferrit identifizierten
Exemplare stammen alle aus Schneeberg, abgesehen von einem aus Ullersreuth, Thüringen. Hypochlorit
erwies sich als ein Gemenge von Bismutoferrit und Quarz, einige der Museumsstufen jedoch auch als
Nontronit oder andere Minerale. Die Autoren schlugen für den Bismutoferrit die Formel
"Bi2O2 · 2 Fe2O2
· 4 SiO2 · H2O" vor, die fast identisch
zu der durch FRENZEL (1871) gefundenen ist.
Bei einer Strukturanalyse von Bismutoferrit aus Schneeberg fanden A.P. ZHUKHLISTOV &
B.B. ZVYAGIN (1977) monokline Symmetrie, die Raumgruppe Cm, und die Gitterparameter
a = 5,21, b = 9,02, c = 7,74 Å und β = 100°40'. Die Struktur wird aus
Kaolinit-artigen Schichten
[Fe2Si2O8(OH)]3-
mit Fe3+ in den Oktaedern aufgebaut. Das Bismut sitzt in den Zwischenschichten.
Chemische Analyse von Bismutoferrit (in Masse-%)
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Hypochlorit, Schneeberg SCHÜLER (1832/1833) |
Bismutoferrit, Schneeberg FRENZEL (1871) |
Bismutoferrit, Schneeberg MILTON et al. (1958) |
Bismutoferrit, theoretische Zusammensetzung
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SiO2 |
50,24 |
23,08 |
23,9 |
23,03 |
Al2O3 |
14,65 |
|
0,3 |
|
Bi2O3 |
13,08 |
43,26 |
42,5 |
44,64 |
FeO |
10,54 |
|
1,8 |
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Fe2O3 |
|
33,33 |
29,3 |
30,60 |
P2O5 |
9,62 |
|
|
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As2O5 |
|
|
0,08 |
|
Mn |
Spur |
|
|
|
H2O |
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1,8 |
1,72 |
Summe |
98,13 |
99,67 |
99,7 |
100,00 |
Literatur:
DANA, E.S. (1904): The System of Mineralogy of James Dwight Dana 1837-1868.
Descriptive Mineralogy.- 6th edition, New York, John Wiley & Sons, London, Chapman & Hall,
1134 p. + 73 p. Appendix (p. 562)
DANA, J.D. (1868): A System of Mineralogy.- London, Trübner & Co. und
New York, John Wiley & Son, 5. Auflage, 827 p. (p. 392)
DOELTER, C. (1917): Handbuch der Mineralchemie, 2. Band, 2. Abteilung.- Dresden,
Verlag T. Steinkopff, 1144 p. (p. 164)
FISCHER, H. (1869): Kritische mikroskopisch-mineralogische Studien.- Freiburg
im Breisgau, Universitäts-Buchhandlung von Carl Troemer, 96 p. (p. 28-29)
FRENZEL, A. (1871): Mineralogisches. 2. Lithiophorit. 3. Hypochlorit. Nachtrag
zu Pucherit.- Journal für Praktische Chemie 4, 353-362
FRENZEL, A. (1872): Mittheilung an Prof. H.B. Geinitz. Brief, Freiberg den 30.
Juli 1872 (Über Pucherit, Bismutoferrit u.a).- Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und
Palaeontologie, Jahrgang 1872, 514-517
HEY, M.H. (1950): An index of mineral species and varieties arranged chemically:
with an alphabetical index of accepted mineral names and synonyms.- London, British Museum, 609 p.
(p. 102, 199)
MILTON, C.; AXELROD, J.M. & INGRAM, B. (1958):
Bismutoferrite, chapmanite, and "hypochlorite".- American Mineralogist 43, 656-670
RAMDOHR, P. (1936): Klockmann's Lehrbuch der Mineralogie.- Stuttgart, Enke Verlag,
626 p. (p. 601 und 603)
SCHÜLER, G. (1832/1833): Ueber die Grüneisenerde von Schneeberg.- Journal
der Chemie und Physik 66, 41-51
WERNER, A.G. & HOFFMANN, C.A.S. (1789): Mineralsystem des Herrn
Inspektor Werners mit dessen Erlaubnis herausgegeben von C.A.S. Hoffmann.- Bergmännisches
Journal 2, Band 1, 369-398
ZHUKHLISTOV, A.P. & ZVYAGIN, B.B. (1977): Determination of the
crystal structures of chapmanite and bismutoferrite by high-voltage electron diffraction.-
Soviet Physics and Crystallography 22, 419-423
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