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Amblygonit


Formel: LiAl(PO4)F, triklin

Typlokalität: Chursdorf bei Penig, Sachsen

Erstbeschreibung:
BREITHAUPT, A. (1818): Handbuch der Mineralogie. Von C.A.S. Hoffmann, fortgesetzt von August Breithaupt. Vierten Bandes zweite Abtheilung.- Freiberg, bei Craz und Gerlach, 245 p. (p. 159-161)





Hellgrauer Amblygonit. Chursdorf bei Penig, Sachsen. Größe der Stufe 35 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.



           Die Entdeckung von Amblygonit

Das Mineral wurde von Diakon DÜRR aus Kohren im Steinbruch bei Chursdorf nahe Penig entdeckt, aber von G.B. PUSCH (1812) für Skapolith gehalten. August BREITHAUPT (1818) erkannte jedoch, dass die Symmetrie, die Spaltbarkeit und die Dichte nicht mit Skapolith übereinstimmen und es sich um ein neues, bisher unbekanntes Mineral handelt. Um den Unterschied zu dem tetragonalen Skapolith darzustellen, wählte BREITHAUPT den Namen Amblygonit nach dem griechischen άμβλυγονιος (amblygonios) = stumpfwinklig, auf Grund der schiefwinkligen Spaltbarkeit.
BREITHAUPT schreibt zum Amblygonit:
"Von Farbe grünlichweis bis lichte berggrün und seladongrün, äusserlich stellenweise röthlich- und gelblichbraun gefärbt.
Er findet sich derb und kristallisirt, in geschobenen säulenförmigen Gestalten, die, da sie eingewachsen und rauh sind, sich kristallographisch nicht näher bestimmen [...] lassen. Die Kristalle sind mitlerer Gröse und gros.
Inwendig ist er glänzend, von Glasglanze.
Der Bruch ist ziemlich deutlich blättrig, zweifachen Durchgangs der Blätter, sich schiefwinklich schneidend [...]
Ist stark durchscheinend, in dünnen Stükchen bis halbdurchsichtig,
hart, in geringem Grade, genau von der Härte des Feldspaths,
spröde [...]
Spezifisches Gewicht: 3,00 bis 3,04 nach meinen Wägungen. [...]
Auffallend ist das Verhalten des Amblygonits vor dem Lötrohre, wo er ungemein leicht, unter Phosphoreszenz mit röthlichgelber Farbe, einigem Aufblähen und Ausstosen von Gasblasen, zu einem weissen Email schmilzt."
Das Mineral fand sich in Chursdorf spärlich zusammen mit grünem Topas, Turmalin, Glimmer und rötlichem Feldspat. Ein Teil des von PUSCH für Skapolith angesehenen Materials hat sich später auch als Apatit erwiesen.
Die Mineralogische Sammlung der TU Bergakademie Freiberg besitzt eine Stufe und zwei Spaltstücke Amblygonit von Chursdorf (Inv.-Nr. MiSa 20342, 20343 und 20358), die vermutlich das Typmaterial darstellen.
Laut den Etiketten zu den vermutlichen Typexemplaren verwendet BREITHAUPT auch den Namen "Amblygonites prismaticus" für das Mineral. Dieser nach der LINNÉEschen Nomenklaur gebildete Name blieb jedoch bedeutungslos, ebenso wie die von GLOCKER (1847) gewählte Bezeichnung "Amblygonites ditomus".


           Chemische Analysen

August BREITHAUPT (1823) vermutete einen "namhaften Thonerdegehalt" in dem Mineral und "dass die ungewöhnliche Leichtflüssigkeit vor dem Löthrohre, auf Rechnung von enthaltenen Alkali zu setzen seyn dürfte". Er teilte dies dem schwedischen Chemiker Jöns Jakob BERZELIUS mit, worauf hin dieser eine Analyse durchführte und an BREITHAUPT schrieb:
"Nach Ihrem Wunsche habe ich mich mit der Untersuchung des Amblygonits beschäftigt, und gefunden, dass dieses Fossil eine ganz unerwartete Zusammensetzung hat. Er ist nämlich aus Phosphorsäure, Flusssäure, Thonerde und Lithion zusammengesetzt, und enthält letztre zu ungefähr 11 Prozent." (BREITHAUPT, 1823).
Der Chemiker Carl Friedrich PLATTNER wies bei Lötrohr-Versuchen auch etwas Natron nach. Carl Friedrich RAMMELSBERG (1845) fand nach langen Versuchen eine Möglichkeit zu einer quantitativen Analyse des Minerals. Das Ergebnis (s. Tabelle unten) liegt recht dicht an der theoretischen Zusammensetzung des Amblygonits. Er nennt Arnsdorf bei Penig als Fundort des von ihm analysierten Materials.
Die von RAMMELSBERG angegebene Formel sieht sehr kompliziert aus. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass die Alkalien damals noch als zweiwertig und damit die Atomgewichte doppelt so hoch wie die tatsächlichen angenommen wurden, vereinfacht sich die Formel sehr stark, wenn man sie etwas an die heute übliche Schreibweise anpasst: R12Al12P12O48F8O2, mit R = Li, Na, K. Die Formel entspricht dann, abgesehen von einem minimalen Defizit an Hydroxyl als Vertretung für das Fluor, der oben angegebenen für den Amblygonit. RAMMELSBERG schreibt selber, dass ihr sehr einfache Verhältnisse zu Grunde liegen.
Der hohe Fluorgehalt im Amblygonit von Chursdorf ist durch eine modernere Teilanalyse bestätigt worden (in ČERNÁ et al., 1973), dabei wurden 11,8 Masse-% Fluor gefunden. Dieser Wert liegt dicht an dem maximal möglichen Fluorgehalt im Amblygonit.


           Amblygonit und Montebrasit

Amblygonit kommt in Lithium- und Phosphor-reichen Granitpegmatiten vor und ist inzwischen weltweit von zahlreichen Fundorten beschrieben. In vielen Fällen liegt jedoch keine Fluoranalyse vor, so dass es sich dabei zum Teil auch um das Hydroxyl-Analogon, den Montebrasit LiAl(PO4)(OH), handeln wird. Wahrscheinlich ist der Montebrasit tatsächlich auch deutlich häufiger als der echte Amblygonit. Nach GROAT et al. (1990) sind Fluor-reiche Vertreter der Amblygonit-Montebrasit-Reihe mit F/(F + OH) > 0,65 generell selten anzutreffen.

Der Montebrasit wurde 1871 durch Alfred Louis Olivier Legrand DES CLOIZEAUX von Montebras, Creuse, Frankreich, erstmals beschrieben. 1873 berichtet er auch über einen Fund von Amblygonit von dieser Lokalität und weist ausdrücklich auf die Ähnlichkeit des Materials mit dem von dem Vorkommen bei Penig in Sachsen hin. Die chemische Analyse wurde von PISANI durchgeführt. Nach dieser Analyse ist jedoch mehr OH als F in der Formel enthalten und auch dieses Material ist als Montebrasit im heutigen Sinn zu bezeichnen.
Öfter wird fälschlicherweise der Fundort Montebras in Frankreich sogar als Typlokalität für Amblygonit angegeben, z.B. in NICKEL & NICHOLS (1991) oder BLACKBURN & DENNEN (1997), obwohl das Vorkommen erst lange nach dem von Chursdorf beschrieben wurde und es sich nach den alten Analysen gar nicht um echten Amblygonit handelt.

Amblygonit kristallisiert im triklinen System, Raumgruppe P1. An einer Probe von Chursdorf wurden die Gitterparameter a = 5,161, b = 7,207, c = 5,060 Å, α = 114,005°, β = 98,638°, γ = 67,408° gemessen (ČERNÁ et al., 1973).
Zur Amblygonit-Gruppe gehören drei Minerale:
AmblygonitLiAl(PO4)F
Montebrasit   LiAl(PO4)(OH)
TavoritLiFe(PO4)(OH)
"Natramblygonit" und "Natromontebrasit" wurden 1911 bzw. 1913 als Natrium-Analogon von Amblygonit bzw. von Montebrasit beschrieben. Natramblygonit wurde schon frühzeitig gestrichen, da sich die Zusammensetzung nicht bestätigte, und Natromontebrasit hat sich als Gemenge von einem OH-reichen Amblygonit und von Lacroixit erwiesen und wurde 2005 offiziell diskreditiert.


           Die Originalfundstelle von Amblygonit

Chursdorf liegt etwa 4 km südöstlich von Penig im südwestlichen Teil des Granulitgebirges, welches eine elliptische, etwa 50 km lange, geologische Einheit in Sachsen darstellt. Der Amblygonit stammt aus einem Pegmatit in einem alten Granulitsteinbruch. Topografische Karten des 19. Jahrhunderts verzeichnen einen Steinbruch am nordöstlichen Ende von Chursdorf, nördlich vom Johannesbach. Die Position lässt sich etwa mit 50.9249° N und 12.7598° E (WGS 84) angeben. Der Steinbruch ist schon lange außer Betrieb. Bereits Johann Ludwig Georg MEINECKE und Christian KEFERSTEIN berichten 1820, dass der Steinbruch, in dem man Albit, "pfirsichblüthrothen Glimmer und Topas" fand, verschüttet ist.

Wolfram MODALECK (2014) geht davon aus, dass die sogenannten Friedemannsklippen im Muldental nahe der 1835 erbauten Spinnerei Amerika bei Penig die Typlokalität für dem Amblygonit darstellen. Nach dem Aufschluss eines großen Steinbruchs an der Muldentalbahn östlich der Station Amerika, durch den die Friedemannsklippen weitgehend abgebaut wurden, gelang um 1924 dort noch ein Fund von Amblygonit. PUSCH (1812) schreibt jedoch, dass er die Minerale in einem Steinbruch bei Klein-Chursdorf, nicht weit von der Straße von Penig nach Chemnitz gefunden hat. Zu dieser Zeit gab es an den Friedemannsklippen noch keinen Steinbruch. Sie können deshalb als Typlokalität für den Amblygonit ausgeschlossen werden.


Literatur:
BLACKBURN, W.H. & DENNEN, W.H. (1997): Encyclopedia of Mineral Names.- The Canadian Mineralogist Special Publication 1, Ottawa, 360 p.

BREITHAUPT, A. (1818): Handbuch der Mineralogie. Von C.A.S. Hoffmann, fortgesetzt von August Breithaupt. Vierten Bandes zweite Abtheilung.- Freiberg, bei Craz und Gerlach, 245 p. (p. 159-161)

BREITHAUPT, A. (1823): Vollständige Charakteristik des Mineral-Systems. Dresden, in der Arnoldischen Buchhandlung, 2. Auflage, 292 p. (p. 217-218)

ČERNÁ, I.; ČERNÝ, P. & FERGUSON, R.B. (1973): The fluorine content and some physical properties of the amblygonite-montebrasite minerals.- American Mineralogist 58, 291-301

DES CLOIZEAUX, A. (1871): Note sur la Montebrasite.- Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'Académie des sciences, Paris 73, 306

DES CLOIZEAUX, A. (1873): On a new locality of Amblygonite, and on Montebrasite, a new hydrated aluminium and lithium phosphate.- The Chemical News 27, No. 692, p. 97-98

GLOCKER, E.F. (1847): Generum et Specierum Mineralium Secundum Ordines Naturales digestorum Synopsis.- Halle, bei Eduard Anton, 347 p. (p. 277)

GROAT, L.A; RAUDSEPP, M.; HAWTHORNE, F.C.; ERCIT, T.S.; SHERRIFF, B.L. & HARTMAN, J. (1990): The amblygonite-montebrasite series; characterization by single-crystal structure refinement, infrared spectroscopy, and multinuclear MAS-NMR spectroscopy.- American Mineralogist 75, 992-1008

MEINECKE, J.L.G. & KEFERSTEIN, C. (1820): Mineralogisches Taschenbuch für Deutschland. Zum Behuf mineralogischer Excursionen und Reisen.- Halle, bei Hemmerde und Schwetschke, 432 p. (p. 102)

MODALECK, W. (2014): Das Mineral Amblygonit und seine Vorkommen in Sachsen.- Veröffentlichungen des Museums für Naturkunde Chemnitz 37, 67-72

NICKEL, E.H. & NICHOLS, M.C. (1991): Mineral Reference Manual.- Van Nostrand Reinhold, New York, 250 p.

PUSCH, G.B. (1812): Beschreibung einer merkwürdigen Abänderung von Granit und der in ihm beibrechenden Fossilien zu Penig im Königreich Sachsen.- Taschenbuch für die gesammte Mineralogie 6, 126-151

RAMMELSBERG, C. (1845): Repertorium des chemischen Theils der Mineralogie. Zweites Supplement zu dem Handwörterbuch des Chemischen Theils der Mineralogie.- Berlin, Verlag von C.G. Lüderitz, 180 p. (p. 11-12)



Chemische Analyse von Amblygonit (in Masse-%)

   Komponenten,
nach RAMMELSBERG,   
1845
Amblygonit,
von Chursdorf
(RAMMELSBERG, 1845)   
Amblygonit,
von Chursdorf
(in ČERNÁ et al., 1973)   
Amblygonit,
theoretische
Zusammensetzung     
Al2O3   Thonerde   36.2 - 38.4     34.47
Li2O   Lithion    6.3 - 7.0    8.8   10.10 1)
Na2O   Natron    3.3 - 5.5    1.2  
K2O   Kali    0.4     
P2O5   Phosphorsäure   48.0      47.99
F   Fluor    8.11   11,8   12.85
- O = F          - 5.41
Summe             100.00

1) für das Na- und K-freie Endglied




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