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Zeichen, Tafeln, Inschriften und Zeichnungen im Bergbau

von Dr. Thomas Witzke


1. Gedinge- und Vortriebszeichen, Jahrestafeln, Vortriebstafeln

1.4. Jahrestafeln

Jahrestafeln dokumentieren den Vortrieb des jeweiligen Jahres. Im Freiberger Revier wird das Schlagen von Jahrestafeln 1785 erstmals in einem Regulativ geregelt. Ältere Tafeln mit Jahresangaben stehen meist im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen und werden in Kapitel 4.1. behandelt.
Die Jahrestafeln müssen nicht von der Auffahrung stammen, auch beim Nachreißen von Stollen wurden solche Tafeln geschlagen.

Das genannte Regulativ findet sich bei ADLUNG (1998) auszugsweise abgedruckt und soll nach dieser Quelle auch hier wiedergegeben werden:
"... Sonnabend der 12. Woche im
Quartal Luciae 1785, 24. 12. 1785
Einhauung der Jahresstuffen auf den Gruben,
durch die Herrn Revier-Geschwornen

Um eines theils den fahrenden Beamten in Stande zu setzen, sogleich in der Grube übersehen zu können, wie die Hauptarbeiten einer Grube durch Abteufen in den Kunst- und Treibeschächten, ingleichen durch Betrieb der Stolln- Mittel- und Gezeugstrecken - Ortern, in jedem Jahre fortgegangen, andern theils die angestellten Markscheidern deren Obliegenheit es ist, auf den Hauptrißen der Gruben von Zeit zu Zeit wenigstens alljährlich nachzubringen, mit ihren Zügen näher zu übersehen, überhaupt aber beyderley Arbeiten, so viel wie möglich auf gleiche Zeitpuncte zu setzen, und hiernach ihre Gemerkungen genau zu bestimmen, ist es von Seiten des Bergamtes nach angestellter Überlegung und hierzu eingehohlter Approbation f. Hochlöbl. Oberberg Amts vor wohlgetan und nöthig angesehen worden, die allgemeine Einrichtung dahin zu treffen, daß jeder wder Refierfahrenden Herrn Geschworenen auf den Gruben der ihm anvertrauten Refiere
1.) vor jedem betreibenden Stolln- Mittel- und Gezeugstrecken Ort, nicht weniger vor jedem Haupt - Abteufen, worunter aber kurze Versuchs - Orter, Gelärsche und kleine Gesenke nicht zu verrstehen, beym Schluß des Quartals Luciae eines jeden Jahres, eine vollkommen zuverlässige Jahresstuffe mit der Jahr - Zahl als zb:
L. 1785
einhaun.
2.) Für diese Einhauung einer Jahres Stuffe in der Grube erhält dagegen der Refierfahrende Geschworene, jedesmal im Quartal Reminiscere des darauffolgenden Jahres, ebensoviel als für eine Markscheide - Stuffe, nehmlich Acht Groschen Gebühren, bei alten vergewerkschafteten Gruben, ingleichen von den in Erzlieferung stehenden Eigenlehner - Zechen, und reichet darüber, weil diese Verschreibung beym Register nicht in Anschnitt sondern in das Capital Insgemein kommen, alljährlich ein doppeltes Verzeichniß der eingehauenen Jahresstuffen, mit der Anzeige, wie viel vor jeden Ort des Jahres aufgefahren, und in den Haupt - Abteufen alljährlich abgeteuft sey? längstens mit Schluß des neuen Quartals Reminiscere f.a. zur Anordnung der passirlichen Verschreibung mittels des Haußhalts - Protocolls zum Berg Amt ein, wovon das eine Exemplar zum Hochlöbl. Ober Berg Amt eingereicht, das zweite aber an den Markscheider, zur Completirung des Nachbringens auf den Rissen hinaus gegeben, von den letzteren, nach erfolg der Züge, mit darauf gebrachten kurzen Bemerkungen, wo das Nachbringen geschehen, und die Einhauung der Jahres - Stuffe gefunden worden, wieder zum Berg Amte zurücke gegeben wird.
Mit dieser allgemeinen Einhauung der Jahres - Stuffe, soll beym gegenwärtigen Ablauf des 1785ten Jahres der Anfang gemacht werden, weshalben Berg Amts wegen sämtliche Herrn Refiergeschworenen, sowohl als die Herrn Markscheidern, hiernach angewiesen, und ihnen die sorgsame Beobachtung solcher Anordnung, damit der vorhabende Endzweck erreichet werde, angelegenst empfohlen worden. Anbey ward zugleich beschlossen, denen sämmtlichen Herrn Schichtmeistern und Eigenlehnern, bey ihrer nächsten Anwesenheit zur Aufrechnung an der Bergamtsstelle davon Eröffnung zu thun, und das weitere Nöthige hierunter anzuordnen ...
"


Im Freiberger Revier zeigen die Tafeln eine Jahreszahl und den Quartalswinkel (bzw. die spiegelbildliche Form, je nach Vortriebsrichtung). Die Ausführung der Tafeln ist sehr unterschiedlich. Es finden sich Jahreszahlen, die einfach in eine mehr oder weniger ebene Gesteinsoberfläche geschlagen wurden. In den meisten Fällen wurde jedoch zunächst eine ebene Grundfläche von etwa 15 x 30 cm in das Gestein gehauen und hier dann die Jahreszahl und der Winkel. Auch vorgefertigte Steintafeln aus Gneis, Sandstein oder Schiefer kamen zum Einsatz, die untertage in herausgehauene Nischen gesetzt wurden. Gelegentlich gibt es auch Tafeln aus Holz.
Oft befindet sich der Quartalswinkel zwischen der zweiten und der dritten Zahl, aber es gibt auch zahlreiche Tafeln, auf denen das nicht der Fall ist, sondern bei denen er direkt vor oder nach der Jahreszahl steht, oder auch bis zu etwa einem halben Meter entfernt sein kann. Da die Tafeln auch für markscheiderische Zwecke verwendet wurden, sind häufig Bohrlöcher und Holzdübel für das Anbringen der Schnur zu beobachten.
Im folgenden sollen einige Jahrestafeln unterschiedlicher Ausführung und Erhaltung im Bild vorgestellt werden.


Bild 1.4.01:
Jahrestafel von 1790, aus dem Trau auf Gott Stolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Der Quartalswinkel fehlt hier. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.02:
Jahrestafel von 1791, aus dem Trau auf Gott Stolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.03:
Jahrestafel von 1791, aus der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Mit Quartalswinkel und einem "L" in Schreibschrift für Quartal Luciae. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.04:
Jahrestafel von 1791, aus der Grube Himmelfahrt, Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.05:
Jahrestafel von 1792, aus der Grube St. Michaelis, Bärenstein bei Altenberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Holger Lausch.









Bild 1.4.06:
Jahrestafel von 1793, aus dem Trau auf Gott Stolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Mit Holzdübel im Quartalswinkel. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.07:
Jahrestafel von 1795, aus der Grube Rheinisch Wein, Halsbrücke bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Holger Lausch.









Bild 1.4.08:
Jahrestafel von 1798, aus der Grube Reiche Zeche, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.09:
Jahrestafel von 1813, aus der Grube Reiche Zeche, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.10:
Jahrestafel von 1829, aus der Grube Gesegnete Bergmannshoffnung, Obergruna bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.11:
Jahrestafel von 1831, aus der Grube Gesegnete Bergmannshoffnung, Obergruna bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.12:
Jahrestafel von 1842, als Stein im Ausbau. Alte Hoffnung Erbstolln, Schönborn-Dreiwerden, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.13:
Jahrestafel von 1852. Thelersberger Stolln, Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.4.14:
Jahrestafel von 1852, vom Nachreißen der Rösche. Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.15:
Jahrestafel von 1855, vom Nachreißen der Rösche. Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Bild 1.4.16:
Jahrestafel von 1857, vom Nachreißen der Rösche. Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Foto Thomas Witzke.









Auch aus dem Kamsdorfer Revier, Thüringen, ist eine Jahrestafel mit einem Quartalswinkel bekannt.


Bild 1.4.17:
Jahrestafel von 1857, aus dem südlichen Flügelort vom Veltheimstollen bei Silberkrone, Kamsdorf, Thüringen. Foto Michael Pfefferkorn.









Zuweilen finden sich an den Jahrestafeln auch Lachterangaben. Hier ein Beispiel aus Jöhstadt von 1795 mit der Angabe 18 Lachter, aus Zug bei Freiberg von 1848 mit der Angabe von 46,4 Lachtern sowie aus der Segen Gottes Fundgrube bei Zöblitz, Erzgebirge von 1866 und der Angabe 61,2.


Bild 1.4.18:
Jahrestafel von 1795 mit Lachterangabe. Andreas Gegentrum, Jöhstadt, Erzgebirge, Sachsen. Foto Robert Brückl.









Bild 1.4.19:
Jahrestafel von 1848 mit Lachterangabe 46,4. Vom Leander Stehenden, Zug bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.









Bild 1.4.20:
Jahrestafel von 1866 mit der Angabe 61,2 und einem Quartalswinkel. Segen Gottes Fundgrube, Zöblitz, Erzgebirge, Sachsen. Foto Robert Brückl.









Auch in anderen Revieren gibt es Jahrestafeln, die sich jedoch in der Ausführung unterscheiden. Aus dem Reicher Silbertrost Stolln bei Geyer ist eine Tafel mit der Jahreszahl 1589 bekannt. Der senkrechte Strich zwischen der zweiten und dritten Ziffer weist darauf hin, dass es sich vermutlich um eine echte Jahrestafel, d.h. eine zum Jahreswechsel geschlagene Tafel, handelt, und nicht um eine "Ereignistafel", die von einem beliebigen Zeitpunkt im Jahr stammen kann.
Eine Tafel von 1649 mit Namenskürzel sowie Schlegel und Eisen ist im Tiefen Freudenstolln, Königswalde bei Annaberg zu sehen. Eine zweite, ältere, ursprünglich vorhandene Tafel wurde beim Nachreißen des Stollens zerstört.

Bild 1.4.21:
Vermutliche Jahrestafel von 1589 (mit Strich zwischen der 5 und der 8), aus dem Reicher Silbertrost Stolln, Geyer, Erzgebirge, Sachsen. Foto Norbert Schüttler.












Bild 1.4.22:
Jahrestafel von 1649, mit Schlegel und Eisen sowie Namenskürzel CZ, aus dem Tiefen Freudenstolln, Königswalde bei Annaberg, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke, 29.07.2007.



Im Ernst August Stollen im Harz findet sich eine Tafel, die nicht den Stand zum Jahresende, sondern zum 1. Januar 1888 dokumentiert.


Bild 1.4.23:
Jahrestafel vom 1. Januar 1888 aus dem Ernst August Stollen, Harz, Niedersachsen. Foto Michael Pfefferkorn.










Literatur:
ST. ADLUNG (1998): Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau.- Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau, Heft 7. Jens-Kugler-Verlag Kleinvoigtsberg.

© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren


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