|
Zeichen, Tafeln, Inschriften und Zeichnungen im Bergbau
von Dr. Thomas Witzke
1. Gedinge- und Vortriebszeichen, Jahrestafeln, Vortriebstafeln
1.3. Quartalswinkel
Quartalswinkel wurden alle viertel Jahre eingeschlagen, um den jeweiligen Stand des Vortriebs zu dokumentieren. Sie sind damit, sofern Abfolgen von derartigen Zeichen vorhanden sind, ein wertvolles Dokument über die Vortriebsleistungen.
Die Quartalswinkel wurden vom Geschwornen eingeschlagen. Die Größe der Zeichen und auch die Ausführung kann stark variieren.
Der Quartalswinkel ist je nach Vortriebsrichtung ein L-förmiges Zeichen (Vortrieb von rechts) bzw. das dazu spiegelbildliches Zeichen (bei Vortrieb von links, vom Betrachter aus). Wie bei den edingezeichen gibt es auch hier dokumentierte Fälle von verkehrt herum eingeschlagenen Zeichen.
In den meisten Fällen stehen die Quartalswinkel alleine. Öfter finden sich Gedingezeichen unmittelbar daneben, da es aus Gründen der Abrechnung offenbar praktisch war, das Ende eines Gedinges auch mit dem Ende eines Quartals zusammen fallen zu lassen. Selten finden sich andere Angaben neben den Quartalswinkeln wie z.B. Lachterangaben.
|
|
Bild 1.3.01:
Quartalswinkel und darunter ein Gedingezeichen, Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Foto Thomas Witzke.
|
|
|
Bild 1.3.02:
Quartalswinkel aus dem Juliane-Stollen, Kamsdorf, Thüringen. Zwischen 1727 und 1774. Foto Thomas Witzke.
|
|
|
Bild 1.3.03:
Quartalswinkel aus dem Zentralrevier von Kamsdorf, Thüringen. Das Zeichen ist verkehrt eingeschlagen, die an den Prunen erkennbare Vortriebsrichtung stimmt nicht mit der durch das Zeichen angegebenen Richtung überein. Foto Thomas Witzke.
|
Merkwürdig ist folgende, im Bild dargestellte Situation aus einem Flügelort des Treue Gewerken Verbindlichkeit Stollens in Kamsdorf, Thüringen.Hier findet sich neben einem kleinen, flüchtig in den Fels geschlagenen Quartalswinkel ein weiterer, sauber ausgeführter Winkel von etwa 15 cm Größe. Diese Anordnung ist in Kamsdorf noch einige weitere Male, wenn aber auch selten, zu beobachten. Denkbar ist hier, daß es eine Korrektur, vielleicht nach einer Neuvermessung der aufgefahrenen Strecke gegeben hat.
An der Stelle, wo sich die Winkel befinden, kam das Flügelort um 1840 an.
|
|
Bild 1.3.04:
Zwei Quartalswinkel. Flügelort des Treue Gewerken Verbindlichkeit Stollens in Kamsdorf, Thüringen, um 1840. Foto Michael Pfefferkorn.
|
Gelegentlich finden sich neben den Quartalswinkeln zusätzliche Informationen. Hier ein Beispiel mit der Angabe Quartal Reminiscere 1770 aus der Himmelfahrt Fundgrube in Freiberg sowie ein Beispiel mit Entfernungsangaben zum Mundloch in Lachtern aus dem Trau auf Gott Erbstolln in Lichtenberg bei Freiberg.
|
|
Bild 1.3.05:
Quartalswinkel mit Angabe Quartal Reminiscere 1770 sowie einem Gedingezeichen. Himmelfahrt Fundgrube, Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.
|
|
|
Bild 1.3.06:
Quartalswinkel mit Lachterangabe bis zum Mundloch (113 Lachter), von 1814. Trau auf Gott Erbstolln, Lichtenberg bei Freiberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.
|
Bisher in der Literatur offenbar noch nicht dokumentiert ist ein auf dem Kopf stehendes L, sicher ein Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste, vergleichbar dem Gedingezeichen. Das Zeichen wurde jedoch auch innerhalb eines Stollens nicht einheitlich verwendet. So finden sich z.B. in der Müdisdorfer Rösche für das Nachreißen der Firste sowohl die eigentlichen Quartalswinkel L als auch das auf dem Kopf stehende Zeichen. Auch zu diesem Zeichen existiert wieder die spiegelbildliche Form bei Vortrieb von links.
|
|
Bild 1.3.07:
Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste, aus der Müdisdorfer Rösche, Müdisdorf bei Brand-Erbisdorf, Sachsen. Vom Nachreißen der Rösche, um 1855. Foto Thomas Witzke.
|
|
|
Bild 1.3.08:
Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste, aus der Grube Gesegnete Bergmannshoffnung, Obergruna, Erzgebirge, Sachsen. Foto Thomas Witzke.
|
mögliche Vorläufer der Quartalswinkel
Die Quartalswinkel finden sich im Erzgebirge ab dem 16. Jahrhundert. Vermutlich als Vorläufer wurden nach ADLUNG (in LEUPOLD & HOCKER) für jedes Quartal eigene Zeichen verwendet: Reminiscere "Z", Trinitatis "T", Crucis (ein auf dem Kopf stehendes "L") und Luciae "L". Der einfache Quartalswinkel leitet sich dann von dem "L" für Luciae ab. Das Zeichen für Crucis darf hier nicht verwechselt werden mit dem identisch aussehenden, im Bild 1.3.06 und 1.3.07 dargestellten Quartalswinkel für das Nachreißen der Firste.
Einen Hinweis auf derartige Vorläufer könnten die Stufen in einer Grube im Kiesholz bei Marienberg bieten. Hier taucht jedoch ein "R"-ähnliches Zeichen auf, das auch für das Quartal Reminiscere stehen könnte. Diese Deutung bietet sich an, da auch ein "T"-ähnliches Zeichen und ein "L" gefunden wurden. Problematisch ist jedoch, dass die Zeichen in der Grube z.T. recht weit auseinander liegen und eine kontinuierliche Abfolge fehlt. Insofern sind diese Deutungen nur als Vermutung zu betrachten.
|
|
Bild 1.3.09:
Eventuell Zeichen für Quartal Reminiscere. Zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.
|
|
|
Bild 1.3.10:
Eventuell Zeichen für Quartal Trinitatis. Zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Sachsen. Foto Michael Pfefferkorn.
|
|
|
Bild 1.3.11:
Eventuell Zeichen für Quartal Luciae. Zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Grube im Kiesholz, Marienberg, Sachsen. Foto Thomas Witzke.
|
© Thomas Witzke und die jeweiligen Bildautoren
|