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Kurze Darstellung von Zeichen, Tafeln, Inschriften und Zeichnungen im Bergbau von Dr. Thomas Witzke 1. Gedinge- und Vortriebszeichen, Jahrestafeln, Vortriebstafeln In diesem und den folgenden Abschnitten sollen Zeichen, Inschriften und Tafeln behandelt werden, die eine Arbeitsleistung im Vortrieb (Gedinge) oder den erreichten Vortrieb zu einem bestimmten Zeitpunkt, zum Beispiel nach einem Quartal oder Jahr, dokumentieren. Derartige Zeichen werden auch als Stufen bezeichnet. Zu der Thematik gibt es aktuelle und ausführliche, aber derzeit vergriffene Literatur von ST. ADLUNG (1998) über Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau. Die Darstellung hier bezieht sich im wesentlichen auf diese Quelle. 1.1. Gedinge und Gedingezeichen Was sind Gedinge ? Gedinge stellen eine Form der Registrierung und Bezahlung von Vortriebsleistungen dar. Auch wenn es regional oder im Lauf der Zeit gewisse Unterschiede gab, so ist die grundlegende Bedeutung jedoch konstant geblieben. Das Wort "Gedinge" ist schon seit langem aus dem gebräuchlichen Wortschatz verschwunden. Etwas länger hatte sich noch das Verb "verdingen" erhalten. Adlung (1998) weist auch auf eine mögliche sprachliche Verwandtschaft zwischen "Ding" und "Thing", der alten rechtssprechenden Versammlung, hin. Diese Verbindung kann als recht sicher angenommen werden. In mittelalterlichen Schriften und Urkunden finden sich Wörter mit dem Stamm -ding- und einem mit rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang stehenden Sinn vom englischen und skandinavischen bis in den österreichischen Raum. Die Verwendung in verschiedenen Sprachen - neben Alt- und Mitteldeutsch z.B. auch in der in angelsächsisch verfassten Handschrift der Beowulf-Saga aus dem 10. Jahrhundert - belegt eine sehr alte Wurzel. Das Wort "gedingen" wird im 10. - 15. Jahrhundert verwendet im Sinne von allgemein eine gerichtliche Auseinandersetzung führen, sich an ein Gericht oder eine rechtliche Instanz wenden (auch im religiösen Sinn sich an eine höhere Instanz wenden) oder bei ihr Berufung einlegen, oder allgemein verhandeln bzw. (verbindliche) Abmachungen treffen, sich etwas ausbedingen oder etwas (z.B. ein Lehen) unter bestimmten Voraussetzungen verleihen, etwas (eine Urkunde oder Testament) bezeugen oder auch im religiösen Sinn Hoffnung und Vertrauen auf etwas setzen. Während im Eigenlehnerbetrieb kein Anlass für die Entlohnung von Vortriebs- oder anderen Leistungen in der Grube bestand, ergab sich mit der Trennung von bauenden und nichtbauenden Gewerken im Bergbau die Notwendigkeit, Arbeitsleistungen zu erfassen und zu entlohnen. Im Erzgebirge ist dieser Prozess im 13. Jahrhundert festzustellen. In direktem Zusammenhang mit dem Gedinge stehen die Zubußzahlungen der nichtbauenden Gewerken. Diese Zahlungen waren notwendig, um der Anteile an den jeweiligen Gruben nicht verlustig zu gehen. Die Gedingestufe, die den jeweiligen erreichten Stand des Vortriebs markiert, wurde durch den Stufenschläger, der als Vorläufer des Berggeschwornen zu betrachten ist, eingehauen. Gedinge werden schon im Freiberger Bergrecht (A) erwähnt. Gedingezeichen aus dem 12. oder 13. Jahrhundert sind bisher jedoch nicht bekannt geworden. Etwa im 15. Jahrhundert entwickelte sich das Gedinge als spezielle Form eines Arbeitsvertrages zwischen Hauern und Gewerken. Ein direkter Zusammenhang zu Zubußzahlungen bestand nicht mehr. Diese Entwicklung ist eine Folge der zunehmenden Zentralisierung im sächsischen Bergbau. G. AGRICOLA (1557) schreibt zum Gedinge:
Leider hat AGRICOLA nichts näheres über Gedingezeichen geschrieben oder solche Zeichen abgebildet. Im Lauf der Zeit wurden immer umfangreichere Vorschriften geschaffen, die das Gedinge regelten. Darin wurden u.a. behandelt, was der Geschworene zu tun hat, Rechte der Gewerken und der Hauer, wie bei sich verändernder Gesteinsbeschaffenheit zu verfahren ist, Fragen der Auszahlung des Gedingegeldes und weiteres. Anpassungen wurden zuweilen durch neue Technologien notwendig. Am Inhalt des Gedinges hat sich jedoch über Jahrhunderte nichts geändert. ADLUNG (1998) gibt einen Auszug aus einer Resolution von 1709 an, die den Inhalt des Gedinges sehr gut wiedergibt und deshalb nach dieser Quelle hier zitiert werden soll:
Sowohl das Gedinge, also der eigentliche Arbeitsvertrag, als auch das Abnehmen des Gedinges und damit verbundene Einschlagen einer Stufe wurden schriftlich festgehalten. Damit erhielten die Bergämter bzw. die Vorläuferinstitutionen einen Überblick über den Vortrieb, speziell auf wichtigen Stollenörtern. Aufzeichnungen über Gedinge und eingeschlagene Stufen finden sich z.B. in den Quartalsabrechnungen der einzelnen Gruben. In diesen Abrechnungen wurden die Einnahmen, die nach Wochen aufgeschlüsselten Ausgaben, die Eigentümer mit ihren jeweiligen Anteilen (wichtig für die Zubußzahlungen) und zum Teil auch die vorhandenen Werkzeugbestände erfasst. Bei kleinen, unbedeutenden Gruben konnte auch auf eine wöchentliche Aufschlüsselung verzichtet werden. Zwei Beispiele von derartigen Quartalsabrechnungen aus dem Freiberger Revier sollen hier im Bild vorgestellt werden.
Wie die Quartalsabrechnung in der 5. Woche zeigt, haben die Hauer die vereinbarte Strecke aufgefahren und das Gedingegeld erhalten. Der Geschworene hat das Gedinge abgenommen, eine Stufe (= das Gedingezeichen) geschlagen und dafür Stufengeld erhalten.
(*) f = Florengroschen, gen = Groschen (1 Florengroschen oder Gulden entspricht 21 Groschen) Während die Grube "Segen Gottes" regelmäßige Einnahmen verbuchen konnte, wies die Grube "Osterfreude" in Berthelsdorf bei Freiberg in dem Quartal Luciae 1601 keinerlei Einnahmen auf. Eine wöchentliche Aufschlüsselung der Ausgaben findet sich nicht. Es wird lediglich ein Hauer erwähnt, der hier verdingt wurde. Eine Abnahme des Gedinges durch einen Geschwornen ist offenbar nicht erfolgt, da dies eine zusätzliche Ausgabe erfordert hätte.
Das hier genannte Gedinge auf Gewinn und Verlust entspricht einem üblichen Gedinge. Erst im 19. Jahrhundert wurde diese Bezeichnung auf eine Sonderform übertragen. Diese Sonderform wurde vor allem auf armen Gängen angesetzt, wo die Unkosten gerade gedeckt wurden. Dabei wurde den Häuern nach Abzug diverser Unkosten alles durch die Erzbezahlung erzielte Geld ausgehändigt. Er bekam jedoch keinen weiteren Lohn. Dieses sehr risikoreiche Gedinge konnte jederzeit durch den Hauer oder die Gewerken gekündigt werden. Wo finden sich Gedingezeichen? Da das Gedinge eine Form des Leistungslohns ist, sind Gedingezeichen vorrangig dort anzutreffen, wo es auf schnellen Vortrieb ankam. Das können Entwässerungsstollen oder andere Stollen, z.B. Suchstollen, Auffahrungen vom Mundloch, um einen Gang zu erreichen oder Auffahrungen, um eine zusätzliche Tagesöffnung anzulegen, sein. Auch das Nachreißen erfolgte oft im Gedinge, so dass Gedingezeichen in einem Stollen nicht unbedingt von der Auffahrung stammen müssen. Zum Teil können heute noch kontinuierliche Folgen von Gedingezeichen und Quartalswinkeln in Strecken beobachtet werden. Solche Abfolgen bieten ideale Möglichkeiten zum Studium der Vortriebsleistungen bzw. Leistungen beim Nachreißen. Gedingezeichen finden sich nicht nur in wichtigen Anlagen. Auch kleine, unbedeutend erscheinende Gruben können einen unerwarteten Reichtum an verschiedenen Zeichen bieten. Die Größe der Zeichen kann stark schwanken. Es finden sich sowohl sehr kleine, von nur etwa 3 oder 4 cm Abmessung, bis hin zu mindestens 20 cm großen Zeichen. Die Zeichen erscheinen zum Teil nur leicht eingekratzt, zum Teil sind sie auch sorgfältig und deutlich geschlagen. Die fotografische Dokumentation kann sich recht schwierig gestalten, da es in engen Stollen nicht immer möglich ist, die Zeichen aus einem günstigen Winkel zu fotografieren (speziell wenn noch Inschriften daneben vorhanden sind) oder da sich die Zeichen nur schwer erkennen oder von den Spuren der Arbeit mit Schlegel und Eisen ("Prunen") unterscheiden lassen. Literatur: G. AGRICOLA (1557): Vom Bergkwerck XII Bücher.- Basel, p. 71 (Übersetzung aus dem lat. von Ph. Bechius) ST. ADLUNG (1998): Gedinge- und Vortriebszeichen im sächsischen Erzbergbau.- Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau, Heft 7. Jens-Kugler-Verlag Kleinvoigtsberg. © Thomas Witzke |
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