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Vivianit


Formel: Fe3(PO4)2 · 8 H2O, monoklin

Typlokalität: Sachsenberg, Eckartsberga bei Naumburg, Sachsen-Anhalt

Erstbeschreibung:
SPRINGSFELD, G.C. (1751): De Terra quadam cærulea, in fodina, prope Eccardsbergam in Thuringia, reperta.- Acta Physico-Medica Academiæ Caesareæ Leopoldino-Carolinæ Naturæ Curiosorum exhibentia Ephemerides, sive, Observationes Historias et Experimenta a Celeberrimis Germaniæ et Exterarum Regionum Viris Habita et Communicata, Singulari Studio Collecta, Vol. X, p. 76-90
     (als Terra quadam cærulea, erste Beschreibung und Untersuchung)

erste Erwähnung:
LUDWIG, C.G. (1749): Terrae musei regii dresdensis. Accedunt terrarum sigillatarum figuræ.- Lipsiæ, Gleditsch, 298 p. (p. 93)
     (als Terram egregie cæruleam, aber nicht als Mineral erkannt)

Benennung:
WERNER, A.G. [herausgegeben und ergänzt von A. BREITHAUPT] (1817): Letztes Mineral-System.- Freyberg & Wien, p. 9, 21 und 41
     (als Vivianit)



             Erste Beschreibung als Terra cærulea

Im Allgemeinen wird als Typlokalität für Vivianit die Fundstelle Wheal Kind, St. Agnes, Cornwall, England angegeben, als Erstbeschreiber wird z.T. Axel von CRONSTEDT 1758, z.T. Abraham Gottlob WERNER 1817 genannt. CRONSTEDT kennt jedoch gar keine englische Fundstelle und WERNER erwähnt bei der Herkunft des Minerals lediglich allgemein Cornwall.

Die erste Erwähnung stammt offenbar von Christian Gottlieb LUDWIG 1749 in seinem lateinischen Werk über die im Königlichen Museum in Dresden befindlichen Siegelerden. Unter den Tripelis tenerioribus, cum acidis non effervescentibus, den mit Säuren nicht aufbrausenden Erden, listet er Terram egregie cæruleam, prope Eccardsbergam, eine ausgezeichnet blaue Erde von Eckartsberga, auf. LUDWIG erkennt das Material jedoch nicht als ein eigenes Mineral.

Kurz danach beschäftigt sich Gottlob Carl SPRINGSFELD (1751, gedruckt 1754) ausführlicher mit dem Material. Er untersuchte die blaue Erde von Eckartsberga in "Thüringen" und verglich sie mit anderen Erden. Das Mineral fand sich nesterweise in kugeligen Stücken verschiedener Größe mit einer kiesigen Rinde umgeben. Der Kern war weiß, an der Luft wurde das Material blau. Er löste das zunächst für ein Kupfermineral angesehene Material in Schwefelsäure und konnte daraus "Eisenvitriol" kristallisieren. Mit Leinöl vermischt und durchgeglüht, wurde das dabei erhaltene Produkt vom Magnet angezogen. Es handelt sich also um ein Eisenmineral und ist damit nicht mit dem "Kupferblau" oder "Bergblau" (Azurit) identisch. SPRINGSFELD weist auch auf die Ähnlichkeit mit dem Berliner Blau, einem 1704 entdeckten Farbpigment, hin.
Eine deutsche Zusammenfassung des Artikels von SPRINGSFELD findet sich bei WIEGLEB (1791). Auch wenn von SPRINGSFELD nicht die erste Erwähnung stammt, kann er auf Grund seiner Untersuchungen als Erstbeschreiber des Minerals gelten.

Der Fundort Eckartsberga liegt heute in Sachsen-Anhalt, nicht weit von Naumburg und Weißenfels, direkt an der Grenze zu Thüringen. Aus der aktuellen Literatur ist das Vorkommen völlig verschwunden.


           Blaue Eisenerde

Nachdem SPRINGSFELD gezeigt hat, dass es sich nicht um ein Kupfermineral, sondern um eine Eisenverbindung handelt, findet es Eingang in die mineralogische Literatur als Blaue Eisenerde. Axel von CRONSTEDT beschreibt das Mineral 1758 in seinem Försök til Mineralogie. In dem in schwedisch erschienenen Werk heißt es hier:
"Kalkformig Järnmalm blandad med främmande ämnen. Minera Ferri calciformis heterogeneis mixta.
    a. […]
    g. Med Alkali och Phlogisto. Calx Martis phlogisto juncta, et Alkali præcipitata.
    Blå Järnjord. Naturligt Berlinerblått.
    1. Lös eller Pulverulent. På flätten i Skåne uti torf. Sachsen Weißenfels. Norlanden i Norrige."
In der deutschen Übersetzung von CRONSTEDTs Werk durch Morten Thrane BRÜNNICH von 1770 heißt es im Kapitel "Eisen. Ferrum. Mars":
"Kalkförmiges mit fremden Körpern vermischtes Eisenerz. Minera ferri calciformis heterogeneis mixta.
    1. […]
    7. Mit Alkali und brennbaren Theilen. Calx martialis phlogisto juncta, et alcali præcipitata. Blaue Eisenerde. Natürliches Berlinerblau.
       1) mürbes oder staubartiges. Auf den Ebenen in Schonen, im Torfe. Eckardsberge in Sachsen. Die Nordländer in Norwegen."
Der Name "Mars" steht für Eisen, es handelt sich um eine alte alchemistische Bezeichnung für das Metall und ist auf die Zuordnung der in der Antike bekannten Metalle auf die Planeten (einschließlich Sonne und Mond) zurückzuführen. Mit dem Begriff Kalk wurden oxidische Verbindungen bezeichnet, ein "Calx martialis" ist also ein oxidisches Eisenmineral. CRONSTEDT nahm an, dass es sich bei dem Mineral um natürlich vorkommendes Berliner Blau handelt. Zu CRONSTEDTs Zeit war der Chemismus des Pigments noch nicht bekannt, erst viel später wurde festgestellt, dass es ein Eisen(III)-Hexacyanoferrat ist und je nach Herstellung die Zusammensetzung K[Fe3+Fe2+(CN)6] oder Fe3+[Fe3+Fe2+(CN)6]3 · 14-16 H2O aufweist.

Johan Gottschalk WALLERIUS beschreibt das Mineral 1778 wie folgt:
"23. FERRUM solutum, alkali præcipitatum & phlogisto junctum, cæruleum. CAERULEUM BEROLINENSE NATURALE. Spec. 343.
Calx martis phlogisto juncta & alkali præcipitata. CRONSTEDT 208.9.
Sveth. NATURALIGT BERLINER BLATT, BLA JERNOCHRA.
Galli BLEU DE PRUSSE NATURALE. OCHRES DE FER BLEURES.
Germ. NATÜRLICHES BERLINERBLAU. BLAUER EISENOCKER.
Est terra martis colore fere cæruleo, pulverulenta, a ferro soluto, præcipitato ab alkali cum material inflammabili combinato, ejusdem indolis cum cæruleo Berolinensi artificali. Reperitur in Uplandia argillæ adfixa; in Finlandia & Scania bumo adhærens. Weissenfels in Saxonia. cfr. Act. N. C. Vol. X. Obs. xxx."
Letzteres Kürzel steht für die Arbeit von SPRINGSFELD. Mit "Weissenfels in Saxonia" ist der schon genannte Fundort Eckartsberga bei Weißenfels gemeint. Die Fundortangaben bei WALLERIUS sind generell sehr allgemein gehalten, oft ist sogar nur das Land genannt.


           Chemische Analysen

1784 zeigte Martin Heinrich KLAPROTH, dass die Blaue Eisenerde nicht mit dem Berliner Blau identisch, sondern ein Eisenphosphat ist. Die erste quantitative Analyse führt KLAPROTH dann 1807 durch:
"Dass die Blau-Eisenerde aus phosphorsaurem Eisen bestehe, und daher die ältere Benennung: natürliches Berlinerblau, ihr nicht angemessen sei, solches habe ich bereits im Jahre 1784 angezeigt.
Unter den verschiedenen Abänderungen derselben zeichnet sich diejenige als die reinste aus, welche bei Eckartsberg, unweit Weissenfels in Sachsen, in dem dasigen Kalksteinflöze des Sachsenberges, in grössern oder kleinern Nieren, jedoch ehemals häufiger, als jetzt, vorkömmt.
Die Farbe derselben ist indigblau. Diese Farbe erhält die Blau-Eisenerde jedoch erst, nachdem sie durch Ausstellung an das freie Tageslicht in Stand gesetzt worden, mehrern Sauerstoff aus der Atmosphäre sich anzueignen; indem sie auf ihrer Lagerstätte meistens ganz weiss ist. Sie ist nur lose zusammen gebacken, leicht zerreiblich, und zerfällt in ein mattes, abfärbendes Pulver."
Nach einigen chemischen Untersuchungen fand KLAPROTH eine Zusammensetzung von 47,50 % oxyduliertem Eisen, 32 % Phosphorsäure und 20 % Wasser.

Jöns Jakob BERZELIUS stellt 1814 eine Formel für das Mineral auf:
"6. Ordnung. Phosphorsaure Verbindungen.
1. Species. Blaue Eisenerde, Phosphas ferrosus. FeO2 + 2 PO2.
Diese Verbindung ist im Anfang Phosphas ferrosus; durch die Einwirkung der Luft zieht sie aber nachher Sauerstoff an, erhält eine blaue Farbe und wird zu Phosphas ferroso ferricus."
Den von KLAPROTH festgestellten Wassergehalt berücksichtigt BERZELIUS nicht in seiner Formel.


           Der Name Vivianit

Johann Friedrich Ludwig HAUSMANN beschreibt 1813 unter dem Namen "Eisenblau" neben dem erdigen Material von Eckartsberga auch Kristalle in Form von schiefen vierseitigen Prismen und achtseitigen, an den Enden zugespitzten Prismen. Er erwähnt auch die blättrige Spaltbarkeit und den Glasglanz auf den Spaltflächen. Fundorte sind Ile de France in Frankreich und Bodenmais in Bayern sowie einige weiter Vorkommen. Neben den Beschreibungen der unterschiedlichen Ausbildungsformen führt HAUSMANN auch chemische Analysen des erdigen Materials und der Kristalle an.

In dem Mineralsystem von Abraham Gottlob WERNER von 1817 findet sich unter dem "Talk-Geschlecht", also den Magnesium-Silikaten ein neuer Mineralname: Vivianit. BREITHAUPT, der nach WERNERs Tod die Arbeit herausgab, fügt folgende Charakteristik des Minerals bei:
"Von Farbe lauchgrün, nach den Enden und schärfern Seitenkanten des Krystals hin fält er ins himmelblaue.
Die äussere Gestalt ist eine lose schilfartige Säule, die eingewachsen gewesen zu seyn scheint und stark in die Länge gestreift ist, so daß sich die Lage der Seitenflächen nicht näher bestimmen lässt.
Aeusserlich glänzend, von Glasglanze;
inwendig starkglänzend, von Perlmutterglanze.
Der Bruch ist geradblättrig, ein Durchgang der Blätter, sehr volkommenm gehet nach der kurzen Diagonale der Säule; noch findet ein zweiter verstekter Durchgang stat, die Säulenaxe schief schneidend.
Uibrigens halbdurchsichtig,
halbhart (von den stumpfen Seitenkanten her) und auch weich (von den schärfern Seitenkanten her),
nicht sonderlich spröde,
wahrscheinlich leicht zerspringbar,
fühlt sich ein wenig fettig an
und ist nicht sonderlich schwer in einem etwas geringen Grade.
Spezifisches Gewicht:
2,700 nach eigener Wägung.
Das Vaterland dieses Fossils ist Cornwall.- Am nächsten verwand dürfte es dem Cyanit seyn, von dem es sich aber noch durch Farbe und schilfartige Säulenform auszeichnet. - Der Name ist von Hrn. BR. Werner zu Ehren des Hrn. J. Vivian aus Truro in Cornwall, dem Er die Kentnis des Fossils verdankt, gebildet. B."
WERNER ordnete den Vivianit ohne eine chemische Analyse in sein Mineralsystem ein. Die Blaue Eisenerde findet sich an anderer Stelle in dem System. So ist ihm auch die Identität beider Substanzen entgangen, obwohl HAUSMANN vorher schon Kristalle und erdiges Material als ein Mineral beschrieben hatte.


           Blaue Eisenerde und Vivianit sind identisch

Nur vier Jahre später vereinigt Friedrich STROMEYER (1821) die Blaue Eisenerde und WERNERs Vivianit zu einer Spezies:
"Das blättrige Eisenblau, das zu Cornwall in Begleitung von Schwefelkies, Magnetkies, schwarzer Zinkblende und Quarz Gangtrümmer in einem aschgrauen quarzigen Gestein bildet, besteht aus
       [siehe Tabelle unten - T.W.]
Dies phosphorsaure Eisen ist zuerst nach seinen äussern Kennzeichen von Breithaupt in Werners letztem Mineralsysteme S. 9. und 41. unter dem Namen Vivianit als eine dem Cyanit zunächst verwandte neue Gattung in der Sippschaft des Talks aufgeführt worden; dieser Analyse zufolge stimmt es aber mit der von Klaproth (Beitr. IV. 120) untersuchten Blaueisenerde von Eckartsberg überein."
Bei Friedrich MOHS (1824) findet es sich dann unter dem Namen "Prismatischer Eisen-Glimmer". MOHS erkennt es als "hemiprismatisch" = monoklin und macht auch die Verwandschaft zum "prismatischen Kobalt-Glimmer" = Erythrin deutlich. Auch MOHS erwähnt noch das Vorkommen "Eckartsberge in Thüringen" für die erdige Varietät, die Blaue Eisenerde.



Chemische Analyse von Vivianit (in Masse-%)

     Blaue Eisenerde,
  von Eckardsberga     
  (KLAPROTH, 1807)   
  Vivianit,
  von Cornwall     
  (STROMEYER, 1821)   
  Vivianit,
  theoretische
  Zusammensetzung     
  FeO   47.50   41.2266   45.91
  P2O5   32   31.1825   23.42
  H2O   20   27.4843   30.67
  Summe        99.50   99.8934 100.00




Literatur:
BERZELIUS, J.J. (1814): Versuch, ein rein wissenschaftliches System der Mineralogie zu begründen.- Journal für Chemie und Physik, p. 17-62 (speziell p. 30)

BRÜNNICH, M.Th. (1770): Cronstedts Versuch einer Mineralogie. Vermehret durch Brünnich.- Copenhagen und Leipzig, C.G. Proft und Rothens Erben, 296 p. (p. 220)

CRONSTEDT, A. von [das Buch ist anonym ohne Verfasserangabe erschienen] (1758): Försök til Mineralogie eller Mineral Rikets Upställning.- Stockholm, Wildiska Tryckeriet, 251 p. (p. 182)

HAUSMANN, J.F.L. (1813): Handbuch der Mineralogie.- Göttingen, bei Vandenhoek und Ruprecht, 1158 p. (p. 1075-1078)

KLAPROTH, M.H. (1784) Crell's Chemische Annalen 1, 396

KLAPROTH, M.H. (1807): Chemische Untersuchung der Blau-Eisenerde von Eckartsberg.- Beiträge zur Chemischen Kenntnis der Mineralkörper, 4. Band, p. 120-122

LUDWIG, C.G. (1749): Terrae musei regii dresdensis. Accedunt terrarum sigillatarum figuræ.- Lipsiæ, Gleditsch, 298 p. (p. 93)

MOHS, F. (1824): Grund-Riß der Mineralogie.- Dresden, in der Arnoldschen Buchhandlung, p. 212-216

SPRINGSFELD, G.C. (1751): De Terra quadam cærulea, in fodina, prope Eccardsbergam in Thuringia, reperta.- Acta Physico-Medica Academiæ Caesareæ Leopoldino-Carolinæ Naturæ Curiosorum exhibentia Ephemerides, sive, Observationes Historias et Experimenta a Celeberrimis Germaniæ et Exterarum Regionum Viris Habita et Communicata, Singulari Studio Collecta, Vol. X, p. 76-90

STROMEYER, F. (1821): Über das Eisenblau von Cornwall.- Journal für Chemie und Physik 33, p. 372

WALLERIUS, J.G. (1778): Systema mineralogicum, quo corpora mineralia in classes, ordines, genera et species suis cum varietatibus divisa, describuntur, atqve observationibus, experimentis et figures ænis illustratur.- Editio nova & correcta, Viennæ, ex Officina Krausiana, Vol. 2, p. 260-261

WERNER, A.G. [herausgegeben und ergänzt von A. BREITHAUPT] (1817): Letztes Mineral-System.- Freyberg & Wien, p. 9, 21 und 41

WIEGLEB, J.C. (1791): Geschichte des Wachsthums und der Erfindungen in der Chemie in der neuern Zeit. Zweyter Band von 1751 bis 1790.- Berlin und Stettin, bei Friedrich Nicolai, 620 p. (p. 7-8)


© Thomas Witzke / Stollentroll

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