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Argyrodit
Formel: Ag8GeS6, orthorhombisch
Typlokalität: Grube Himmelsfürst, Brand-Erbisdorf bei Freiberg, Erzgebirge, Sachsen
Erstbeschreibung:
WEISBACH, A. (1886): Argyrodit, ein neues Silbererz.- Neues Jahrbuch für Mineralogie,
Geologie und Paläontologie, II. Band, 67-71
erste unvollständige Beschreibung als "Plusinglanz":
WEISSENBACH, C.G.A. VON (1831): Ueber die Gehalte der beym sächsischen
Bergbau vorkommenden Silbererze.- Kalender für den Sächsischen Berg- und Hüttenmann auf das
Jahr 1831, p. 223-248
BREITHAUPT, A. (1832): Vollständige Charakteristik des Mineral-System's.- Dresden und
Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, 3. Auflage, 358 p. (p. 277)
(von der Grube Simon Bogner's Neuwerk, später zu Vereinigt Feld gehörig, Brand-Erbisdorf bei Freiberg)
Argyrodit in undeutlichen Kristallen. Grube Himmelsfürst, Brand-Erbisdorf bei Freiberg, Erzgebirge,
Sachsen. Bildbreite 4 mm. Sammlung und Foto Thomas Witzke.
Die Entdeckung von Argyrodit
In der Grube Himmelsfürst in Brand-Erbisdorf bei Freiberg zeigte sich Mitte September
1885 auf der halbelften Gezeugstrecke 460 m unter Tage auf einem Kreuz des Silberfund
Stehenden mit einem unbenannten Spatgang ein Anbruch mit Silbererz. Eines der Erze zog die
Aufmerksamkeit von Betriebsdirektor Eduard Wilhelm NEUBERT auf sich, der es
an Rudolph Benno WAPPLER, Vorstand der bergakademischen Mineralienniederlage,
zur Begutachtung schickte. NEUBERT meinte, dass das Erz zwar einige Ähnlichkeit
mit dem Silberkies aufweist, aber doch von ihm abzuweichen scheint.
Das Material gelangte schließlich zu Albin WEISBACH, Professor für Mineralogie
an der Bergakademie Freiberg, der es als ein neues Mineral erkannte und 1886 beschrieb:
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"Herr Factor Wappler überzeugte sich ebenfalls von diesen Abweichungen und übergab
desshalb behufs chemischer Untersuchung eine Probe Herrn Oberbergrath Th. Richter. Derselbe
stellte als Hauptbestandtheile Silber und Schwefel fest, fand aber ausserdem, und zwar mit
voller Entschiedenheit, etwas Quecksilber. Die Gegenwart des letzteren Metalles erschien recht
bemerkenswerth, da von ihm in keinem der Freiberger Erze bisher jemals eine Spur bemerkt worden
war.
Herr Wappler hatte die Güte, mir von dem neuen Funde nach meinem damaligen Aufenthaltsorte,
Eisenerz in der Steiermark, Mittheilung zu machen und bei meiner Rückkehr nach Freiberg
eine grössere Anzahl Stufen des Himmelsfürster Anbruchs zu übergeben. Ich wurde
so in den Stand gesetzt, in der Sitzung unseres hiesigen Bergmännischen Vereins vom 1.
October [1885 - T.W.] eine kurze Characteristik des neuen in einigen Exemplaren in Umlauf
gesetzten Minerals, welchem meinerseits der Name Argyrodit beigelegt ward, geben, sowie am
15. October den Vereinsmitgliedern ein die Krystallform des Argyrodit darstellendes Holzmodell
vorzeigen zu können.
Die Charactere des Silbererzes sind nun folgende:
Metallischer Glanz. Farbe: auf Krystallflächen stahlgrau, auf frischem Bruche ins
Röthliche geneigt [...], mit der Zeit mehr violett werdend [...]. Grauschwarzer,
schimmernder Strich; gestrichene Stellen ziemlich glänzend. Opak. H = 2½. G = 6,085 (15°C.)
nach Th. Richter, 6,093 - 6,111 (12°C.) nach meinen Wägungen. Spröd, ins Milde geneigt.
In Krystallen, keine Spaltbarkeit zeigend, und in derben Massen von dichtem, bisweilen flach
muschligem Bruche.
Die Kryställchen sind sehr klein, indem die einzelnen Kanten meist weit unter 1 mm.
Länge bleiben. Die Kleinheit erschwerte etwas die krystallographische Bestimmung, noch
mehr aber der Umstand, dass die Individuen niemals einzeln auftreten, sondern zu rundlichen
und zwar warzigen, nierigen, zapfenförmigen Formen gruppirt erscheinen und sich so
wechselseitig verdecken. [...]
Das System ist monoklin. [...] Achsenelemente: a : b : c (Klinoaxe : Orthoaxe : Hauptaxe) =
1 : 1,67 : 0,92. Achsenschiefe B = 70°. [...] Bisweilen hat man Gelegenheit Zwillinge und
Drillinge zu bemerken. [...]
Als Begleiter unseres Minerals erscheinen Eisenspath (z. Th. mit Eindrücken, vielleicht
von Schwerspath abstammend), Zinkblende, Bleiglanz, Kupferkies, Pyrit, in grösster Menge
aber Markasit, z. Th. in Varietät Speerkies. Auf diesen Mineralien sitzen dann die edlen
Silbererze, und zwar in der Altersfolge Argentit, Pyrargyrit, Argyrodit, Polybasit, Stephanit.
Gewöhnlich sitzt der Argyrodit unmittelbar auf Markasit, doch wurde an einigen Stufen
auch die umgekehrte Succession beobachtet.
Was die chemische Zusammensetzung anlangt, so hatte wie oben erwähnt schon Th. Richter
Silber und Schwefel als Hauptbestandtheile erkannt, auch den Silbergehalt nach zwei
übereinstimmenden Lötrohrproben zu 73½ % bestimmt. College Cl. Winkler gelangte
dann im Mittel zahlreicher Versuche auf 75 Silber und 18 Schwefel, somit auf einen Verlust
von 7 %. Dieser Verlust, lange Zeit hindurch unerklärlich bleibend, führte im
Verfolge weiterer ausgedehnter Untersuchungen schliesslich auf die Entdeckung eines neuen
Elementes, welches, in seinen Eigenschaften dem Arsen, bez. Antimon nahe stehend, vom
Entdecker WINKLER am 1. Februar Germanium genannt worden ist."
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Bemerkenswert ist, mit welcher Schnelligkeit Albin WEISBACH den Argyrodit
beschrieb. Mitte September 1885 wurde das Mineral gefunden und bereits am 1. Oktober
stellte er es unter dem Namen Argyrodit vor. Auch Clemens WINKLER arbeitete
außerordentlich schnell, denn am 1. Februar 1886 präsentierte er schon das neue
Element Germanium (WINKLER, 1886 a und b).
Ein Exemplar mit Argyrodit von der Grube Himmelsfürst, das WEISBACH
im Jahr 1885 erhalten hatte, findet sich in der Mineralogischen Sammlung der TU Bergakademie
Freiberg (MiSa Nr. 7056/ E4,6) und kann als Typexemplar betrachtet werden. Die über
11 cm große Stufe enthält neben dem Argyrodit noch Markasit, Pyrit, Siderit, Stephanit,
Pyrargyrit und Galenit.
Zeichnung eines Argyrodit-Kristalls und verzwillingter Kristalle, aus WEISBACH (1886)
Der Fundort: ein neuer Erzgang, der Argyrodit Spat
Einen detaillierten Bericht über das Vorkommen des neuen Minerals in der Himmelsfürst
Fundgrube in Brand-Erbisdorf gibt Betriebsdirektor Eduard Wilhelm NEUBERT:
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"Anfangs September 1885 wurde bei Himmelsfürst Fundgrube auf dem Silberfund stehenden
Gange, nördlich vom Neuglück Spat, 27 m über der im Niveau des Ostseespiegels
liegenden 12. Gezeugstrecke, d.i. bei einer Tiefe von 459 m unter Tage, bei dem Betriebe des
zweiten Förstenstoßes über der dasigen Feldstrecke, auf dem Kreuze des genannten
Ganges mit einem Spatgang, ein bisher noch gänzlich unbekanntes Silbererz entdeckt.
Dasselbe ist von dem Herrn Bergrath, Professor Dr. Weisbach mit dem Namen Argyrodit belegt
worden und diese Benennung hat zugleich dazu Veranlassung gegeben, den dieses Erz
führenden Spatgang Argyrodit Spat zu benennen. [...]
Der Silberfund Stehende streicht hor. 1,0, fällt 80° in Ost und besteht bei 15 - 25 cm
Mächtigkeit aus Kalk- und Braunspath, silberhaltigem Schwefelkies und verglaster
Zinkblende mit einzelnen Bleiglanzaugen.
Der Argyrodit Spat streicht hor. 7,2 bis 8, fällt 80° Nord und ist in der Nähe
des Kreuzes mit ersterem eine offene, 5 - 30 cm weite Spalte, deren unebene Wandungen mit
unregelmäßig ausgebildeten Eisenspatkrystallen besetzt sind, auf welchen silberleerer
Eisenkies und als dünner Überzug Argyrodit vorkommt.
In den Drusenräumen liegen lose, theilweise zwischen den Eisenspathkrystallen
hängende Stücke von silberarmem Schwefelkies inne, welche einen 1 - 3 mm dicken
Überzug von Argyrodit tragen. Zumeist haben diese Stücke, wenigstens an einer Seite,
ein tropfsteinähnliches Aussehen, zuweilen ist auch der Schwefelkies selbst von ganz
feinen mit dem bloßen Auge kaum sichtbaren Äderchen von Rothgiltigerz und Glaserz,
möglicherweise auch von Argyrodit durchzogen, wodurch demselben ein bläulicher
Schimmer verliehen ist und er an der Luft sehr bald blau anläuft. Ebenso kamen in
diesen Hohlräumen vereinzelt Stücke von Glas- mit Rothgiltigerz bis zur
Faustgröße vor, welche ebenfalls mehr oder weniger von Argyrodit überzogen waren.
Kleiner Stücke davon hatten unter einer Kruste von 2 - 3 mm Argyrodit einen Kern von
Schwefelkies, Silberschwärze oder Glaserz. [...]
Das Argyrodit-Vorkommen hat sich bis jetzt auf dem gedachten Gange nur erst auf 12 m, 6 m
vom Silberfund Stehenden in Ost und West, erstreckt."
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Im weiteren Verlauf nahm die Gangmächtigkeit ab bis auf schmale Klüfte, Argyrodit
trat hier nicht mehr auf.
Ein zweiter Fund konnte einige Jahre später auf dem Kreuz von dem Komet Stehenden mit
einem unbenannten Spatgang, etwa 15 m unter der ½11. Gezeugstrecke in der Himmelsfürst
Fundgrube getätigt werden. In einer Druse saß derbes Glaserz auf Braunspat, und auf
ersterem dünne Krusten von Argyrodit (Anonymus, 1897).
Germanium - ein neues Element
In einer ersten, kurzen Mitteilung vom Februar 1886 präsentierte Clemens WINKLER
(1886 a) die Entdeckung eines neuen Elements aus dem Argyrodit:
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"Bei der von mir vorgenommenen Analyse des Minerals ergab sich, dass der gedachte
Quecksilbergehalt nicht mahr als 0.21 pCt. beträgt; ausserdem wurden im Argyrodit, je
nach der Reinheit des angewandten Materials, 73 bis 75 pCt. Silber und 17 bis 18 pCt. Schwefel,
sowie sehr geringe Mengen Eisen und Spuren von Arsen gefunden. So oft und so sorgfältig
die Analyse aber auch durchgeführt werden mochte, immer schloss sie mit einem etwa 6 bis
7 pCt. betragenden Verluste ab, ohne dass es nach dem üblichen Gange der qualitativen
Untersuchung möglich gewesen wäre, den fehlenden Körper zu entdecken.
Nach mehrwöchentlichem, mühevollen Suchen kann ich heute mit Bestimmtheit
aussprechen, dass der Argyrodit ein neues, dem Antimon sehr ähnliches, aber von diesem
doch scharf unterschiedenes Element enthält, welchem der Name » Germanium « beigelegt
werden möge."
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Nach kurzen Angaben zum Verhalten des Germaniumsulfides und Germnaniumoxides schreibt
WINKLER weiter zu dem Element:
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"Das Element besitzt, ähnlich dem Arsen, graue Farbe und mässigen Glanz, ist aber
erst bei voller Rothglühhitze flüchtig und entschieden schwieriger verdampfbar als
Antimon. [...]
Die Bestimmung des Atomgewichtes des Germaniums soll sofort, wenn auch zunächst nur mit
annähernder Genauigkeit, vorgenommen werden; sie wird zeigen, ob, wie zu vermuthen steht,
das neue Element berufen ist, die zwischen dem Antimon und dem Wismuth befindliche Lücke
im periodischen System auszufüllen."
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Nach seiner ersten Veröffentlichung zum Germanium erhielt WINKLER mehrere
Schreiben anderer Chemiker, speziell zur Stellung des neuen Elements im Verhätnis zu anderen
Elementen. Zuerst schreibt der deutsche Chemiker Victor VON RICHTER
in einem Brief vom 25. Februar 1886 an WINKLER, dass es sich um das "Ekasilicium"
MENDELEJEFFs handeln müsse. Der russische Chemiker hatte ein erstes chemisches
Periodensystem aufgestellt und Eigenschaften von bis dahin noch unbekannten Elementen vorhergesagt
(MENDELEJEFF, 1869 und 1872), darunter auch das "Ekasilicium". Zeitgleich schrieb
auch Dmitri MENDELEJEFF selber in einem Brief aus St. Petersburg von 26. (14.)
Februar 1886, dass mehrere der "angegebenen Eigenschaften des Germaniums an diejenigen des
Ekasiliciums gemahnten, dass aber die beobachtete Flüchtigkeit des Elementes auf die Möglichkeit
hindeutete, es an anderer Stelle in das periodische System einreihen zu müssen." Lothar
MEYER, der unabhängig von MENDELEJEFF die chemischen Elemente
gruppierte und Eigenschaften vorhersagte, sprach sich in einem Brief vom 27. Februar 1886 aus
Tübingen gleich dafür aus, dass es sich um das Ekasilicium handelt, und dass das Germanium
aus aus seiner "Atomvolumencurve zufolge [...] leicht schmelzbar und wohl auch leicht
verdampfbar sein müsse" (nach WINKLER, 1886 b).
In einer weiteren Mitteilung vom Mai 1886 konnte Clemens WINKLER (1886 b) neue
Erkenntnisse zu dem Element präsentieren. Auch wurde jetzt durch neue Daten die in den Briefen
von Kollegen an WINKLER getätigten Annahmen tatsächlich bestätigt, hier mit dem
Ekasilicium eines der detailliert von Dmitri MENDELEJEFF vorausgesagten Elemente
vorliegen zu haben.
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"Die meisten seiner Verbindungen sind in Wasser, Alkalien und Säuren löslich; die
geringste Löslichkeit besitzen seine Sulfide, von denen das eine weiß, das andere
orangeroth gefärbt erscheint. Letzteres gab in Folge seiner überraschenden
Ähnlichkeit mit dem Antimonsulfür anfänglich zu der irrthümlichen Vermuthung
Anlaß, daß das Germanium in der Reihe der Elemente zwischen Antimon und Wismuth zu stehen
kommen dürfte.
In Wirklichkeit ist diese Stellung jedoch eine andere. Es hat sich ergeben, dass das
Germanium der Gruppe der vierwerthigen Elemente zugehört, daß es dem Silicium, Titan,
Zinn verwandt ist, ja es dürfte keinem Zweifel mehr unterliegen, daß man es in ihm mit
einem Element zu thun hat, dessen Existenz auf dem Wege rein wissenschaftlicher Speculation
schon seit einer Reihe von Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit vorhergesagt worden ist [...].
Mendelejeff ist in genialer Kühnheit soweit gegangen, die Eigenschaften derjenigen
noch fehlenden Elemente, deren spätere Auffindung die meiste Wahrscheinlichkeit für
sich hatte, annähernd vorauszusagen. Mit ziemlicher Bestimmtheit ist dies namentlich
bei zwei damals noch unbekannten Elementen, dem "Ekaaluminium" und dem "Ekasilicium",
geschehen; heute feiert der geistvolle Forscher und mit ihm seine Theorie den Triumph,
jene Prophezeihungen erfüllt zu sehen. Denn wie sich das im Jahre 1875 durch Lecoq
de Boisbaudran entdeckte Gallium als Mendelejeff's Ekaaluminium erwiesen hat, so ist das
Germanium - hierüber kann kaum noch ein Zweifel bestehen - nichts Anderes, als dessen
Ekasilicium. Die Periodicität der Elemente ist somit keine bloße Hypothese mehr, sie
ist zur Thatsache geworden [...].
Das specifische Gewicht des Germaniums beträgt 5,469 (von Mendelejeff vorausberechnet
ca. 5,5), das Atomgewicht, Vierwerthigkeit angenommen, 72,75 (vorausberechnet ca. 72)."
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WINKLER macht weiterhin Angaben zur Darstellung des Elements und den
Eigenschaften einiger Verbindungen. Ebenfalls noch in diesem Jahr veröffentlich
WINKLER (1886 c) eine ausführliche Arbeit mir Zusammenfassung der
bisherigen Erkenntnisse, dem ausführlichen Analysengang zum Argyrodit (siehe Tabelle)
sowie weiterer Angaben zu den Eigenschaften des Elements und dessen Verbindungen und den
Vergleich mit den detaillierten Voraussagen von MENDELEJEFF von 1872.
WINKLER hatte für die Untersuchungen vom Betriebsdirektor
NEUBERT etwa 5 kg Material enthalten, das ungefähr zur Hälfte
aus Argyrodit bestand. Aus der qualitativen Analyse des Argyrodits gibt WINKLER
die Formel "3Ag2S.GeS2" für
das Mineral an, die etwas weniger Silber und Schwefel als die heute akzeptierte
enthält.
Wie bedeutsam die Entdeckung des Germaniums war, wird auch aus den Worten von August
FRENZEL (1900 b) deutlich:
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"Die Auffindung des neuen Elementes erregte nicht nur großes Interesse der Neuheit
wegen, sondern viel mehr noch deshalb, weil das Germanium sich als das Ekasilicium
Mendelejeff's herausstellte, welches der russische Chemiker in seinem 'Periodischen
System der Elemente' nach seinen Eigenschaften schon im Voraus geschildert hatte.
Die Wissenschaft feierte einen Triumph und schrieb mit unvergänglichen Lettern
in ihre Annalen ein die Namen Mendelejeff und Winkler."
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Dmitri Mendelejeff (links), der das Element Germanium vorhersagte, und Clemens
Winkler, der es in dem Mineral Argyrodit fand.
Weitere chemische Analysen am Argyrodit
Clemens WINKLER (1886 b) gibt dem Argyrodit nach seinen Analysen
die Formel "3Ag2S.GeS2".
WEISBACH (1886) hatte den Argyrodit zunächst nach Vermessung
relativ schlecht ausgebildeter Kristalle als monoklin angesehen. Nur wenig später,
im Jahr 1893, beschrieb Samuel Lewis PENFIELD von Potosi in Bolivien
ein Mineral unter dem Namen Canfieldit, für das er die Zusammensetzung
Ag8GeS6 und kubische Symmetrie
ermittelt. Auf Grund der Ähnlichkeit zum Argyrodit berechnet er die Analyse von
WINKLER nach Abzug einiger Verunreinigungen neu und führt auch eine
chemische Analyse an einer Probe des sächsischen Argyrodits durch. Beides entspricht
sehr gut der Zusammensetzung Ag8GeS6.
PENFIELD stellt fest, dass das sächsische und das bolivianische
Material zwar die gleiche Zusammensetzung aufweisen, es sich jedoch auf Grund der
monoklinen bzw. kubischen Symmetrie um verschiedene Minerale handelt.
Albin WEISBACH hatte unterdessen, nach Vermessung einiger etwas besserer
Kristalle zusammen mit seinem früheren Schüler, dem Bergingenieur DE
SOUZA BRANDÃO, orthorhombische Symmetrie für den
Argyrodit angenommen, wovon er Victor GOLDSCHMIDT Mitteilung machte
(GOLDSCHMIDT, 1891; WEISBACH, 1894). Nachdem
WEISBACH von PENFIELDs Untersuchungen erfahren hatte,
merkt er an, dass die bei der Vermessung an den Kristallen von der Grube Himmelsfürst
gewonnenen Daten auch mit kubischer Symmetrie vereinbar sind (WEISBACH, 1894).
PENFIELD (1894) zog darauf den Namen Canfieldit für das
bolivianische Material zurück und übertrug ihn auf ein wenig später in
La Paz, Bolivien, gefundenes Zinn-Analogon von Argyrodit.
Eine neue Mikrosonden-Analyse von Argyrodit aus der Grube Himmelsfürst, Brand-Erbisdorf
aus der Sammlung University of Arizona Mineral Museum, Nr. 1540, findet sich in dem
RRUFF-Projekt (LAFUENTE et al., 2015). Danach ergibt sich eine empirische
Formel Ag8.07Ge0.89S6.04.
Als Plusinglanz bereits 1820 gefunden
Die Beschreibung des Argyrodits durch WEISBACH 1886 ist jedoch nicht die
erste des Minerals, wie sich später herausstellte. August BREITHAUPT
hatte 1832 in seiner Charakteristik des Mineralsystems den "Plusinglanz" kurz vorgestellt:
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"Farbe mittel zwischen eisenschwarz und schwärzlichbleigrau. Anscheinend
hemirhombische Combinationen, meist als Drusenhaut. Spaltbar in mehreren, jedoch nicht
ganz deutlichen Richtungen. Bruch uneben. Härte 3. Milde. Spec. Gewicht 6.189 bis
6.244. Von Simon Bogner's Neuwerk bei Freiberg".
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Kurz vorher hatte bereits der Bergmeister Carl Gustav Adalbert VON
WEISSENBACH (1831) etwas ausführlichere Angaben veröffentlicht:
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"Ob ein auf Simon Bogner's Neuwerk Fdgr. bei Freiberg über dem Thelersberger Stollen
auf dem Segen Gottes Stehenden im Jahr 1820 vorgekommenes Silbererz dem Eugenglanz
angehöre, oder eine eigene neue Silbergattung sei, in welchem letzteren Falle Herr
Professor Breithaupt den Namen Plusinglanz (von πλώσιος,
reich) dafür vorgeschlagen hat, bedarf noch weiterer Bestätigung. Er hat ganz
das äussere Ansehen vom Melanglanze, bildet jedoch eine Drusenhaut, deren Krystalle
weder mit den Gestaltreihen des Eugen- noch mit denen des Melanglanzes übereinstimmen,
vielleicht sogar dem hemiprismatischen (Mohs) oder hemirhombischen (Breithaupt) Krystallsysteme
angehören. Es sitzen deutliche Krystalle von Eugenglanz mit darauf. Spec. Gewicht =
6.189 bis 6.244 von verschiedenen Bruchstücken derselben Druse, welche dann nach der
Lötrohrprobe 75.3 und 76.0 Procent Silber, aber kein Kupfer enthielten".
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Mit dem Eugenglanz ist Polybasit gemeint, mit dem Melanglanz der Stephanit.
Unter den Stücken der Reviersammlung des königlichen Bergamtes fanden sich bei
der Neuordnung durch Oberbergrat HEUCKE drei als "Plusinglanz" etikettierte
Exemplare, die durch FRENZEL begutachtet wurden. Zwei hatte bereits
FREIESLEBEN als "Schalenblende" erkannt, das dritte erwies sich als echter
"Plusinglanz" BREITHAUPTs (FRENZEL, 1900 a).
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"Das Stück Plusinglanz hat ein Gewicht von 75 Gramm, ist von reinster Beschaffenheit
und trägt nur einige winzige Partikelchen von Schwefelkies. [...] Von Farbe ist der
Plusinglanz eisenschwarz, auf frischen Bruch eisenschwarz bis schwärzlichbleigrau.
Er zeigt durchaus keine Aehnlichkeit mit dem Himmelsfürster Argyrodit [...]. Wenn
auch die äusseren Kennzeichen des Plusinglanzes Uebereinstimmung mit dem Argyrodit
zeigten, so musste doch der chemische Nachweis von der Gleichheit erbracht werden, und
Herr Oberbergrath Heucke hatte die Güte, eine geringe Partie des wertvollen Materials
der Wissenschaft zum Opfer zu bringen. [...] Herr Professor Kolbeck hatte die Güte,
den Plusinglanz zu prüfen und zu vergleichen mit dem Himmelsfürster Argyrodit.
Die Prüfung ergab für beide Vorkommen eine völlige Gleichheit. An der
übriggebliebenen kleinen Menge bestimmte ich noch den Silbergehalt zu 76.23 Procent.
So war auch der chemische Nachweis erbracht und Gewissheit vorhanden, dass der
hochinteressante Argyrodit bereits im Jahre 1821 in Freiberger Sammlungen gelangte und
als 'Plusinglanz' ein unbeachtetes Dasein führte".
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FRENZEL (1900 b) schreibt weiter zum Plusinglanz: |
"Die Lötrohrbestimmungen [bei VON WEISSENBACH, 1831 -
T.W.] rühren von Plattner her, welcher ausgezeichnete Chemiker zwei neue Elemente
in den von ihm untersuchten Mineralien unter seinen Händen hatte, ohne sie zu erkennen,
nämlich das von Bunsen und Kirchhoff 1861 entdeckte Cäsium im Pollux von Elba
und das von Winkler 1886 entdeckte Germanium im Plusinglanz von Freiberg".
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Die Grube Simon Bogners Neuwerk in Brand-Erbisdorf bei Freiberg ist später mit den
Gruben Unterhaus Sachsen und Reicher Bergsegen zur Grube Vereinigt Feld konsolidiert
worden (FRENZEL, 1900 b).
Neuere Daten zum Argyrodit
Bei röntgenografischen Untersuchungen fand Johannes E. HILLER (1940),
dass Argyrodit und Canfieldit isomorph sind und im rhombischen System kristallisieren.
Die Elementarzelle weist die Abmessungen a = 14,93, b = 12,22 und c =
6,81 Å auf und enthält vier Formeleinheiten. Bei Heizversuchen bis 180°C wurde
keine Umwandlung in eine kubische Struktur festgestellt. Günther EULENBERGER
(1977) führte eine Strukturanalyse an synthetischem
Ag8GeS6 durch. Er bestätigte die
orthorhombische Symmetrie, fand aber andere Gitterparameter als HILLER:
a = 15,149, b = 7,476 und c = 10,589 Å. Das Material kristallisiert
in der Raumgruppe Pna21. Pro Zelle sind vier Formeleinheiten
vorhanden. Ein grundlegendes Motiv der Struktur sind GeS4-Tetraeder.
Bei Phasen vom Typ Ag8MX6 tritt
meist als Hochtemperaturmodifikation eine kubischen Struktur mit a ~ 11 Å
auf. Die orthorhombische Zelle lässt sich als Überstruktur dieser kubischen Zelle betrachten.
Inzwischen sind mehrere Minerale mit Argyrodit-Struktur bekannt. Zur Argyrodit-Gruppe gehören
gegenwärtig sechs Minerale:
Argyrodit, Ag8GeS6
Canfieldit, Ag8SnS6
Putzit, (Cu4.7Ag3.3)GeS6
Alburnit, Ag8GeTe2S4.
Xuwenyuanite, Ag9Fe3+Te2S4.
Spryite, Ag8(As3+0.5As5+0.5)S6.
Argyrodit ist heute von einer Reihe von Fundorten auf der Welt bekannt. Die besten Stücke
wurden in Colquechaca, Potosi Department, Bolivien gefunden. Von hier stammen pseudo-oktaedrische
oder pseudo-dodekaedrische Kristalle bis zu mehreren Zentimetern Größe.
Chemische Analyse von Argyrodit (in Masse-%)
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Plusinglanz, Simon Bogners Neuwerk, Brand-Erbisdorf (VON WEISSEN- BACH, 1831) |
Argyrodit, Grube Himmelsfürst bei Brand-Erbisdorf (WINKLER, 1886 c) |
Argyrodit, "Freiberg" (PENFIELD, 1894) |
Argyrodit, Grube Himmelsfürst bei Brand-Erbisdorf (LAFUENTE et al., 2015) |
Argyrodit, theoretische Zusammen- setzung
|
Ag |
75.3 - 76 |
74.72 |
75.57 - 75.53 |
75.74 |
76.50 |
Ge |
|
6.93 |
6.67 - 6.62 |
5.60 |
6.44 |
Hg |
|
0.31 |
0.34 |
|
|
Fe |
|
0.66 |
0.24 |
|
|
Zn |
|
0.22 |
|
|
|
Sn |
|
|
|
0.01 |
|
S |
|
17.13 |
16.97 |
16.86 |
17.06 |
Summe |
|
99.97 |
99.74 |
98.21 |
100.00 |
Literatur:
Anonymus (1897): Neue Aufschlüsse, sowie geognostisch oder bergmännisch bemerkenswerthe
Vorkommen im Betriebe.- Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche
Sachsen auf das Jahr 1897, 149-152
BREITHAUPT, A. (1832): Vollständige Charakteristik des Mineral-System's.-
Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung, 3. Auflage, 358 p. (p. 277)
EULENBERGER, G. (1977): Die Kristallstruktur der Tieftemperaturmodifikation von
Ag8GeS6 - Synthetischer Argyrodit.- Monatshefte
für Chemie 108, 901-913
FRENZEL, A. (1900 a): Argyrodit ist Breithaupt's Plusinglanz.- Tschermaks
Mineralogische und Petrographische Mitteilungen 19, 244-245
FRENZEL, A. (1900 b): Über den Plusinglanz.- Jahrbuch für das Berg- und
Hüttenwesen im Königreiche Sachsen, Abhandlungen, 61-66
GOLDSCHMIDT, V. (1891): Index der Krystallformen der Mineralien. Dritter Band.- Berlin,
Verlag von Julius Springer, 420 p. (p. 365)
HILLER, J.E. (1940): Die Gitterkonstanten von Crookesit, Argyrodit und Canfieldit.-
Zentralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Abteilung A, 1940, 138-142
LAFUENTE, B.; DOWNS, R.T.; YANG, H. & STONE, N.
(2015): The power of databases: the RRUFF project. In: Highlights in Mineralogical Crystallography, T.
ARMBRUSTER & R.M. DANISI, eds. Berlin, Germany, W. De Gruyter, pp 1-30
MENDELEJEFF, D. (1869): Über die Beziehungen der Eigenschaften zu den Atomgewichten
der Elemente.- Zeitschrift für Chemie 12, 405-406
MENDELEJEFF, D. (1872): Die periodische Gesetzmässigkeit der chemischen
Elemente.- Annalen der Chemie und Pharmacie, Supplementband 8, 133-229 (speziell 200-202)
NEUBERT, E.W. (1886): Über Erzaufbereitung mittels Gebläseluft (Luftseparation)
und über die Entdeckung eines neuen Silbererzes (Argyrodit) bei Himmelsfürst Fundgrube
bei Freiberg.- Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf
das Jahr 1886, 71-85
PENFIELD, S.L. (1893): On canfieldite a new germanium mineral and on the chemical
composition of argyrodite.- The American Journal of Science, Third Series XLVI, 107-113
PENFIELD, S.L. (1894): On Argyrodite and a new Sulphostannate of Silver from
Bolivia.- The American Journal of Science, Third Series XLVII, 451-454
WEISBACH, A. (1886): Argyrodit, ein neues Silbererz.- Neues Jahrbuch für
Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Jahrgang 1886, II. Band, 67-71
WEISBACH, A. (1894): Ueber den Argyrodit.- Neues Jahrbuch für Mineralogie,
Geologie und Paläontologie, Jahrgang 1894, I. Band, 98-99
WEISSENBACH, C.G.A. VON (1831): Ueber die Gehalte der beym
sächsischen Bergbau vorkommenden Silbererze.- Kalender für den Sächsischen
Berg- und Hüttenmann auf das Jahr 1831, p. 223-248
WINKLER, C. (1886 a): Germanium, Ge, ein neues nichtmetallisches Element.-
Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 19, 210-211
WINKLER, C. (1886 b): Mittheilungen über das neue Element "Germanium".-
Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr
1886, 163-166
WINKLER, C. (1886 c): Über das Germanium.- Journal für praktische Chemie
142 (N.F. 34), 177-229
|