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Megalithgräber und Menhire in Mecklenburg-Vorpommern




Großsteingrab "Christianenhof 2" / "Drüsewitz Fundplatz 4", Selpin,

Sprockhoff: Nr. ---.

Zu den Großsteingräbern westlich von Drüsewitz-Ausbau und südwestlich des ehemaligen Christianenhof gibt es in den öffentlich zugänglichen Quellen ungenaue und zum Teil widersprüchliche und verwirrende Angaben.
Friedrich Schlie (1898) schreibt zu den Gräbern: "Christianenhof bei Tessin. Im Walde ein gut erhaltenes Hünengrab (Riesenbett); ein anderes, an dem die Grabkammer zerstört ist, in einer Wiese; zwei zerstörte Hünengräber in der »Reiherhorst«." Ernst Sprockhoff (1967) zitiert lediglich den ersten Teil der Angabe von Schlie zu dem Grab im Wald und auf der Wiese, die beiden anderen werden nicht erwähnt. Ewaldt Schuldt (1972) listet unter Christianenhof ein Grab unbestimmten Typs und ein Hünenbett ohne Kammer auf. Auch dies bezieht sich offenbar nur auf den ersten Teil der Angaben bei Schlie.

In dem Eintrag "Großsteingräber bei Christianenhof" bei Wikipedia (Stand Februar 2024) werden ein entferntes und drei noch vorhandene Gräber genannt:
"Christianenhof 2" (Schlie, 1898) = "Christianenhof 1" (Schuldt, 1972); zerstört.
"Christianenhof 1" (Schlie, 1898) = "Christianenhof 2" (Schuldt, 1972) = Drüsewitz Fundplatz 4. "Grab 2 ist ein rechteckiges kammerloses Hünenbett mit einer Länge von 15 m und einer Breite von 4 m. Zur Orientierung des Betts oder zu einer möglichen Umfassung liegen keine Angaben vor." Als Koordinaten werden 53.99004 N, 12.42198 E angegeben.
"Christianenhof (Reiherhorst) 1" = bei Schuldt nicht erwähnt = Drüsewitz Fundplatz 2. "Das Grab ist nur noch in Resten erhalten. Es liegen mehrere Wand- und Decksteine der Grabkammer verstreut umher." Das Grab liegt 280 m südsüdwestlich von Grab Christianenhof 2. Als Koordinaten werden 53.98785 N, 12.41965 E angegeben.
"Christianenhof (Reiherhorst) 2" = bei Schuldt nicht erwähnt = Drüsewitz Fundplatz 5. "Das Grab besitzt ein kleines Hünenbett, dessen Länge mit 4 m und dessen Breite mit 1,5 m angegeben wird. Von der Umfassung ist noch ein Wächterstein erhalten." Das Grab liegt 170 m südlich von Grab Christianenhof (Reiherhorst) 1. Als Koordinaten werden 53.98631 N, 12.41997 E angegeben. (Anmerkung: die Angabe zu dem Hünenbett ist sicher falsch, so kleine Hünenbetten gibt es nicht.)
Weder Schlie noch Schuldt haben den Gräbern jedoch konkrete Bezeichnungen oder Nummern gegeben. Die genannten Nummern beziehen sich offenbar nur auf die Reihenfolge der Erwähnung. Im Falle der beiden Gräber im Reiherhorst ist eine Zuordnung zu Fundplatz-Nummern garnicht möglich, da Schlie keinerlei nähere Angaben macht.

Ebenfalls bei Wikipedia, unter dem Eintrag "Liste der Großsteingräber in Mecklenburg-Vorpommern" in der Tabelle "Erhaltenen Gräber" (Stand Februar 2024) finden sich die drei oben genannten erhaltenen Gräber unter den Namen Christianenhof und den Fundplatznummern Drüsewitz 4, 2 und 5. Unter dem Namen Drüsewitz 2, 4 und 5 tauchen die drei Gräber dann noch ein zweites Mal in der Liste auf, allerdings unter Auslassung des Begriffs "Fundplatz". Während die Angaben zu Drüsewitz 2 und 4 weitgehend zu den oben genannten Angaben passen (zu Drüsewitz 4 findet sich zusätzlich die Angabe "Orientierung NO-SW"), unterscheidet sich die die Angaben zu Drüsewitz 5 sehr deutlich: "1890 durch Beyer genannt, Orientierung NO-SW, 26 Schritt lang, 1,5 m breit = NO, 5 m breit = Mitte, 4 m breit = SW, Wächterstein an NO steht, restliche liegen, Steinkiste gut erhalten (wohl "gelüftet" = untersucht), Deckstein liegt daneben, zeichnerische Aufnahme 1997, alle Steine vorhanden."
Zusätzlich wird noch ein Großsteingrab Drüsewitz 8 erwähnt mit den Angaben "Großdolmen, 2000 - Hügelrest, Durchmesser = 12 m, Höhe = 0,5 m, oben großer Block mit Bohrloch". Angaben zur Position gibt es nicht. Die Auslassung des Begriffs "Fundplatz" impliziert, dass es hier 8 Großsteingräber gegeben hat, was jedoch nicht korrekt ist. Als Fundplatz werden alle archäologischen Fundstellen bezeichnet. Es gibt in dem Wald auch noch einige Hügelgräber, die ebenfalls eine Fundplatz-Nummer aufweisen.


Man kann die Gräber von der L18 / Tessiner Chausssee von Laage bzw. Goritz Richtung Nordosten erreichen. Etwa 2 km nach den letzten Häusern von Goritz geht von der Straße zu beiden Seiten ein Waldweg ab. Hier kann man parken (53.98590 N, 12.44129 E). Man folgt dem nach Westen in den Wald führenden Weg etwa 800 Meter, kurz bevor bis südlich des Weges eine Wiese liegt und nach Nordwesten ein Weg abgeht. Diesem Weg folgt man etwa 500 Meter bis er kurz vor dem Waldrand nach Nordosten umbiegt. Einige Meter links von der Biegung liegen die Reste des Grabes "Christianenhof Reiherhorst 1" / "Drüsewitz Fundplatz 2", dicht am Waldrand. Etwa 170 Meter südlich davon findet sich auf einer gerodeten Fläche das nicht ganz so einfach zu findende Grab "Christianenhof Reiherhorst 2" / "Drüsewitz Fundplatz 5". Folgt man dem Weg nach der Biegung nach Nordost rund 150 Meter weiter, hat man rechts vom Weg das Grab "Christianenhof 2" / "Drüsewitz Fundplatz 4" zu liegen, reichlich 200 Meter nordöstlich vom Grab "Christianenhof Reiherhorst 1". Die Position des Grabes "Christianenhof 2" weicht von der bei Wikipedia (Stand 2024) um etwa 75 Meter ab, die Beschreibung passt jedoch recht gut.

Es handelt sich bei dem Großsteingrab "Christianenhof 2" / "Drüsewitz Fundplatz 4" um ein etwa rechteckiges Hünenbett, das annähernd in NW-SE-Richtung orientiert ist. Auch wenn einige Steine fehlen oder verlagert sind, ist die Struktur noch gut erkennbar. Viele Steine sind stark mit Moos überwachsen. Von einer Kammer ist nichts erkennbar, was zu der Angabe passt, dass es sich um ein kammerloses Hünenbett handelt. Die angegebene Breite von 4 Metern und Länge von 15 Metern passt ebenfalls gut zu dem sichtbaren Befund. Dagegen stimmt die angegebene Orientierung "NO-SW" nicht überein, denn dann müsste es parallel zu dem in Nordost-Richtung verlaufenden Weg liegen, was jedoch nicht der Fall ist. Es liegt annähernd senkrecht dazu.



Koordinaten (GPS gemessen): 53.98944° N, 12.42195° E (WGS84).




Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.






Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.






Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.






Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.




Merkwürdigerweise gibt es in der Nähe und lediglich etwa 20 - 30 Meter von der bei Wikipedia (Stand Februar 2024) angegebenen Position für das Großsteingrab Christianenhof 2 eine weitere, sehr auffällige Ansammlung von Steinen in dem ansonsten weitgehend steinfreien Wald. Die Steine liegen über eine Länge von etwa 25 Metern verstreut, annähernd in Ost-West-Richtung. Auch hier würde die Angabe einer "NO-SW"-Orientierung nicht passen. Eine Struktur in der Anordnung ist nicht erkennbar. Es dürfte sich deshalb hier auch nicht um das Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4 handeln.
Dass die Steine als Lesesteine vom Feld hierher geschafft wurden, ist unwahrscheinlich. Dazu sind sie zu sehr im Wald verstreut, außerdem sind es noch etwa 50 Meter bis zum Feldrand. Weiterhin schließt sich an den Wald nur ein etwa 40 Meter breiter Feldstreifen an bis zum Fluss Recknitz. Eine natürliche Steinansammlung ist ebenfalls wenig wahrscheinlich. Da es in unmittelbarer Nähe mehrere Großsteingräber gibt, hätte man die Steine sicher verbaut und nicht liegen gelassen. Um was es sich bei der Ansammlung von Steinen handelt, muss deshalb offen bleiben. Dass es sich um ein zerstörtes, bisher nicht erfasstes Hünenbett handelt, ist durchaus möglich, lässt sich aber ohne archäologische Untersuchungen nicht belegen.




Steinansammlung nahe dem Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.






Steinansammlung nahe dem Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.






Steinansammlung nahe dem Großsteingrab Christianenhof 2 / Drüsewitz Fundplatz 4, Selpin. Foto 13.02.2024.






Quellen:
Schlie, F. (1898): Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. Band 1. 2. Aufl., Schwerin, S. 453

Schuldt, E. (1972): Die mecklenburgischen Megalithgräber. Untersuchungen zu ihrer Architektur und Funktion. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, S. 118.

Sprockhoff, E. (1967): Atlas der Megalithgräber Deutschlands. Teil 2: Mecklenburg - Brandenburg - Pommern. Rudolf-Habelt Verlag, Bonn, S. 22.

Wikipedia (Stand Februar 2024): Großsteingräber bei Christianenhof
Wikipedia (Stand Februar 2024): Liste der Großsteingräber in Mecklenburg-Vorpommern



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© Thomas Witzke